Erst gesundsparen, dann zuschlagen: Steigende Gewinne belegen, dass Siemens fit ist für den Aufschwung. Und doch hapert’s beim Umsatzwachstum. Konzernchef Heinrich von Pierer hat reichlich Geld zur Verfügung, um auch dieses Problem bald zu lösen.
von Stephan Bauer
Euro am Sonntag 04/04
Der Mann mag’s plakativ. Seine Liebe zur Politik kann der Siemens-Chef eben nicht verhehlen: Nach dem "Zehn-Punkte-Programm" aus dem Jahr 1998 und der "Operation 2003", die der Ex-Stadtrat vor drei Jahren einläutete, heißt Heinrich von Pierers neuestes Motto für die Siemens-Banner: "Go for profit and growth!"
Nach Jahren eisernen Sparens sind es jetzt also die Klassiker "Gewinn und Wachstum", die von Pierer von seinen 13 Sparten-vorständen fordert. Die voraussichtlich letzten beiden Jahre als Vorstands-Chef sollen ein Erfolg werden. Von Pierer hat es bereits angedeutet: Der Franke will seinen im September auslaufenden Vertrag verlängern. Spätestens im Januar 2006, zu seinem 65. Geburtstag, soll dann aber Schluss sein.
Derzeit spricht alles für einen gelungenen Abgang: Beim Gewinn liegt der Konzern, der die Welt mit Elektronikprodukten vom Computertomographen bis zum Handy versorgt, auf Kurs. Der Chef verspricht für das Geschäftsjahr ein zweistelliges Plus. Von Oktober bis Dezember hielt von Pierer sein Versprechen: Der operative Gewinn legte um 24 Prozent auf 1,36 Milliarden Euro zu. Analysten hatten im Schnitt mit lediglich 1,1 Milliarden Euro gerechnet.
Besonders freuen dürfte sich von Pierer über die Entwicklung seiner langjährigen Sorgenkinder, den Telekom-Sparten des Konzerns. Inzwischen mausern sich die Handy-Sparte ICM sowie die Festnetzausrüster von ICN wieder zu Gewinnern. ICN-Chef Thomas Ganswindt, der zuvor bereits Siemens’ Verkehrstechnik in die schwarzen Zahlen brachte, überzeugte mit 51 Millionen Euro operativem Plus. Im Vorjahresviertel stand noch ein Minus von 151 Millionen Euro zu Buche.
Handy-Chef Rudi Lamprecht überraschte mit einem neuen Rekord: ICM setzte im vergangenen Quartal 15,2 Millionen Mobiltelefone ab, fast 40 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Auch bei den Handy-Netzen geht es wieder aufwärts. Ergebnis: ICM schaffte eine operativen Gewinn von 123 Millionen Euro.
Dabei hatte es im Sommer noch so ausgesehen, als würde Lamprecht die Verbindung zur Handy-Weltspitze verlieren. Inzwischen ist seine Truppe Samsung, der Nummer 3 auf dem Weltmarkt, dicht auf den Fersen.
Sogar der erwartete Gewinneinbruch in der bislang ertragreichen Kraftwerkssparte fällt nicht so dramatisch aus, wie von vielen Experten befürchtet. Klar war: Nach dem Boom auf dem US-Turbinenmarkt würden Gewinne und Umsätze stark schrumpfen. Jetzt aber verzeichnet Siemens hier wieder ein kräftiges Auftragsplus. "Die Strategie, mehr Dienstleistungen zu verkaufen, geht auf", sagt Frank Rothauge, Analyst bei Sal. Oppenheim.
Bei allen Erfolgen hat von Pierer noch nicht alles unter Kontrolle. Ein Problem ist der Dollar. Rund 25 Prozent der 74,2 Milliarden Euro Umsatz im Geschäftsjahr 2003 holte sich der Konzern in den USA. Aber die schwache US-Währung bremst den Umsatzzuwachs. "Die Währungsentwicklung schwächt das Wachstum. Ich rechne im laufenden Geschäftsjahr nur mit einem niedrigen einstelligen Umsatzplus", sagt Analyst Falk Reimann von der Landesbank Baden-Württemberg. Im Jahresvergleich schrumpfte der Umsatz im abgelaufenen Quartal um knapp drei Prozent auf 18,3 Milliarden Euro. Mit dem Wachstum also tut sich die Führungsriege noch schwer. Doch von Pierer sorgt offensichtlich für Abhilfe. Denn wozu, wenn nicht für Übernahmen, hat der Siemens-Chef eine gewaltige Kriegskasse aufgebaut: Rund zwölf Milliarden Euro Cash hortete Finanzchef Herrmann Neubürger Ende September in seiner Kasse. Hinzu kamen nach dem Verkauf von über 20 Prozent am Chip-Hersteller Infineon weitere 1,8 Milliarden Euro.
