Das abgekartete Spiel der Analysten

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Das abgekartete Spiel der Analysten Happy End
Happy End:

Das abgekartete Spiel der Analysten

2
15.04.02 07:38
#1
Merrill Lynch und Star-Analyst Henry Blodget samt seinem Team haben Investoren offenbar systematisch an der Nase herumgeführt. Das geht aus der 38-seitigen Klageschrift hervor, die SPIEGEL ONLINE in Auszügen veröffentlicht.

New York - Der oberste Staatsanwalt von New York, Eliot Spitzer, ist sich seiner Sache sicher. "Das war ein schockierender Betrug von einer der namhaftesten Wall-Street-Firmen", sagte er auf einer Pressekonferenz. "Dieser Fall muss eine Reform der ganzen Branche nach sich ziehen".
Spitzer und sein Büro haben ganze Arbeit geleistet. Sie sichteten in zehn Monaten rund 30.000 Dokumente. Viele davon waren interne E-Mails, die zwischen Analysten, Chefs und Investmentbankern von Merrill Lynch kursierten. Außerdem wurden rund 20 Zeugen unter Eid vernommen.

Herausgekommen ist ein 38-seitiger Bericht mit haarsträubenden Ergebnissen. Demnach wurden Analysten dafür bezahlt, mit geschönten Empfehlungen neue Kunden für das Investment Banking anzulocken. Aktien, die intern längst als "Stück Scheiße" bezeichnet wurden, wurden in der Öffentlichkeit mit den höchstmöglichen Bewertungen zum Kauf empfohlen.

Schlimmer noch: Positive Empfehlungen auszusprechen, die beobachteten Firmen zu beraten oder bei den Firmen für neue Bankdienstleistungen Werbung zu machen, brachte den Merrill-Lynch-Analysten Gehaltserhöhungen ein. Nach Erkenntnissen der Ermittler stieg das Jahreseinkommen des Teamchefs Henry Blodget von 1999 bis 2001 von drei auf zwölf Millionen Dollar an. Blogdet tat etwas für sein Geld: Den Fernsehsendern CNN und CNBC gab er in den Jahren 1999 und 2000 46 beziehungsweise 77 Interviews als "objektiver Analyst" des größten Wall-Street-Hauses.

Das Dokument der Staatanwälte strotzt nur so von peinlichen Belegen dieses unverschämten Betrugssystems. SPIEGEL ONLINE veröffentlicht nachfolgend Auszüge der Klageschrift:


VORWURF 1


Merrill Lynch täuschte objektive Bewertungen nur vor

Bis zum 15. Juni 2001 hatte Merrill Lynch offiziell ein fünfstufiges Bewertungssystem:
1 Buy (kaufen, Aktienkurs steigt um mehr als 20 Prozent)
2 Accumulate (akkumulieren, Aktienkurs steigt um 10 bis 20 Prozent)
3 Neutral (halten, Aktienkurs steigt oder fällt um bis zu 10 Prozent)
4 Reduce (reduzieren, Aktienkurs fällt um 10 bis 20 Prozent)
5 Sell (verkaufen, Aktienkurs fällt um mehr als 20 Prozent)


Für jede Aktie wurde eine kurzfristige (für die nächsten zwölf Monate) und eine langfristige (für die Dauer über 12 Monate hinaus) Bewertung abgegeben, sowie ein Risiko-Rating, das von A (am wenigsten riskant) bis D (am riskantesten) reichte.

Außerdem trugen Analysen einen Hinweis auf die eigene Objektivität: "Die Meinung der Analysten muss objektiv sein. Jeder Hinweis darauf, dass die Ergebnisse eine Analyse nicht völlig objektiv sind oder durch ein Geschäftsverhältnis mit der Firma beeinflusst wurden, könnten den Ruf unseres Unternehmens ernsthaft beschädigen und rechtliche Schritte nach sich ziehen."

Von Frühjahr 1999 bis Herbst 2001 veröffentlichte Merrill Lynch keine einzige Studie der Internet Group, die eine Aktie mit "reduzieren" oder "verkaufen" bewertet hätte. Die Analysten Henry Blodget und Kirsten Campbell sagten unter Eid aus, dass ihre Gruppe keine einzige Aktie mit "reduzieren" oder "verkaufen" bewertet hat. Somit wurde aus dem fünfstufigen System ein dreistufiges.

Anstatt negative Kommentare abzugeben, stoppte die Internet Group in aller Stille die Analyse einer Aktie, ohne den Anlegern dazu irgendeinen Kommentar zu geben. Damit wurden der Öffentlichkeit niemals empfohlen, eine Aktie zu verkaufen. Nicht einmal dann, wenn der Aktienwert bis auf nahezu Null abrutschte.


VORWURF 2


Die öffentlichen Analysen stimmten nicht mit internen Äußerungen überein

   
Die Empfehlungen von Henry Blodget
Zu Infospace am 13. Juli 2000
intern: "Diese Aktie ist ein Pulverfass"
offizell: "Kurzfristig kaufen und langfristig kaufen"

Zu Internet Capital am 6. Oktober 2000
intern: "Wir sehen in naher Zukunft keinen Turnaround"
offiziell: "Kurzfristig akkumulieren und langfristig kaufen"

Zu 24/7 Media am 10. Oktober 2000
intern: "Stück Scheiße"
offiziell: "Kurzfristig akkumulieren und langfristig akkumulieren"

Zu Lifeminders am 4. Dezember 2000
intern: "Stück Scheiße"
offiziell: "Kurzfristig akkumulieren und langfristig kaufen"

Quelle: Staatsanwaltschaft New York

Die Öffentlichkeit wurde nicht darüber informiert, dass die Analysten der Internet Group einige Aktien äußerst negativ bewerteten. Im Gegenteil: Während die Internet Group eine Vielzahl von Aktien mit "akkumulieren" bewertete, kursierten interne Mails - die manchmal auch an ausgewählte Investoren gingen -, die diese Aktien als "Stück Scheiße" oder "Ramsch" bezeichneten.
Ein Beispiel ist die Aktie der Internet Capital Group. Nach einem Höchststand am 22. Dezember 1999 sackte die Aktie bis zum 4. Oktober 2000 auf 15,69 Dollar ab (Derzeit notiert die Aktie bei 0,58 Dollar, Anm. d. Red.). In internen Mails warnte Blodget am 5. und 6. Oktober, dass der Aktienkurs weiter einbrechen werde: "Es gibt hier leider keine hilfreichen Nachrichten. Das war ein Desaster ... Für die Aktie gibt es überhaupt keinen Boden." Doch auch mit diesen Prognosen blieb das offizielle Rating bei "kurzfristig akkumulieren und langfristig kaufen". Als die Aktie am 9. November herabgestuft wurde, trug sie die immer noch positive Bewertung "kurzfristig und langfristig akkumulieren". Bis September 2000 war die Aktie der Internet Capital Group auf der Liste der "Top Ten Technology Stocks" von Merrill Lynch.


