Dienstag, 07. Februar 2012
Die Busch-Trommel Alles wieder auf Anfang
von Friedhelm Busch
In Sachen Griechenland werden die Lösungsvorschläge immer abstruser, meint Börsenkommentator Friedhelm Busch. Dabei brauche das Land keine Sparkommissare, sondern Aufbauhelfer.
Zum Thema "Griechenland und Eurokrise" ist nun wirklich von allen alles gesagt worden. Und vieles stimmt ja auch. Zweifellos haben sich die Griechen den Beitritt zum Euro mit unredlichen Mitteln erschlichen, sind Rechtsunsicherheit und ein korruptes Steuersystem die tiefere Ursache der griechischen Misere, versprechen die verantwortlichen Politiker das Blaue vom Himmel, nur um von den europäischen Partnern und vom IWF weitere Milliardenhilfen zu bekommen, fühlen sich aber nicht an ihr Wort gebunden, weil sie die Rache der eigenen Bürger bei den kommenden Wahlen befürchten.
Richtig ist auch, dass sie diese Kredite niemals zurückzahlen können. Doch nun wird es höchste Zeit, diese selbstgerechten Diskussionen um die Schuld und Sühne Griechenlands und um die Zukunft Europas aus den lärmenden Schlagzeilen der Massenmedien herauszuholen. Nicht ohne das Zutun von uns Journalisten fühlen sich nämlich immer mehr Politiker angeregt zu immer absurderen Vorschlägen.
Dazu zählen Überlegungen, die griechischen Staatsschulden nach dem Vorbild der einstigen DDR über ein Sonderkonto abzuwickeln, auf das aber nur europäische Treuhänder einen Zugriff haben. (Angesichts der vergangenen Straßenkämpfe in Athen eine ziemlich beunruhigende Vorstellung: Ganz Griechenland unter europäischer Vormundschaft.) Oder noch radikaler: Die Tilgung Griechenlands aus dem Staatenregister mit anschließender Neugründung unter einem anderen Namen und ohne Schulden. Das ist nur noch krank. Oder dem Karneval geschuldet. Wer weiß das schon?
Sinnlose Drohungen
Wenig hilfreich ist auch der Vorschlag, den Griechen einen Sparkommissar zu verordnen. Machen wir uns doch nichts vor, Griechenland wird niemals so viel sparen können, dass es jemals seine Staatsschulden zurückzahlen kann. Das gilt im übrigen für jeden Staat dieser Welt. Oder glaubt irgendjemand ernsthaft daran, dass eine künftige Bundesregierung in der Lage sein würde, die deutschen Staatsschulden zu tilgen? Wir jubeln doch schon, wenn die Neuverschuldung weniger schnell steigt als vorhergesagt.
Auch diese knallharten Drohungen, die Hilfsgelder für Griechenland einzufrieren, wenn das Land die Forderungen der Europäer und des IWF nicht erfüllt, sind doch nur Fensterreden an die Adresse der Wähler in den Geberländern. Die Gelder werden sehr wahrscheinlich auch weiterhin fließen, selbst wenn härtere Sparmaßnahmen von der griechischen Regierung offenkundig nur versprochen aber kaum eingehalten werden. Und das ist vielleicht auch gut so! Denn es ist im Grunde sinnlos, den Konsum der griechischen Bevölkerung durch zusätzliche Lohn- und Rentenkürzungen oder Steuererhöhungen noch stärker als bisher einzuschränken. Weitere Umsatzrückgänge, noch mehr Firmenpleiten und höhere Arbeitslosigkeit wären die zwangsläufige Folge.
Das Geld intelligenter ausgeben
Heißt das: Augen zu und zähneknirschend immer neue Milliardenkredite gewähren, bis zum Sankt Nimmerleinstag? Nur weil eine Pleite Griechenlands in eine unkalkulierbare europäische Katastrophe führen könnte? Ganz bestimmt nicht! Der Königsweg aus dieser Zwangslage kann nur heißen: Zwar weiterhin Geld bereit stellen, das Geld aber anders einsetzen. Effektiver, produktiver als bisher!
Gegenwärtig dienen die Milliardenkredite dem griechischen Staat überwiegend dazu, alte Kredite zu tilgen. Das heißt, neue, höhere Schulden treten an die Stelle alter Schulden. Der Schuldenberg wächst und wächst, doch für die Verbesserung der Wirtschaftskraft und für die Reform des griechischen Gesellschaftssystems bleibt nichts übrig. Das ist, höflich formuliert, eine äußerst unproduktive Form der Verschuldung. Und allmählich scheinen das ja unsere Politiker auch zu begreifen.
Die bestehenden Rückzahlungsverpflichtungen durch eine drastische Umschuldung zu Lasten nicht nur der privaten, sondern auch der öffentlichen Gläubiger, also auch der EZB, zu reduzieren, das wäre allerdings nur ein erster Schritt in die richtige Richtung. Hinzu kommen muss der am Anfang der Krise schon einmal angedachte Plan, internationale und auch griechische Unternehmen zu veranlassen, in Griechenland zu investieren. Notfalls angeregt durch Milliarden-Subventionen seitens der Geberländer.
Ökostrom aus Griechenland
So könnten die europäischen Kreditprogramme in Form von Anschubfinanzierungen durch die Notenbanken dazu beitragen, in Griechenland neue Industriezentren oder auch moderne Technologiebetriebe aufzubauen. Um Fehlinvestitionen und Korruption beim Einsatz der Mittel zu vermeiden, sollten, wie einst beim amerikanischen Marshall-Plan, internationale Experten in Zusammenarbeit mit den Unternehmen die Projekte planen und verwirklichen. Nicht als Sparkommissare sondern als Aufbauexperten. Statt nach Deutschland oder Frankreich auszuwandern, hätten die griechischen Facharbeitern in den nächsten Jahren eine berufliche Zukunft auch im eigenen Land. Und Griechenland würde nicht seine junge Elite ans Ausland verlieren.
Der jetzt erörterte Vorschlag, Finanzmittel der deutschen Öko-Strom-Förderung für den Aufbau von Solarfirmen und –netzen in Griechenland zu nutzen, sollte nicht vorschnell vom Wirtschaftsministerium verworfen werden, nur weil er zu Lasten deutscher Stromkunden gehen und Wählerstimmen kosten könnte. Das sonnige Griechenland bei dem Ausbau der Solarenergie zu unterstützen, das wäre allemal sinnvoller, als die eher schattigen deutschen Dächer mit chinesischen Solarpanels zuzukleben.
Doch Griechenlands internationale Wettbewerbsfähigkeit ist nicht nur auf Industrie- und High-Tech-Investitionen angewiesen. Genauso wichtig ist die Förderung der Ausbildung junger Griechen. Die Jugendarbeitslosigkeit im Lande ist erschreckend hoch, und häufig ist die fehlende Bildung der Grund. Das Gleiche gilt im Übrigen auch für Spanien. Die wachsende Jugendarbeitslosigkeit ist vielleicht der gefährlichste gesellschaftspolitische Sprengsatz, der schon in naher Zukunft Südeuropa in die Luft jagen könnte. Nordafrika und der mittlere Osten sind schließlich nicht so weit entfernt.
Jeder Euro, der in griechische Schulen und Universitäten investiert wird, kommt somit auch den europäischen Geberländern zugute. Deswegen lohnt es den Mut der Politiker, das bisherige Rettungskonzept aufzugeben und noch einmal von vorn zu beginnen. Wieder alles auf Anfang!