Déjà-vu im Technologiesektor
High-Tech-Hausse scheint kein Ende zu kennen - Fondsmanager reden von neuer Bubble
von Daniel Eckert und Holger Zschäpitz
Berlin - Fondsmanager sind schon nach sechs Handelstagen des neuen Jahres fix und fertig mit den Nerven, besonders wenn sie im Technologiebereich Zuhause sind. Denn die jüngste Rallye erinnert sie nicht wenig an den Überschwang der Jahre 1999 und 2000.
Auch heute steigen die High-Tech-Kurse höher und höher. Bei dem munteren Treiben spielen Bewertungen und Konjunkturzahlen scheinbar keine Rolle mehr. Seit Jahresanfang sind die Aktien des Telekommunikationsausrüsters Nortel um sage und schreibe 43 Prozent nach oben geschossen und notieren inzwischen bei einem 2003er Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) von rund 120. Konkurrent Lucent kletterte im gleichen Zeitraum um 35 Prozent. Bei dem Glasfaserhersteller lässt sich gar kein KGV berechnen, weil die Gesellschaft aktuell noch Verluste schreibt. Auf Basis der Gewinnschätzungen für 2004 liegt das KGV bei schlappen 930. Selbst verheerende Job-Daten in den USA konnten die Rallye der Tech-Titel zu Wochenschluss nicht stoppen.
"Wer bei dem Kursfeuerwerk nicht dabei war, kann seine Jahresperformance vergessen", sagt Jacques Favre, Fondsmanager des auf Zwölf-Monats-Sicht ganz vorne platzierten Infology Fund bei Lombard Odier Darier Hentsch. Deshalb hätten die Profis gar keine andere Wahl, als sich an der Kauforgie zu beteiligen. "Wir haben Mitte Dezember schon einmal kurz verkauft, uns danach aber glücklicherweise wieder mit den Papieren eingedeckt", berichtet Favre.
Dabei sind die Fondsmanager innerlich zerrissen. Einerseits freuen sie sich über die unaufhörlich steigenden Kurse, die gute Performance ihrer Fonds und die zunehmenden Mittelzuflüsse. Andererseits wissen sie aus der Erfahrung der Jahre 2000 unf folgende, wohin ein solcher Hype führen kann. Nicht wenige Investmentprofis mussten nach dem Zusammenbruch der Märkte Schulungen über Rechnungswesen und faire Bewertungsrelationen über sich ergehen lassen. Jetzt erfahren die Asset-Manager, dass sie die nachträglich erlernten konservativen Modelle über Bord werfen müssen, wollen sie im aktuellen Marktumfeld reüssieren. "Im Moment spielt die Börse in erster Linie die enorme Aufwärtsdynamik des Sektors", sagt Thiemo Lang, Technologiefondsmanager bei Activest. Fundamentale Aspekte würden da in den Hintergrund treten. Doch langfristig könne das nicht gut gehen. "Ich sehe durchaus die Gefahr, dass es auch dieses Mal böse enden wird."
Bestes Beispiel ist der momentan am heißesten laufende Sektor: die Telekomzulieferer. Hier spekulieren die Börsianer darauf, dass die großen Telekommunikationskonzerne sowohl im Festnetzbereich als auch im Mobilfunk ihre Zurückhaltung aufgeben und wieder kräftig investieren. Die Hoffnungen scheinen nicht unbegründet: Nach zwei Jahren mit kräftigen Rückgängen werden die weltweiten Telekoms dieses Jahr Schätzungen der Investmentbank UBS zufolge wieder vier Prozent mehr in Equipment investieren. Das entspricht einer vermehrten Auftragsvergabe von 2,4 Mrd. Euro. Als Wachstumstreiber im Bereich Mobilfunk gilt der Zukunftsstandard UMTS, der hier zu Lande im Herbst eingeführt werden soll und den Aufbau eines vollkommen neuen Netzwerks erforderlich macht.
Während die Geschäftsbelebung nach dem Ende der Krise durchaus erfreulich ist, haben sich die Börsianer bereits in eine Euphorie hineingesteigert: Sei Anfang des Jahres ist die Marktkapitalisierung der Ausrüster bereits um 100 Mrd. Euro gestiegen. "Macht man sich die Diskrepanz zwischen erwartetem Orderplus und Kurssteigerung klar, wird einem schon unheimlich", sagt Favre.
Dennoch erwarten nur die wenigsten Experten, dass ein Kurssturz unmittelbar bevorsteht. So sieht Bernd Habben von der Bremer Landesbank im ersten Halbjahr noch kein Wölkchen den Technologiehimmel trüben. Seiner Meinung nach kann der High-Tech-Rausch, angetrieben von guten Geschäftszahlen, noch eine ganze Weile weitergehen. "Viele Anleger haben sich an der Rallye noch gar nicht beteiligt und gehen jetzt erst dazu über, ihr Geld in Technologietitel zu investieren", sagt der Stratege. Den möglichen Wendepunkt könnte erst eine Leitzinserhöhung in den USA markieren.
Auch Lang glaubt, dass ein Zinsschritt der Fed das Ende der High-Tech-Rallye einläuten könnte. Doch wie die Geschichte zeigt, kann niemand genau voraussagen, ob die Party danach noch einen Monat, ein Jahr oder noch länger weitergeht. Nur eins scheint bereits jetzt festzustehen: Mit der neuerlichen Gier getriebenen Übertreibung an den Technologiemärkten dürfte der Finanzwelt auf absehbare Zeit ein neuer Crash drohen. Deshalb gibt Lang Anlegern den Rat: "Wenn die Musik aufhört zu spielen, sollte man in der Nähe des Ausgangs platziert sein."