VORWURF 3


Die Internet Group agierte nicht unabhängig vom Investment-Banking

In der Regel wird zwischen Analysten und Investment-Banker eine so genannte "chinesische Mauer" aufgebaut. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, sollen Investment-Banker davon abgehalten werden, anderen Angestellten vertrauliche Informationen über börsennotierte Firmen weiterzugeben.
Analysten von Merrill Lynch waren aktiv an der Ausarbeitung und Durchführung von Aktivitäten der Investment-Banker beteiligt.

In einem Fall diskutierten ein Investment-Banker und ein Analyst die Anwerbung eines neuen Kunden: "Wir sollten es machen wie bei Go2Net. Wenn du sehr bullish bist (gute Bewertungen abgibst; Anm. d. Red.), werden sie mit Goldman Sachs nicht mehr glücklich sein und aktiv werden."

Als Chef der Internet Group verfasste Blodget ein internes Memorandum unter dem Titel "Managing the Banking Calendar for Internet Research", das an die Chefs der Research-Abteilung und mehrere führende Investment-Banker gesendet wurde. In diesem Schreiben geht Blodget unumwunden davon aus, das mindestens 50 Prozent der Zeit von ihm und seinem Team für Belange des Investment-Banking aufgewendet werden. Für sich selbst stellt er den Zeitplan auf: "85 Prozent Banking, 15 Prozent Analyse". Blodgets eigene Zeitplanung zeigt, dass Merrill Lynch Analyse als Verkaufshilfe für das Investment-Banking betrachtete.

Nach eigener Einschätzung war die Internet Group von Dezember 1999 bis November 2000 an Geschäften des Investment-Banking beteiligt, das Merrill Lynch rund 115 Millionen Dollar an Umsatz einbrachte.

Investment-Banker beteiligten sich auch an der Bewertung von Aktien. So schrieb einer von ihnen an die Analysten: "Es gibt kein Interesse, den Beginn neutraler Bewertungen zu sehen." Den Analysten war der Einfluss der Investment-Banker ein Dorn im Auge. In einer anderen Mail heißt es: "Das ganze Konzept, dass wir von den Bankern unabhängig sind, ist eine große Lüge - ohne die Banker wäre die Aktie mit 'kurzfristig neutral und langfristig akkumulieren' zu bewerten."

Merrill Lynch gab den Einfluss von Investment-Bankern auf Analysten niemals öffentlich zu. Im Gegenteil, in der Öffentlichkeit wurden die Analysten als unabhängig, objektiv und unvoreingenommen präsentiert. In einem Hinweis an Henry Blodget vor einem seiner Fernsehauftritte heißt es: "CNN rief an und wollte wissen, ob wir bei dem AOL-Deal als Berater tätig sind. Der Pressechef hat ihnen keinen Kommentar gegeben. Wenn Du bei einem Moneyline-Interview dazu befragt wirst, dann sage, dass Du nicht informiert bist, weil Du Analyst und nicht Banker bist."


VORWURF 4


Die Bezahlung der Analysten war an die Arbeit für das Investment Banking geknüpft

Im Herbst 2000 schrieb einer der Co-Chefs der Researchabteilung, Deepak Raj, an alle Analysten: "Wir sind wieder einmal dabei, Ihre Unterstützung für das Investment-Banking während des Jahres zu überprüfen... Bitte schicken Sie uns detaillierte Berichte über Ihr Engagement. Eine besondere Rolle spielt dabei, wie Ihre Analysen zur Gewinnung und Betreuung von Kunden beigetragen haben. Bitte informieren Sie uns auch über Ihre Mitarbeit in der Beratung von Beteiligungsgeschäften (mergers and acquisitions). ... Bitte informieren Sie uns auch, wo Ihre Analysen entscheidend waren, um bei einem umsatzträchtigen Geschäft dabei zu sein."
Blodget reagierte auf den Brief am 2. November 2000 und wies darauf hin, dass seine Gruppe an 52 erfolgten oder potenziellen Transaktionen der Investment-Banker beteiligt waren, bei denen insgesamt ein Umsatz von 115 Millionen Dollar erzielt wurde. Kurz nach dieser Rückmeldung wurde Blodgets Gehaltsvertrag erneuert. Von 1999 bis 2001 ist seine jährliche Vergütung von drei auf zwölf Millionen Dollar gestiegen.


IM INTERNET
The Attorney General of New York: Klageschrift gegen Merill Lynch (PDF)


Gruß    
Happy End
Das abgekartete Spiel der Analysten 636276  
Das abgekartete Spiel der Analysten antoinette
antoinette:

so viel zeit habe ich nicht kleiner

 
15.04.02 07:44
#2
na ja haste wieder nen grünen

adieu ödipus
Das abgekartete Spiel der Analysten Happy End
Happy End:

ANALYSTEN: Perfekte Marionetten

 
15.04.02 09:42
#3
Artikel des Manager Magazin vom 15.07.2001!

Mit immer neuen Kaufstudien waren sie wichtige Antreiber des Börsenhypes. Erst der Crash entzauberte die Gurus. Was ist der Rat der Aktienexperten noch wert? mm zeigt, wie Sie mit den Urteilen der Profis umgehen müssen.

Als Christopher Chandiramani im Frühjahr vergangenen Jahres die Aktie des Schweizer Luftfahrtkonzerns SAir Group bewertete, machte er nichts anderes als seinen Job.

Gewissenhaft prüfte der Analyst der Züricher Investmentbank Credit Suisse Bilanz, Strategie und Geschäftsaussichten der Airline, wog Chancen und Risiken ab und kam schließlich zu einem negativen Urteil: Das von der Fluggesellschaft angekündigte ausgeglichene Ergebnis, schrieb Chandiramani auf den Internet-Seiten von Credit Suisse, werde die SAir Group nicht erreichen. Im Gegenteil: Allein im ersten Halbjahr 2000 drohe ein Verlust von mindestens 625 Millionen Mark.

SAir-Group-Chef Philippe Bruggisser war ganz und gar nicht begeistert. Der Konzernchef, nebenbei Verwaltungsratsmitglied der Bank, beschwerte sich.

