Der gefährliche Zug der Börse

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Der gefährliche Zug der Börse

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Die Verhaltensforschung erklärt, wieso Anleger zum falschen Zeitpunkt ein- und aussteigen

Der gefährliche Zug der Börse

Von Carolyn Braun, Handelsblatt

Menschen handeln nicht immer rational. Und auch Anleger sind Menschen. Überspitzt formuliert ist das die Grundannahme der Behavioral Finance, einer jungen Wissenschaft, die die Verhaltensforschung auf das Börsengeschehen anwendet. „An der Börse Geld zu verdienen, erfordert Disziplin“, sagt Joachim Goldberg vom Frankfurter Finanzdienstleister Cognitrend. „Die meisten Anleger maximieren an der Börse aber nicht ihren Gewinn, sondern ihr Wohlbefinden.“




HB DÜSSELDORF.Und so fällt es ihnen schwer, gegen den Trend zu handeln. „Denn dem Anleger droht nicht nur der mögliche finanzielle Verlust, er verliert auch sein Gesicht, wenn er sich anders als die Masse entscheidet“, erläutert Goldberg.

Die spektakulären Crashs der Vergangenheit haben immer wieder gezeigt, was passiert, wenn Anleger wie die Lemminge der Herde hinterherlaufen – von der Tulpenmanie im 17. Jahrhundert in Holland bis zum Crash der New Economy im Jahr 2000 (siehe „Historische Blasen“). „Alle 40, 50 Jahre rufen Marktteilnehmer und Journalisten eine neue Ära aus“, sagt Dirk Schiereck, Professor für Bank- und Finanzmanagement an der European Business School (EBS) in Oestrich-Winkel. Dann heißt es, die allgemein anerkannten Gesetzmäßigkeiten hätten ihre Berechtigung verloren – und die Märkte geraten völlig aus dem Gleichgewicht. „Der Generation, die das erlebt, passiert so etwas nicht wieder“, sagt Schiereck. „Die nächste aber scheint die Erfahrung selbst machen zu müssen.“

Und dennoch ist es selten sinnvoll, sich gegen den Herdentrieb zu stemmen. Gerade bei der Aktienanlage sei es sehr schwer, einem Papier seinen fundamentalen Wert zuzuordnen, sagt Thomas Heidorn, Professor für Bankbetriebslehre an der Hochschule für Bankwirtschaft in Frankfurt. „Schließlich gibt es bei Aktien im Gegensatz zu Anleihen keinen Endzeitpunkt, an dem man sehen kann, wer nun Recht gehabt hat.“ So führt eine systematische Überbewertung nicht zwangsläufig zu einer Gegenbewegung, sondern kann durchaus lange anhalten. So dauerte der holländische Tulpenboom 18 Monate. Die teuerste Tulpe kostete auf dem Höhepunkt 5 500 Gulden – das entspricht heute etwa 530 000 Euro.

Anleger, die sich allein an den grundlegenden ökonomischen Daten orientieren, sind dann schon längst ausgestiegen. Die anderen stecken sich gegenseitig mit ihrer Begeisterung an – ein sich selbst verstärkender Trend.

Das Problem: Das Erkennen eines Herdentriebs ist nur schwer in Geld umzumünzen. Sicherlich – wenn die Mitfahrer in der U-Bahn den Aktienblätter lesen, wenn die Boulevard-Zeitungen mit Börsentipps aufmachen, wenn Menschen sich für Dividendenpapiere interessieren, die damit bislang überhaupt nichts im Sinn hatten, ist es vielleicht höchste Zeit auszusteigen. Dennoch „ist es schwer vorauszusehen, wann sich die Herde dreht“, sagt Heidorn – also wann die Blase platzt.

Andere Phänomene, die die Behavioral Finance analysiert, sind durchaus zu Geld zu machen – wenn der Anleger es schafft, sein Verhalten zu kontrollieren. So schmerzen der Prospekt-Theorie von Daniel Kahnemann und Amos Tversky zufolge Verluste etwa zweieinhalb mal so stark wie Gewinne erfreuen. Was dazu führt, dass Investoren an Verlusten zu lange festhalten, in der Hoffnung, dass es bald wieder aufwärts geht – und Gewinne zu früh realisieren, weil sie befürchten, dass der Kurs demnächst wieder sinken könnte.