Noch schlagkräftiger machen die jüngsten Beschlüsse der Hauptversammlung das Arsenal. Die Aktionäre genehmigten 600 Millionen Euro zusätzlichen Nominalkapitals gegen Bar- oder Sacheinlage. Das bedeutet: Von Pierer kann etwa bei einer Firmenübernahme mit bis zu 200 Millionen neuen Aktien zahlen – deren Börsenwert beträgt weitere 13,5 Milliarden Euro.Für Experten ist klar, dass Siemens gerade dabei ist, seine Wachstumsstrategie zu ändern. "Siemens bereitet sich darauf vor, künftig deutlich stärker durch Zukäufe zu wachsen", sagt Sal.-Oppenheim-Analyst Rothauge.
Doch was kaufen mit dem Geld? Einige Sparten könnten eine Stärkung vertragen. Da wäre zum Beispiel der IT-Dienstleister SBS. Vorstand Paul Stodden hat zwar gerade den Gewinn auf 44 Millionen Euro im Quartal fast vervierfacht. Doch die Marge ist mit knapp vier Prozent im Vergleich zu Konkurrenten wie IBM immer noch lausig, das Geschäft mit einem Jahresumsatz von zuletzt 5,2 Milliarden Euro zu unbedeutend. "SBS ist zu klein zum Leben und zu groß zum Sterben. Hier täte eine Verstärkung sicherlich gut", sagt Rothauge.
Lücken sehen Experten auch im Bereich der Automatisierungs-, der Medizin- und der Verkehrstechnik. Die Börse in Paris kürte Anfang vergangener Woche die französische Alstom zum Siemens-Zielobjekt: Mit zweistelligen Kursaufschlägen und Rekord-umsätzen spekulierten Händler auf einen Kauf des Mischkonzerns. Nicht ohne Grund: Die Industrieturbinensparte der Franzosen schnappte sich Siemens bereits im Frühjahr 2003. Da wäre aber noch die Bahntechnik mit dem sehr erfolgreichen Schnellzug TGV. Ein europäischer Verkehrstechnik-Konzern, das wäre etwas, womit sich von Pierer sehr wohl anfreunden könnte. "Starke europäische Einheiten" hatte der Vorstand im Herbst vergangenen Jahres gefordert, um amerikanischen und japanischen Konkurrenten die Stirn zu bieten.
Allerdings: Gegen einen Coup in Frankreich spricht, dass Siemens und Alstom die einzigen großen europäischen Bahnbauer sind. "Der Kauf ginge nie und nimmer durch die Kartellkontrolle", sagt Analyst Reimann. Aktionäre warten derweil gespannt, was von Pierer zum Thema Akquisitionen einfällt. Interesse an Zukäufen hat der Siemens-Boss zuletzt bei der Hauptversammlung offen bekundet. Doch der Mann mit der politischen Ader bleibt diplomatisch: "Wir werden da sehr bedacht vorgehen."
von Stephan Bauer
Euro am Sonntag 04/04
Der Mann mag’s plakativ. Seine Liebe zur Politik kann der Siemens-Chef eben nicht verhehlen: Nach dem "Zehn-Punkte-Programm" aus dem Jahr 1998 und der "Operation 2003", die der Ex-Stadtrat vor drei Jahren einläutete, heißt Heinrich von Pierers neuestes Motto für die Siemens-Banner: "Go for profit and growth!"
Nach Jahren eisernen Sparens sind es jetzt also die Klassiker "Gewinn und Wachstum", die von Pierer von seinen 13 Sparten-vorständen fordert. Die voraussichtlich letzten beiden Jahre als Vorstands-Chef sollen ein Erfolg werden. Von Pierer hat es bereits angedeutet: Der Franke will seinen im September auslaufenden Vertrag verlängern. Spätestens im Januar 2006, zu seinem 65. Geburtstag, soll dann aber Schluss sein.
Derzeit spricht alles für einen gelungenen Abgang: Beim Gewinn liegt der Konzern, der die Welt mit Elektronikprodukten vom Computertomographen bis zum Handy versorgt, auf Kurs. Der Chef verspricht für das Geschäftsjahr ein zweistelliges Plus. Von Oktober bis Dezember hielt von Pierer sein Versprechen: Der operative Gewinn legte um 24 Prozent auf 1,36 Milliarden Euro zu. Analysten hatten im Schnitt mit lediglich 1,1 Milliarden Euro gerechnet.
Besonders freuen dürfte sich von Pierer über die Entwicklung seiner langjährigen Sorgenkinder, den Telekom-Sparten des Konzerns. Inzwischen mausern sich die Handy-Sparte ICM sowie die Festnetzausrüster von ICN wieder zu Gewinnern. ICN-Chef Thomas Ganswindt, der zuvor bereits Siemens’ Verkehrstechnik in die schwarzen Zahlen brachte, überzeugte mit 51 Millionen Euro operativem Plus. Im Vorjahresviertel stand noch ein Minus von 151 Millionen Euro zu Buche.
Handy-Chef Rudi Lamprecht überraschte mit einem neuen Rekord: ICM setzte im vergangenen Quartal 15,2 Millionen Mobiltelefone ab, fast 40 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Auch bei den Handy-Netzen geht es wieder aufwärts. Ergebnis: ICM schaffte eine operativen Gewinn von 123 Millionen Euro.