Mit Erfolg: Die Credit Suisse befürchtete den Abgang ihres Großkunden, nahm die indirekte Verkaufsempfehlung umgehend von ihrer Webpage und feuerte Chandiramani vier Tage, nachdem der Report an die Öffentlichkeit gelangt war.

Der Fluglinie half dieser dreiste Rausschmiss wenig. Im vergangenen Jahr schrieb die SAir Group einen Verlust von 3,6 Milliarden Mark, die Aktie stürzte ab, und heute gilt der Konzern als Sanierungsfall.

Chandiramani, der inzwischen für eine Schweizer Investmentgesellschaft arbeitet, erhielt als einzigen Trost für seine treffende Analyse eine Abfindung in Höhe von 250.000 Mark. Die musste er sich allerdings mit anwaltlicher Hilfe von der Bank erstreiten.

So sieht es also aus mit der Unabhängigkeit der Analysten, jener Spezies, die für Profis und Amateure ihre Urteile über die Chancen und Risiken von Aktien abgibt.

Die Schweizer Großbank findet sich in bester Gesellschaft. Allenthalben sind die professionellen Ratgeber in Verruf geraten.

Die gigantische Vermögensvernichtung, die in den vergangenen Monaten am Neuen Markt stattfand - sie ist nicht zuletzt auch auf das Versagen dieser Aktienjuroren zurückzuführen.

Längst sind die Experten der Banken keine unauffälligen und neutralen Ratgeber mehr. Die Analysten verstehen sich vielmehr als unverzichtbaren Teil der gigantischen Gelddruckmaschine namens Börse, die den Banken seit Jahren Rekordgewinne beschert.

Nicht der Anleger ist es, der im Zentrum des Analysteninteresses steht. Es geht vor allem um die großen Kunden der Bankhäuser:


Institutionelle Investoren wie zum Beispiel die Fondsgesellschaften: Sie wickeln als Gegenleistung für die fundierten Untersuchungen ihre Wertpapiergeschäfte über die Bank des Analysten ab und bescheren dem Kreditinstitut auf diese Weise hohe Kommissionseinnahmen.


Unternehmen, die Fusionen oder Übernahmen planen: Für solche Zusammenschlüsse wollen die Banken schmeichelhafte Studien sehen, um den Deal zu begleiten und so stattliche Honorare zu kassieren.


Firmen, die einen Börsengang planen: Die Bank will den Schönheitswettbewerb um einen der provisionsträchtigen Plätze im Emissionskonsortium gewinnen; da stört ein skeptischer Analystenreport aus dem eigenen Haus natürlich.
Frage also: Kann der Anleger dem Rat der Banken überhaupt noch trauen? manager magazin hat die merkwürdigen Methoden der Geldhäuser untersucht, legt die Interessenkonflikte der Analysten offen und zeigt mögliche Lösungen für die Privatanleger auf.


Konflikt 1: Analysten als Akquisiteure


Gute Analysten müssen vor allem eines sein: erstklassige Verkäufer.

Rund ein Drittel ihrer Zeit verbringen die Aktienexperten damit, ihre in Hochglanz verpackten Investmentideen anzupreisen - vor institutionellen Investoren wie Fondsgesellschaften, Pensionskassen oder Versicherungen. Die wiederum wickeln als Gegenleistung ihre Aktienorders über die Bank ab, von der sie das beste Research-Material bekommen.

Im vergangenen Jahr trugen Analysten auf diese Weise wesentlich zum Erfolg der Geldhäuser bei: Rund zwei Drittel des Gewinns, den europäische Investmentbanken einfuhren, stammte aus dem Aktienhandel.

Die Research-Abteilungen bewiesen ein ausgezeichnetes Gespür für die Bedürfnisse des Marktes: Weil Kaufempfehlungen in der Regel ein weitaus höheres Ordervolumen auslösen als Verkaufstipps, hatten negative Analystenurteile Seltenheitswert.

Gestört hat sich an den Einheitsbewertungen kaum jemand. Warum auch? Waren doch während des Internet-Hypes die Empfehlungen einflussreicher Analysten bares Geld wert.

Die Experten von Goldman Sachs oder Merrill Lynch beispielsweise brauchten nur ihre Kursziele anzuheben, und schon schossen die Börsenwerte von Internet- und Telekommunikationstiteln in die Höhe. Sich selbst erfüllende Prophezeiungen nennt man so etwas.

Je länger jedoch der Börsenboom dauerte, desto schwerer ließen sich die immer neuen Kaufempfehlungen durch Kennzahlen- oder Bilanzanalysen rechtfertigen. Statt aber die absurd bewerteten Online-Shops oder Internet-Auktionshäuser auf die Verkaufsliste zu setzen, änderten die Analysten einfach ihre klassischen Bewertungsmodelle. Auf einmal zählten nicht mehr Umsatz und Gewinn, sondern Seitenklicks und Kundenzahl.

Ihren Kredit beim Privatanleger verspielten die Aktienexperten (wie auch etliche Anlegerblätter), als der Crash kam. Statt rechtzeitiger Warnungen gab es meist nur Durchhalteparolen.

Noch im Oktober 2000, der deutsche Hightech-Index Nemax hatte bereits rund die Hälfte gegenüber den Höchstkursen von Anfang März 2000 eingebüßt, stuften die Analysten gut zwei Drittel aller am Neuen Markt notierten Unternehmen als Kauf ein.

Der Sinkflug der Kurse dauerte danach noch monatelang an. Wer den Ratschlägen folgte, sitzt heute auf hohen Verlusten. Manche verspielten ihr komplettes Vermögen.


Konflikt 2: Helfer der Fusionsberater


Goldman Sachs ist keine Bank, sondern ein Mythos. Kein anderes Investmenthaus beherrscht das Geschäft mit Fusionen und Übernahmen ähnlich virtuos, und kaum eine andere Bank verdient so viel Geld mit dem Firmenhandel.

Es war ein Goldman-Sachs-Banker, der Daimler-Chef Jürgen Schrempp den Weg zur Übernahme von Chrysler ebnete. Und es war das Bankhaus Goldman Sachs, das von Vodafone eine dreistellige Millionensumme für die Assistenz bei der Übernahme von Mannesmann kassiert haben soll.

Dass die Researcher von Goldman Sachs ein ähnlich hohes Ansehen genossen wie die Fusionsspezialisten, hat bei derlei Geschäften gewiss nicht geschadet. Im Gegenteil: Die positiven Studien ihrer Analysten nutzten die Investmentbanker als Türöffner bei den Unternehmen.