Artikel erschienen am 10. Jan 2004
Welt.de
High-Tech-Hausse scheint kein Ende zu kennen - Fondsmanager reden von neuer Bubble
von Daniel Eckert und Holger Zschäpitz
Berlin - Fondsmanager sind schon nach sechs Handelstagen des neuen Jahres fix und fertig mit den Nerven, besonders wenn sie im Technologiebereich Zuhause sind. Denn die jüngste Rallye erinnert sie nicht wenig an den Überschwang der Jahre 1999 und 2000.
Auch heute steigen die High-Tech-Kurse höher und höher. Bei dem munteren Treiben spielen Bewertungen und Konjunkturzahlen scheinbar keine Rolle mehr. Seit Jahresanfang sind die Aktien des Telekommunikationsausrüsters Nortel um sage und schreibe 43 Prozent nach oben geschossen und notieren inzwischen bei einem 2003er Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) von rund 120. Konkurrent Lucent kletterte im gleichen Zeitraum um 35 Prozent. Bei dem Glasfaserhersteller lässt sich gar kein KGV berechnen, weil die Gesellschaft aktuell noch Verluste schreibt. Auf Basis der Gewinnschätzungen für 2004 liegt das KGV bei schlappen 930. Selbst verheerende Job-Daten in den USA konnten die Rallye der Tech-Titel zu Wochenschluss nicht stoppen.
"Wer bei dem Kursfeuerwerk nicht dabei war, kann seine Jahresperformance vergessen", sagt Jacques Favre, Fondsmanager des auf Zwölf-Monats-Sicht ganz vorne platzierten Infology Fund bei Lombard Odier Darier Hentsch. Deshalb hätten die Profis gar keine andere Wahl, als sich an der Kauforgie zu beteiligen. "Wir haben Mitte Dezember schon einmal kurz verkauft, uns danach aber glücklicherweise wieder mit den Papieren eingedeckt", berichtet Favre.
Dabei sind die Fondsmanager innerlich zerrissen. Einerseits freuen sie sich über die unaufhörlich steigenden Kurse, die gute Performance ihrer Fonds und die zunehmenden Mittelzuflüsse. Andererseits wissen sie aus der Erfahrung der Jahre 2000 unf folgende, wohin ein solcher Hype führen kann. Nicht wenige Investmentprofis mussten nach dem Zusammenbruch der Märkte Schulungen über Rechnungswesen und faire Bewertungsrelationen über sich ergehen lassen. Jetzt erfahren die Asset-Manager, dass sie die nachträglich erlernten konservativen Modelle über Bord werfen müssen, wollen sie im aktuellen Marktumfeld reüssieren. "Im Moment spielt die Börse in erster Linie die enorme Aufwärtsdynamik des Sektors", sagt Thiemo Lang, Technologiefondsmanager bei Activest. Fundamentale Aspekte würden da in den Hintergrund treten. Doch langfristig könne das nicht gut gehen. "Ich sehe durchaus die Gefahr, dass es auch dieses Mal böse enden wird."
Bestes Beispiel ist der momentan am heißesten laufende Sektor: die Telekomzulieferer. Hier spekulieren die Börsianer darauf, dass die großen Telekommunikationskonzerne sowohl im Festnetzbereich als auch im Mobilfunk ihre Zurückhaltung aufgeben und wieder kräftig investieren. Die Hoffnungen scheinen nicht unbegründet: Nach zwei Jahren mit kräftigen Rückgängen werden die weltweiten Telekoms dieses Jahr Schätzungen der Investmentbank UBS zufolge wieder vier Prozent mehr in Equipment investieren. Das entspricht einer vermehrten Auftragsvergabe von 2,4 Mrd. Euro. Als Wachstumstreiber im Bereich Mobilfunk gilt der Zukunftsstandard UMTS, der hier zu Lande im Herbst eingeführt werden soll und den Aufbau eines vollkommen neuen Netzwerks erforderlich macht.
Während die Geschäftsbelebung nach dem Ende der Krise durchaus erfreulich ist, haben sich die Börsianer bereits in eine Euphorie hineingesteigert: Sei Anfang des Jahres ist die Marktkapitalisierung der Ausrüster bereits um 100 Mrd. Euro gestiegen. "Macht man sich die Diskrepanz zwischen erwartetem Orderplus und Kurssteigerung klar, wird einem schon unheimlich", sagt Favre.
Dennoch erwarten nur die wenigsten Experten, dass ein Kurssturz unmittelbar bevorsteht. So sieht Bernd Habben von der Bremer Landesbank im ersten Halbjahr noch kein Wölkchen den Technologiehimmel trüben. Seiner Meinung nach kann der High-Tech-Rausch, angetrieben von guten Geschäftszahlen, noch eine ganze Weile weitergehen. "Viele Anleger haben sich an der Rallye noch gar nicht beteiligt und gehen jetzt erst dazu über, ihr Geld in Technologietitel zu investieren", sagt der Stratege. Den möglichen Wendepunkt könnte erst eine Leitzinserhöhung in den USA markieren.
Auch Lang glaubt, dass ein Zinsschritt der Fed das Ende der High-Tech-Rallye einläuten könnte. Doch wie die Geschichte zeigt, kann niemand genau voraussagen, ob die Party danach noch einen Monat, ein Jahr oder noch länger weitergeht. Nur eins scheint bereits jetzt festzustehen: Mit der neuerlichen Gier getriebenen Übertreibung an den Technologiemärkten dürfte der Finanzwelt auf absehbare Zeit ein neuer Crash drohen. Deshalb gibt Lang Anlegern den Rat: "Wenn die Musik aufhört zu spielen, sollte man in der Nähe des Ausgangs platziert sein."
Artikel erschienen am 10. Jan 2004
Welt.de