Was für ein Unterschied. Als der britische Premier Gordon Brown im Oktober 2008 einer staunenden Welt sein erstes Bankenrettungspaket vorstellte, wurde er als Retter der Finanzwelt gefeiert. Browns Masterplan, die klaffenden Löcher in den Bilanzen mit Staatsgeld zu stopfen, wurde zum internationalen Vorbild.
Doch als Brown in dieser Woche sein zweites Rettungspaket präsentierte, war von Erleichterung keine Spur. Im Gegenteil, die britischen Bankaktien stürzten noch einmal dramatisch ab, die Sorge um die Stabilität des Finanzsystems schien nicht kleiner, sondern größer geworden zu sein.
Die heftige Reaktion zeigt, wie immens schwierig es ist, die Schockstarre an den Finanzmärkten aufzubrechen. Die Zweifel wachsen, ob das kurzfristig überhaupt möglich ist, denn durch die Krise werden enorme Ungleichgewichte korrigiert, und das braucht Zeit. Natürlich ist das ein sehr ernstes Problem, denn ohne funktionierende Finanzmärkte wird der Realwirtschaft die Luft zum Atmen abgeschnürt.
Konkret stecken zwei Gründe hinter dem Misstrauen gegenüber Browns neuem Plan. Paradoxerweise geht das Rettungspaket zu weit und gleichzeitig nicht weit genug. Zu weit deshalb, weil es eine schleichende Verstaatlichung des Bankensektors bedeutet, und nicht weit genug, weil es die kontaminierten Bilanzen nicht gründlich genug reinigt. Zumindest besteht die große Gefahr, dass auch das zweite Paket nicht ausreicht, um die Banken dazu zu bringen, endlich wieder mehr Geld zu verleihen.
Im Zentrum des neuen Plans steht eine Art Ausfallversicherung für toxische Wertpapiere. Die Alternative wäre die Gründung einer staatlichen Bad Bank gewesen, die den Geschäftsbanken alle faulen Papiere und Kredite abgekauft und die Titel in besseren Zeiten wieder auf den Markt geworfen hätte. Die jetzige Lösung sieht vor, dass die Banken ihre Risiken offenlegen und sie gegen eine Gebühr gegen Verluste absichern. Das hat für den Staat den Vorteil, dass er weniger Geld in die Hand nehmen muss, weil er die toxischen Papiere ja nicht kaufen, sondern nur garantieren muss. Aber reicht das, um das Vertrauen wieder herzustellen? Die riskanten Positionen verschwinden nicht wirklich aus den Bilanzen, die Banken müssen die toxischen Papiere weiter managen. Am Ende bleibt mehr als ein Rest von Unsicherheit.
Gleichzeitig müssen sich alle Banken, die die Hilfen in Anspruch nehmen, verpflichten, mehr Kredite zu vergeben. Das heißt, die britische Regierung wird künftig ganz konkret darüber mitentscheiden, wie viele Darlehen die Banken vergeben. Über die Konditionen der Ausfallversicherung nimmt sie außerdem Einfluss auf die Bewertung der gefährdeten Positionen in den Bilanzen. Bis zur vollen Kontrolle des Bankensektors durch den Staat ist es von hier aus nur noch ein einziger Schritt. Und im Moment würde wohl kaum ein Experte Geld darauf setzen, dass Brown nicht auch diesen Schritt noch gehen muss, um die Lage im Finanzsystem zu normalisieren.
Was aber heißt eigentlich "normal" in diesen Zeiten? Zweifellos hat sich im Boom eine Kreditblase aufgebläht, aus der jetzt die Luft entweichen muss. In den vergangenen Jahren sind die europäischen Banken deutlich schneller gewachsen als die Gesamtwirtschaft. Die Analysten der Investmentbank Merrill Lynch haben ausgerechnet, dass die Bilanzsummen der Institute um 5,5 Billionen Euro schrumpfen müssten, um diese Verhältnis wieder auf das Niveau des Jahres 2003 zurückzubringen. Davon ist nach anderthalb Jahren Krise gerade einmal eine Billion Euro geschafft. Kein Wunder, dass die Märkte nicht mehr an Patentrezepte zur Rettung des Finanzsektors glauben.