Negative Urteile über die Aussichten einzelner Aktien sind daher in der Regel nicht zu erwarten, wenn es gleichzeitig an anderer Stelle des Hauses um das Mandat für eine lukrative Transaktion geht.

Das gilt nicht nur für Goldman Sachs, sondern für die gesamte Branche. Wer die beliebtesten Analysten beschäftigt, der erhält auch die meisten Aufträge bei Fusionen, Übernahmen und Börsengängen (siehe Grafik Seite 154).

Vielen Fondsmanagern geht die Verflechtung von Aktienresearch und Investmentbanking bei Goldman Sachs inzwischen allerdings offenbar zu weit. Das Ansehen der Goldman-Research-Truppe ist so weit gesunken, dass es im aktuellen Ranking der Londoner Consulting-Firma Tempest nur noch für Platz sieben reicht.

Konflikt 3: Werber für den Börsengang


Für Investmentbanker waren die Start-up-Unternehmen aus der Welt des Internets und der Biotech-Labore der Jackpot des Jahrhunderts.

Allein in Deutschland verfünffachten sich ihre Provisionen aus Börsengängen (IPOs) von rund 280 Millionen Mark beim Start des Neuen Marktes 1997 auf rund 1,5 Milliarden Mark im vergangenen Jahr.

Und wieder waren es die Analysten, die dem Investmentbanking den Weg in die Unternehmen ebneten. Mit euphorischen Studien zum Börsenstart und einem Trommelfeuer von Kaufempfehlungen in der Zeit danach begleitete das Research die einträglichen Geschäfte seiner Kollegen aus der IPO-Abteilung.

Die Erwartungen der Investmentbanker gegenüber ihren Research-Abteilungen waren nur allzu klar, auch wenn das von den Geldhäusern heute vehement bestritten wird. "Die Banken verlangen von ihren Analysten positive IPO-Studien", erinnert sich der geschasste Credit-Suisse-Analyst Chandiramani, "wer das nicht verstehen will, spielt mit seinem Job."

Am dreistesten ließen sich die Analysten der großen Wall-Street-Häuser für die Interessen ihrer IPO-Spezialisten einspannen. Stars wie die Internet-Experten Henry Blodget von Merrill Lynch oder Mary Meeker von Morgan Stanley transportierten die Botschaften von Unternehmen wie dem Internet-Portal Yahoo oder dem Online-Buchhändler Amazon.com weitaus wirkungsvoller, als es die Vorstände dieser Unternehmen jemals gekonnt hätten.

Während des Crashs zeigte sich, was dieser Verlust an Unabhängigkeit für die Privatanleger bedeutet. Ihren Ruf als Gurus haben beide mittlerweile verloren ­ und zumindest Blodget könnten seine schlechten Tipps noch teuer zu stehen kommen. US-Privatanleger verklagten den gefallenen Star auf zehn Millionen Dollar Schadenersatz für erlittene Verlust.
Das abgekartete Spiel der Analysten Happy End
Happy End:

Die Funktion von Gerüchten

 
15.04.02 13:11
#4
Auch wenn Gerüchte manchmal falsch sind, sollten sie dennoch nicht unterschätzt werden. Sie seien ein klares Signal dafür, dass irgendetwas nicht stimme, sagt ein Händler.

In der vergangenen Woche waren es Gerüchte, die die Abwärtsbewegung des Marktes ausgelöst hätten - Hedge Funds die Positionen verkauften und IBM mit einer Ermittlung der SEC im Haus.

Funktionen von Gerüchten:

Wall Street Händler erzählen Gerüchte, weil es dann so aussähe, als würden sie bescheid wissen.

Andere Marktteilnahmer schnappen Gerüchte gerne auf, da sie dann mehr zu wissen scheinen.

Investoren brauchen Begründungen, warum sich der Markt gerade so bewegt.

Dabei, so der Händler, sei es wichtig, dass das Gerücht glaubwürdig ist. Ferner sei es wichtig, dass Bewegung im Markt ist, da sonst keiner sich für das Gerücht interessieren würde.

Oft bewegt sich der Markt in einer Richtung, weil gerade eine Mehrzahl der Marktteilnehmer das gleiche tut - verkaufen oder kaufen, so der Händler. Oft bewegt sich der Markt dann so stark, dass Stoppmarken unter- oder überschritten werden, was die Volatilität erhöht. Ein Gerücht ist in solchen Situationen ein wirksames Mittel für eine Begründung der Marktbewegungen, hieß es.

© BörseGo
Das abgekartete Spiel der Analysten Happy End
Happy End:

Rangliste: Analyse der Analysten

 
15.04.02 13:15
#5
Aktienempfehlungen gibt es wie Sand am Meer. Da zahlt es sich aus, über die Qualität der Macher dieser Expertisen informiert zu sein. Starmine - einer der fünf großen Analysten-Checker - hat seine aktuelle Rangliste vorgelegt.

Was für Eiskunstläufer gilt, hat zum Teil auch für Aktienanalysten Bestand. Beide werden ab und zu einer Bewertung unterzogen. Wesentlicher Unterschied: Während etwa das kanadische Eiskunstlaufpaar Jamie Sale und David Pelletier bei den Olympischen Spielen in Salt Lake City Einspruch einlegte gegen die Ihrer Meinung nach ungerechte Jury-Wertung - Ergebnis: Die Goldmedaille wurde mit den Russen geteilt - sind die Analysten gegen ihre Benotungen machtlos. Dabei hängt die Gunst der institutionellen Investoren von den Rankings - wie sie etwa von Starmine, Institutional Investor oder Extel veröffentlicht werden (siehe Tabellen) - in nicht unerheblichem Maße ab.

"Ein Einspruch ist zwecklos.Wir bewerten die Qualität der Analystenempfehlungen objektiv anhand des tatsächlichen Erfolgs", sagt David Lichtblau, Vizepräsident von Starmine. Starmine hat vor kurzem sein Analysten-Ranking für das Jahr 2001 bekannt gegeben. Unter den Gewinnern tummeln sich auch viele Experten von vergleichsweise kleinen Bankhäusern. "Deren Analysten müssen keine falschen Rücksichten nehmen auf Unternehmen, die möglicherweise Kunden des Instituts sind und die jede Verkaufsempfehlung natürlich verärgert", so Lichtblau.

Tolle Trefferquote

Der erfolgreichste Stockpicker (nicht an eine Branche gebunden) ist laut Starmine Joel Houck von A.G. Edwards. Mit dessen Aktienempfehlung lagen die Anleger seit zwei Jahren kein einziges mal daneben, wenn das Datum der Empfehlungen mit dem aktuellen Aktienkurs verglichen wird.