Dabei hatte es im Sommer noch so ausgesehen, als würde Lamprecht die Verbindung zur Handy-Weltspitze verlieren. Inzwischen ist seine Truppe Samsung, der Nummer 3 auf dem Weltmarkt, dicht auf den Fersen.
Sogar der erwartete Gewinneinbruch in der bislang ertragreichen Kraftwerkssparte fällt nicht so dramatisch aus, wie von vielen Experten befürchtet. Klar war: Nach dem Boom auf dem US-Turbinenmarkt würden Gewinne und Umsätze stark schrumpfen. Jetzt aber verzeichnet Siemens hier wieder ein kräftiges Auftragsplus. "Die Strategie, mehr Dienstleistungen zu verkaufen, geht auf", sagt Frank Rothauge, Analyst bei Sal. Oppenheim.
Bei allen Erfolgen hat von Pierer noch nicht alles unter Kontrolle. Ein Problem ist der Dollar. Rund 25 Prozent der 74,2 Milliarden Euro Umsatz im Geschäftsjahr 2003 holte sich der Konzern in den USA. Aber die schwache US-Währung bremst den Umsatzzuwachs. "Die Währungsentwicklung schwächt das Wachstum. Ich rechne im laufenden Geschäftsjahr nur mit einem niedrigen einstelligen Umsatzplus", sagt Analyst Falk Reimann von der Landesbank Baden-Württemberg. Im Jahresvergleich schrumpfte der Umsatz im abgelaufenen Quartal um knapp drei Prozent auf 18,3 Milliarden Euro. Mit dem Wachstum also tut sich die Führungsriege noch schwer. Doch von Pierer sorgt offensichtlich für Abhilfe. Denn wozu, wenn nicht für Übernahmen, hat der Siemens-Chef eine gewaltige Kriegskasse aufgebaut: Rund zwölf Milliarden Euro Cash hortete Finanzchef Herrmann Neubürger Ende September in seiner Kasse. Hinzu kamen nach dem Verkauf von über 20 Prozent am Chip-Hersteller Infineon weitere 1,8 Milliarden Euro.
Noch schlagkräftiger machen die jüngsten Beschlüsse der Hauptversammlung das Arsenal. Die Aktionäre genehmigten 600 Millionen Euro zusätzlichen Nominalkapitals gegen Bar- oder Sacheinlage. Das bedeutet: Von Pierer kann etwa bei einer Firmenübernahme mit bis zu 200 Millionen neuen Aktien zahlen – deren Börsenwert beträgt weitere 13,5 Milliarden Euro.Für Experten ist klar, dass Siemens gerade dabei ist, seine Wachstumsstrategie zu ändern. "Siemens bereitet sich darauf vor, künftig deutlich stärker durch Zukäufe zu wachsen", sagt Sal.-Oppenheim-Analyst Rothauge.
Doch was kaufen mit dem Geld? Einige Sparten könnten eine Stärkung vertragen. Da wäre zum Beispiel der IT-Dienstleister SBS. Vorstand Paul Stodden hat zwar gerade den Gewinn auf 44 Millionen Euro im Quartal fast vervierfacht. Doch die Marge ist mit knapp vier Prozent im Vergleich zu Konkurrenten wie IBM immer noch lausig, das Geschäft mit einem Jahresumsatz von zuletzt 5,2 Milliarden Euro zu unbedeutend. "SBS ist zu klein zum Leben und zu groß zum Sterben. Hier täte eine Verstärkung sicherlich gut", sagt Rothauge.
Lücken sehen Experten auch im Bereich der Automatisierungs-, der Medizin- und der Verkehrstechnik. Die Börse in Paris kürte Anfang vergangener Woche die französische Alstom zum Siemens-Zielobjekt: Mit zweistelligen Kursaufschlägen und Rekord-umsätzen spekulierten Händler auf einen Kauf des Mischkonzerns. Nicht ohne Grund: Die Industrieturbinensparte der Franzosen schnappte sich Siemens bereits im Frühjahr 2003. Da wäre aber noch die Bahntechnik mit dem sehr erfolgreichen Schnellzug TGV. Ein europäischer Verkehrstechnik-Konzern, das wäre etwas, womit sich von Pierer sehr wohl anfreunden könnte. "Starke europäische Einheiten" hatte der Vorstand im Herbst vergangenen Jahres gefordert, um amerikanischen und japanischen Konkurrenten die Stirn zu bieten.
Allerdings: Gegen einen Coup in Frankreich spricht, dass Siemens und Alstom die einzigen großen europäischen Bahnbauer sind. "Der Kauf ginge nie und nimmer durch die Kartellkontrolle", sagt Analyst Reimann. Aktionäre warten derweil gespannt, was von Pierer zum Thema Akquisitionen einfällt. Interesse an Zukäufen hat der Siemens-Boss zuletzt bei der Hauptversammlung offen bekundet. Doch der Mann mit der politischen Ader bleibt diplomatisch: "Wir werden da sehr bedacht vorgehen."
greetz