Denn der typische Anleger sieht die Kursentwicklung in der Regel relativ zum Einstiegskurs. Der Frankfurter Professor Heidorn hat mit Tindaro Siragusano, dem Leiter der Abteilung Model Trading bei der Hypo-Vereinsbank (HVB) ein Modell entwickelt, das diese Erkenntnis für das Verhalten am Devisenmarkt umsetzt und mittlerweile von der HVB eingesetzt wird. Es hilft, Fehlentscheidungen schnell und emotionslos zurückzunehmen. „Das ist der Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Anleger“, sagt Heidorn. „Der gute Anleger trifft keine besseren Entscheidungen, aber er korrigiert seine schlechten schneller.“

Bestimmte Fehler sollte man aber gar nicht erst machen. Das CFA Institute, ein Verband von Finanzexperten, befragte vor kurzem ausgewählte Mitglieder nach den häufigsten und kostspieligsten Fehlern, die sie bei Privatanlegern beobachtet haben – und stellte fest, dass Anleger häufig ohne eine klare Anlagestrategie investieren oder sogar blind auf vermeintliche Insiderinformationen vertrauen (siehe „Irren ist teuer“) .

Davon sind vor allem diejenigen Investoren betroffen, die sich selbst für Experten halten. „Jemand, der von vornherein akzeptiert hat, dass er nichts von Finanzen versteht, überschätzt sich nicht“, sagt Schiereck von der European Business School. Auch der institutionelle Investor handelt im Gegensatz zum selbst ernannten Profi nur rational, weil ihn bestehende Limits im Zaum halten.


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Irren ist teuer: Die zehn häufigsten Fehler von Privatanlegern

Keine Anlagestrategie: Viele Anleger haben keine klare Vorstellung davon, wie viel Risiko und Volatilität sie für ihre Ziele in Kauf nehmen wollen.

Einzelaktien statt Diversifikation: Wer sein Risiko nicht genügend streut, ist den Schwankungen einzelner Wertpapiere oder Sektoren ausgesetzt.

Aktien statt Unternehmen: Anleger sollten die Fundamentaldaten von Unternehmen und Branche analysieren, nicht nur die aktuelle Kursentwicklung betrachtet haben.

Hoch kaufen: Anleger fällen ihre Entscheidungen ausschließlich auf Grund vergangener Entwicklungen.

Verluste anhäufen: Viele scheuen sich, ein Papier zu verkaufen – und hoffen oft vergeblich, die Verluste wieder gut machen.

Ständiges Umschichten der Anlagen: Allzu häufiges Kaufen und Verkaufen zehrt die Anlagerendite auf.

Anlagen auf Grund von „Tipps“ und „Werbesprüchen“: Was man selbst gehört hat, haben viele andere auch schon gehört – und ist wahrscheinlich schon eingepreist.

Zu hohe Ausgaben für Gebühren und Provisionen: Viele Privatanleger informieren sich nicht ausreichend über die Gebührenstruktur ihres Finanzdienstleisters.

Entscheidungsfindung durch Steuervermeidung: Nicht unbedingt bis zum Ablauf der einjährigen Spekulationsfrist halten, nur um von einer niedrigeren Kapitalertragssteuer zu profitieren!

Unrealistische Erwartungen: Anleger, denen es an Geduld mangelt, gehen übermäßige Risiken ein.

Vernachlässigung: Viele private Investoren überprüfen ihre Positionen nicht regelmäßig.

Unkenntnis der wahren Risikotoleranz: Es gibt keine risikofreien Investments. Jeder sollte sich überlegen, wie er mit einem realen Vermögensverlust umgehen würde.


HANDELSBLATT, Freitag, 15. Oktober 2004, 11:17 Uhr


Finde ich sehr interessant.

Kann mir einer helfen, eine Verlinkung zum posting von id Darkview vom 14.02.02 "Der typische Investor" reinzustellen.


greetz uedewo

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