Die Bankhäuser veröffentlichen für fast jedes Unternehmen eine Fülle von Einschätzungen, die sich zum Teil widersprechen, sodass der Anleger nach Durchsicht vieler Analysen am Ende meist genauso schlau ist wie vorher. "Analysten-Rankings können eine wichtige Lotsenfunktion im Meer der Empfehlungen erfüllen", sagt Tim Richter vom Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg.

Link zur Liste: Rangliste: www.ftd.de/bm/ga/1014398992262.html?nv=hpm

Neben Starmine sind die wichtigsten Analysten-Beobachter die britische AQ Publications, der amerikanische Börsendienst Investars, der mit Reuters kooperierende Institutional Investor sowie der Extel-Report von Thomson Financial. Die beiden zuletzt genannten bewerten die Bankhäuser anhand von Umfragen, die sie bei Fondsmanager und Großinvestoren durchführen, wie zum Beispiel Boris Boehm von der Investmentgesellschaft Nordinvest. "Für uns es kommt es auch darauf an, wie transparent das jeweilige Research ist, wie Kooperativ sich die Analysten bei Hintergrundfragen verhalten und wie groß deren Branchenkenntnis ist."

Verschwiegene Researcher

Ein Manko bei den umfragebasierten Rankings: Gerade in Europa sind viele der Befragten nicht sehr auskunftsfreudig und die Ergebnisse daher nicht ganz so aussagekräftig. Dennoch genießen vor allem Extel und die Umfrage vom Institutional Investor bei Fonds das größte Ansehen und "sind oft ein wichtiges Entscheidungsmerkmal für die Frage, welche neuen Brokerhäuser als Researchlieferanten ausgewählt werden sollen", sagt Boehm.

Besonders reputierlich ist es, wenn jemand in zwei Rankings gleichzeitig auftaucht. Dieses Kunststück brachte etwa Susanne Seibel von UBS-Warburg zustande, die mit ihrem Team sowohl die Institutional Investor also auch die Extel-Rankings im Bereich Textil- und Haushaltswarenhersteller anführt.

Für den Privatanleger hingegen dürften die objektiven Leistungsbeurteilungen von Starmine, AQ-Publications und Investars geeigneter sein, da es diese in der Regel herzlich wenig interessiert, dass der Analyst ein umgänglicher Typ ist. Vielmehr zählt, ob sich mit seinen oder ihren Empfehlungen Geld verdienen lässt. Der Halbleiter-Guru und beim Institutional Investor Top-bewertete Jonathan Joseph von Salamon Smith Barney leistete sich im vergangenen Jahr so manche Fehlentscheidung wie etwa die Kaufempfehlung von Infineon am 21. Juni 2001. Der Kurs tauchte in den folgenden Monaten erst einmal von 30 auf 12 Euro ab, um sich bis auf gut 23 Euro wieder zu berappeln.

Exakte Prognosen

AQ Publications richtet sich ausschließlich nach der Prognosekraft der Gewinnschätzungen. Das heißt, ein Analyst, der die tatsächlichen Quartals- oder Jahresgewinne möglichst exakt prophezeit, liegt auch in dem Ranking vorn. "Aber es ist leider nicht so, dass der, wer Gewinne gut prognostiziert, automatisch auch den Kursverlauf ebenso gut voraussagen kann", sagt Michael Clauss, Aktienstratege bei der Münchner Kapitalanlage AG. Dennoch dürften jene Analysten mit guter Gewinnprognosequalität einen Kompetenzvorsprung in ihrem jeweiligen Bereich besitzen. "Und das erleichtert doch schon manchmal die Auswahl derjenigen Analysen, die bei Transaktionsentscheidungen zu Rate gezogen werden", so Clauss.

In den volatilen Bereichen Biotech und Internet waren vor allem jene Analysten erfolgreich, die sich auf Verkauf- und Halteempfehlungen spezialisiert hatten. So hat Shane Leonard, Internetexperte bei CSFB und beim Institutional Investor erstplatziert, seit Mitte 2001 fast keine Kaufempfehlung ausgegeben. Der zweitplatzierte, Anthony Noto (Goldman Sachs) gab sich etwas "Kauf"-freudiger, lag jedoch mit seiner Empfehlung für Priceline am 18. Dezember 2001 und vor allem für Earthlink am 23. Januar 2002 daneben.

Undurchsichtige Methode

Kritik an der Methode sieht sich jede Ranking-Agentur ausgesetzt. So legt Starmine "für jeden Analysten ein Modellportfolio gemäß seinen Empfehlungen an", viel mehr zur Vorgehensweise lassen die Amerikaner jedoch nicht verlauten. Auch die exakte Berechnung des AQ-Wertungsindikators sei nicht umfassend veröffentlicht, kritisiert Tim Richter. Institutional Investor und Extel befragen nur große Fonds, die tendenziell nur mit großen Brokerhäusern kooperieren - was die Chancen kleinerer Analystenteams auf Top-Platzierungen schmälert.

Dennoch sind die Rankings auch für den Privatinvestor nützlich, um zumindest die Gewissheit zu haben, nicht einem gänzlich unbeschriebenen Blatt das Vertrauen geschenkt zu haben. Eine Garantie, dass die Top-gerankten Analysten auch zukünftig zur Creme de la Creme gehören, gibt es freilich nicht. Auch Engel machen bekanntlich Fehler und haben sich schon so machen Flügel verbrannt.

ftd.de

Gruß    
Happy End
Das abgekartete Spiel der Analysten bernstein
bernstein:

merill-lynch............

 
15.04.02 13:30
#6
sind sowieso,meine speziellen freunde!!!!
gruß bernstein
Das abgekartete Spiel der Analysten tinky
tinky:

Die "Äffchen" der Investmentbanker

 
15.04.02 18:11
#7
Die "Äffchen" der Investmentbanker

Von Thomas Hillenbrand

Fast ein Dutzend Investmentbanken ist wegen zweifelhafter Aktienempfehlungen ins Visier der New Yorker Staatsanwaltschaft geraten. Schon sprechen Experten von Schadenersatzforderungen in dreistelliger Millionenhöhe.

 
DPA

Wall Street: Das Großreinemachen hat begonnen


Die Betreffzeile des E-Mails, das Merrill-Lynch-Staranalyst Henry Blodget im Dezember 2000 verschickte, war eindeutig: "Es reicht." Der gelernte Historiker, der zum Apologeten des Internet-Booms geworden war, hatte keine Lust mehr, Unternehmen nur deshalb als "strong buy" anzupreisen, weil sie wichtige Kunden seines Arbeitgebers waren.

Seinen Vorgesetzten schrieb der Analyst: "Wenn wir kein weiteres E-Mail erhalten, in dem auf sensible Bankklienten/Situationen hingewiesen wird, werden wir beginnen, Aktien so zu bewerten, wie wir sie wahrnehmen, egal was die Konsequenzen für andere Geschäftsfelder sind."

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Die Wahrheit ist schlecht fürs Geschäft

Blodget drohte seinen Vorgesetzten damit, Anlegern die Wahrheit über Aktien wie das Internetunternehmen Aether zu sagen. Das Papier, das während des Internet-Booms als besonders heißes Investment galt, wurde von Merrill Lynch (ML) an die Börse gebracht, der Verkauf zweier weiterer Aktientranchen wurde ebenfalls von ML gemanagt. Zudem betreute die Bank die Emission einer Wandelanleihe von Aether. Für diese Deals bekamen ML und weitere Konsortialbanken insgesamt 88 Millionen Dollar an Provisionen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Zwei Monate nach seinem Brandbrief stufte Blodget die Aether-Aktie von "Kaufen" auf "Neutral" zurück. Dort steht das Papier mit dem Kürzel "AETH" bis heute. In den vergangenen zwölf Monaten hat Aether 74 Prozent seines Wertes eingebüßt, seit dem Allzeithoch mehr als 98 Prozent.

Eine andere Aktie, die derzeit in den Keller rasselt, ist die von ML selbst. In der vergangenen Woche verlor das Papier auf Grund der negativen Berichterstattung über zwölf Prozent. Inzwischen verdichten sich die Anzeichen, dass Amerikas größter Broker versuchen wird, die Affäre durch großzügige Zahlungen so schnell wie möglich zu beenden.

Der Generalstaatsanwalt stellt Forderungen

Nach Informationen des "Wall Street Journal" (WSJ)steht ML zurzeit in Verhandlungen mit dem New Yorker Generalstaatsanwalt Eliot Spitzer, der durch seine Untersuchungen die Lawine ins Rollen gebracht hatte. Spitzer untersucht seit nunmehr zehn Monaten, ob die Investmentbank ihre Research-Abteilung als Marketinginstrument missbraucht und Anleger und Kunden vorsätzlich getäuscht hat.

Spitzer fordert laut dem "WSJ", ML müsse mehr als hundert Millionen Dollar an Geldstrafe und Schadenersatz zahlen. Zudem verlange der Chefankläger drei Dinge: Erstens müsse ML sein Fehlverhalten öffentlich zugeben. Zweitens solle die Investmentbank einen Mechanismus einrichten, der es Investoren erlaubt, durch ML-Empfehlungen verlorenes Geld zurückzubekommen. Drittens müsse das Unternehmen substanzielle Änderungen in seiner Analyse-Abteilung vornehmen, um Interessenkollisionen zu vermeiden. Ursprünglich hatte Spitzer angeregt, ML solle das Research als eigenständiges Unternehmen vollständig aus der Bank ausgliedern.



Der Skandal gärt schon seit Monaten

Die PR-Leute der großen Investmentbanken verbreiten bis heute die Mär von den "Chinese Walls": Angeblich sind innerhalb der Institute die verschiedenen Abteilungen durch organisatorische "Mauern" getrennt. Die IPO-Sparte wisse also beispielsweise nicht, was die Kollegen in der Research-Abteilung gerade machten.

Tatsächlich scheint es sich eher um "Japanese Walls" aus sehr dünnem Reispapier zu handeln. Bereits Mitte 2001 war etwa bekannt geworden, dass die Technologieanalysten der Investmentbank Credit Suisse First Boston (CSFB) nicht nur dem Research-Chef des Instituts berichten, sondern auch dem obersten Technologiebanker Frank Quattrone Rechenschaft schuldig sind. Quattrone betreut das Emissionsgeschäft und die Vermögensverwaltung - ein krasser Interessenkonflikt.

Auch in Deutschland sind derartige Interessenkollisionen gang und gäbe. Der Research-Chef einer namhaften Investmentbank nennt als besonders krasses Beispiel einen Fall in einer deutschen Bank: Diese habe den Börsengang eines Unternehmens begleitet und gleichzeitig eine Studie über das Unternehmen herausgegeben. Der Analyst und Verfasser der Studie habe dabei sogar direkt mit dem Wirtschaftsprüfer des Börsenaspiranten zusammengearbeitet.

Marionetten der Verkaufsabteilung

In der Hierarchie der Investmentbanker stehen Analysten ohnehin ganz unten. In ihrem Buch "Monkey Business" beschreiben die beiden Ex-Banker John Rolfe und Peter Troob das System: Analysten hätten lediglich die Funktion, provisionsträchtige Deals mit Zahlen zu unterfüttern. Bei Donaldson, Lufkin & Jenrette, wo die Autoren arbeiteten, hätten sogar "Associates" - Juniorbanker, die hauptsächlich für das Erstellen von Verkaufsprospekten und Powerpoint-Folien verantwortlich sind - mehr zu sagen gehabt als die Analysten.

Beim Erstellen von Analysen und Valuierungsmodellen, so Troob und Rolfe, würden die "Äffchen", wie die Analysten intern despektierlich genannt würden, immer von den Zahlen ausgehen, welche die Sales-Abteilung als Verkaufsargument benötigt. Die Researcher feilten dann so lange an ihrem Berechnungsmodell, bis die gewünschte Zahl herauskomme.

Auch Generalstaatsanwalt Spitzer scheint der Meinung zu sein, dass nicht nur ML seine Aktienratings als Werbemaßnahme missbraucht hat. Zurzeit untersucht seine Behörde laut Presseberichten angeblich fast ein Dutzend Wall-Street-Firmen. Darunter seien Goldman Sachs, CSFB, Morgan Stanley, Lehman Brothers, UBS Paine Webber, Salomon Smith Barney, Lazard Frères und Bear Stearns.

Das abgekartete Spiel der Analysten Happy End
Happy End:

Allein gegen die Mafia

 
16.04.02 11:32
#8
Die Jagd auf die Analysten hat schon vor einem Jahr begonnen, doch mit dem Eintritt des New Yorker Generalstaatsanwalts Eliot Spitzer haben die Wall-Street-Banken echten Grund zur Sorge. Denn zu den bisherigen Opfern des Chefanklägers zählen GE-Chef Jack Welch, Pistolen-Hersteller und Mafia-Familien.

Das abgekartete Spiel der Analysten 637550
Demokrat Eliot Spitzer: Furcht vor niemandem und ungewöhnliche Hartnäckigkeit
 
New York - Eine bezeichnende Anekdote über Eliot Spitzer stammt vom Anfang der achtziger Jahre. Aus einer Laune heraus entschieden damals der Harvard-Student und zwei Kommilitonen, am bevorstehenden New Yorker Marathon teilzunehmen. Die Gelegenheits-Jogger hatten nur knapp zwei Monate zum Trainieren. Die beiden Kommilitonen gaben den Versuch daher schnell auf. Doch Spitzer trat an - und hielt durch.
Inzwischen ist Spitzer 42 und seit gut drei Jahren New Yorker Generalstaatsanwalt. Seine Mentalität hat sich nicht geändert: Wen er einmal ins Visier genommen hat, lässt er nicht mehr los, bis er ein akzeptables Resultat erreicht hat. Das hat die berüchtigte New Yorker Gambino-Familie ebenso zu spüren bekommen wie die Musterfirma General Electric (GE), die Spitzer 1999 wegen der Verschmutzung des Hudson River anklagte.

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Ex-Analystenstar Blodget: Peinliche E-Mails kurzerhand veröffentlicht
 
"Spitzer fürchtet sich vor niemandem", sagte ein langjähriger Freund zur Zeitung "USA Today". Aber im Gegenzug fürchten alle den demokratischen Chef-Ankläger. Denn der in Princeton und Harvard ausgebildete Staatsanwalt hat in seiner kurzen Amtszeit bereits etliche Branchen erfolgreich attackiert. So zwang er New Yorker Supermarktketten per Gericht dazu, mehrere hunderttausend Dollar an ausstehenden Löhnen an ihre illegalen mexikanischen Laufburschen zu zahlen.

Der Internet-Porno-Industrie entrang er 30 Millionen Dollar an Schadenersatz für Kreditkartenbetrug. Und die Pistolenhersteller Smith & Wesson und Colt's Manufacturing mussten auf sein Betreiben hin zusätzliche Sicherungen in ihre Waffen einbauen.

Nun hat sich der Sohn aus privilegiertem Hause (sein Vater ist ein schwerreicher Immobilien-Mogul) eine weitere mächtige Industrie vorgenommen: die Wall Street. Nach zehn Monaten Untersuchung veröffentlichte er vergangene Woche die bisher stärksten Beweise dafür, dass große Investmentbanken während des Internetbooms die Anleger schamlos betrogen haben. Merrill Lynch bettelt bereits um Gnade, die Konkurrenz ist alarmiert.

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Weltgrößtes Brokerhaus Merrill Lynch: Opfer des Nasdaq-Crashs rufen nach Gerechtigkeit
 
Kritiker werfen Spitzer Opportunismus vor, weil er es versteht, sich an die Spitze populärer Bewegungen zu setzen und dann den Ruhm einzuheimsen. Die Analystenjagd etwa hat bereits vor einem Jahr mit einer Untersuchung der Börsenaufsicht SEC gegen Credit Suisse First Boston begonnen. Auch zahlreiche Privatklagen laufen gegen die Investmentbanken. Merrill Lynch hat im vergangenen Herbst sogar bereits 400.000 Dollar gezahlt.

Von der Hand zu weisen ist der Opportunismus-Vorwurf nicht: Denn anders als in Deutschland ist der Generalstaatsanwalt in Amerika kein Justizbeamter, sondern ein Politiker, der alle vier Jahre gewählt wird. Spitzer muss sich im November zur Wahl stellen. Und Millionen von Amerikanern, die beim Nasdaq-Crash ihre Ersparnisse verloren haben, fordern einen Sündenbock.

Vom politischen Standpunkt her ist die Analystenjagd jedoch zumindest zwiespältig: So populär sie bei den Wählern ist - Spitzers Wahlkampfspenden-Konto dürfte von der Attacke auf die New Yorker Geldsäcke nicht gerade profitieren. Auf das Geld angewiesen ist Spitzer allerdings nicht: Seine bisherigen Wahlkämpfe hat er auch zu großen Teilen aus dem Familienvermögen bezahlt.

Spitzer gilt als Demokrat mit höheren Ambitionen. Er wird als Anwärter für den Gouverneursposten gehandelt. Bisher strebt er allerdings offiziell nur eine zweite Amtsperiode als Generalstaatsanwalt an. Die Wiederwahl scheint sicher.

Spitzers Fans sehen seine wahren Beweggründe jedoch in seiner Berufsbeschreibung. Die ist eindeutig: "Der Generalstaatsanwalt beschützt und verteidigt die Bürger von New York", heißt es auf der offiziellen Website. Anders als in Deutschland ist der Generalstaatsanwalt nicht nur der oberste Ankläger des Staates, sondern - mindestens ebenso wichtig - der "Public Advocate", also der Anwalt des kleinen Mannes. Diese Rolle füllt Spitzer laut Freunden leidenschaftlich aus.

Der "AG", kurz für "Attorney General", darf sich in so ziemlich alles einmischen, was ihm wichtig erscheint: Kinderpornografie, Immobiliendeals, Mega-Fusionen, Lebensmittelvergiftung und - Aktienbetrug. Das "Martin Law" erlaubt es ihm, "im Namen der Anleger tätig zu werden". Wenn die "AG"-Maschinerie erst mal in Gang kommt, müssen sich die Gegner warm anziehen: Spitzer gebietet über ein Heer aus 500 Staatsanwälten und 1800 weiteren Angestellten.

Der gebürtige New Yorker liebt es, Gesetze aggressiv auszulegen. Wenn er jemandem an den Kragen will, sucht er nach neuen Wegen, die schnelleren Erfolg versprechen. So hat er General Electric im Fall des Hudson Rivers nicht - wie es nahe liegt - für die Umweltverschmutzung angeklagt, sondern für die Millioneneinbußen der lokalen Wirtschaft.

Im Fall der Wall-Street-Banken hat er allerdings die klassische Route gewählt. Der Vorwurf ist der alte: Die "chinesischen Mauern", die angeblich Analysten und Investmentbanker innerhalb einer Bank trennen, sind durchlässig bis nicht-existent.

Nachdem Merrill Lynch sich vor wenigen Monaten nicht auf einen Deal mit ihm hatte einlassen wollen, veröffentlichte Spitzer vergangene Woche kurzerhand die aussagekräftigen E-Mails des Internet-Analysten Henry Blodget. Für die Investmentbank ein PR-Desaster - ihr Aktienkurs sackte über zehn Prozent.

Jetzt wollen die Banker plötzlich verhandeln - warum, ist klar: Die Parallelen zum Andersen-Fall liegen auf der Hand. Die Anklage des US-Justizministeriums wurde zum Todesurteil für die Wirtschaftsprüfer. So weit will Merrill Lynch es gar nicht erst kommen lassen. Eine außergerichtliche Einigung mit dem Analysten-Jäger dürfte allerdings teuer werden: Beobachter erwarten, dass Spitzer unter 100 Millionen Dollar und einem Schuldeingeständnis nicht mit sich reden lässt. Auch andere Banken sind noch nicht aus der Bredouille.

Wie in der Vergangenheit betreibt Spitzer "Big Stick"-Diplomatie: Er winkt so lange mit seinem großen Knüppel, bis das Resultat stimmt. Auf der anderen Seite muss er zusehen, dass er den Bogen nicht überspannt und er am Ende wie das Justizministerium als übereifriger Bilderstürmer kritisiert wird. Das konservative "Wall Street Journal" kommentierte seinen aufklärerischen Idealismus bereits voller Abscheu: "Wenn er die wilderen und unterhaltsameren Exzesse des Kapitalismus unterbinden will, kann er ihn auch gleich ganz verbieten."

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KPMG duckt sich vor Moorhühnern

 
17.04.02 10:56
#9
Die Phenomedia-Geschäftszahlen sind offenbar manipuliert, die Vorstände bereits gefeuert. Nach Comroad ist damit ein weiteres am Neuen Markt gelistetes Unternehmen ins Schleudern geraten, das von KPMG geprüft wird. Die Wirtschaftsprüfer weisen alle Schuld von sich.

Berlin/Bochum - KPMG habe bislang keinen Bestätigungsvermerk für den Jahresabschluss 2001 erteilt. Grund sei unter anderem, dass Phenomedia  trotz mehrmaliger intensiver Aufforderung noch offene Nachweise für angeblich ausstehende Forderungen bis heute nicht vorgelegt habe, teilten die Wirtschaftsprüfer mit. An der Erstellung oder Überprüfung der Phenomedia-Quartalsabschlüsse zum 30. Juni 2001 und 30. September 2001 seien sie in keiner Weise beteiligt gewesen. Die Geschäftsberichte aus den Jahren 1999 und 2000 hat KPMG allerdings ohne Einschränkungen testiert.
Die Geschäftszahlen von Phenomedia seien bei der Vorstellung am 27. März nicht vollständig gewesen, sagte Phenomedia-Sprecher Ulf Hausmanns auf Anfrage. Ob das ausgewiesene Ergebnis vor Steuern in Höhe von 1,6 Millionen Euro tatsächlich höher oder tiefer liegen könne, sei noch ungeklärt, sagte Hausmanns.

Zuvor hatten die Spiele-Experten eine brisante Ad-hoc-Mitteilung herausgegeben. Es gebe "Anhaltspunkte" dafür, hieß es darin, dass der Quartalsbericht zum 30. September 2001 unrichtig sei. Auch der Entwurf des Jahresabschlusses 2001 sei vermutlich manipuliert worden.

Phenomedia feuerte in einer Blitzaktion den Vorstandsvorsitzenden und Mitbegründer Markus Scheer und den Finanzvorstand Björn Denhard. Der verbleibende Vorstand und die Aufseher wollten nun unverzüglich eine Sonderprüfung in Auftrag geben, um die Bilanzpraktiken vollständig und lückenlos aufzuklären. Auch weiter zurückliegende Rechnungsperioden würden vorsorglich überprüft. Nach der Bekanntgabe einer möglichen Bilanzkosmetik stürzte die Aktie bis zum Dienstagnachmittag um mehr als 65 Prozent auf ein neues Rekordtief von 85 Cent.

Vorstandschef Scheer war aufgefallen, nachdem er sich im Dezember 2001 innerhalb von zwei Wochen von eigenen Aktien im Wert von mehr als 2,3 Millionen Euro getrennt hatte. Begründet wurden die Aktienverkäufe mit einer "Wertpapieranleihe im Rahmen der geplanten Kapitalerhöhung" und einer Übertragung aus "steuerlichen Gründen in die Markus Scheer Vermögensverwaltungs GmbH, in der Herr Scheer alleiniger Gesellschafter ist."

Das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (BAWe) wird möglicherweise eine förmliche Untersuchung wegen Insiderhandels einleiten "Wir werden eine Analyse starten und das Unternehmen genauer unter die Lupe nehmen", sagte ein Sprecherin am Dienstag. Auf den ersten Blick sei der Kursverlauf der vergangenen Tage "sehr auffällig".

Bereits am Vortag war in Analystenkreisen der Vorwurf laut geworden, das Unternehmen habe offenbar in der vergangenen Woche 20 Mitarbeiter aus allen Bereichen entlassen, ohne dies zu publizieren. Das sind knapp zehn Prozent der Belegschaft. Die vorliegende Bilanz enthalte weder eine Kapitalflussrechnung noch einen Anhang, der die kurz- und langfristigen Schuldenpositionen kommentiere, was den Wahrheitsgehalt in Frage stelle. Dazu komme ein Gerücht, dass ein Altaktionär seine Bestände verkaufe. Die Aktie der Spiele-Spezialisten hatte in den vergangenen acht Wochen ohne ersichtlichen Grund rund 93 Prozent an Wert verloren.

Noch am 27. März hatte Phenomedia - in dem nun angezweifelten Bericht - eine Umsatzsteigerung von 58 Prozent auf 25,8 Millionen Euro für das zurückliegende Geschäftsjahr gemeldet. Das Ergebnis vor Steuern sei mit 1,6 Millionen Euro (Vorjahr: 6,2 Millionen Euro) hinter den Erwartungen zurückgeblieben.

Den gefallenen Gewinn hatte der Vorstand der Aktiengesellschaft unter anderem mit Zahlungsausfällen nach Insolvenzen zweier Kunden begründet. "Einige Millionen Euro" habe Phenomedia dadurch "verschenkt", dass einige Produkte nicht bis zur Marktreife weiter entwickelt worden seien. Mit dem neuen Spiel "Sven das Schaf" befinde sich das Unternehmen aber wieder auf Erfolgskurs.

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"Hure des Managements"

 
17.04.02 11:08
#10
Intern wurde die "Chinese Wall" als "eine große Lüge" bezeichnet. Auch unter Analysten ist die Research-Arbeit auf Kritik gestoßen. Nun scheinen sich die Parteien vor Gericht näher zu kommen.

Hamburg/New York – Nach der Veröffentlichung brisanter E-Mails aus dem Hause Merrill Lynch steht den renommierten Investmenthäusern an der Wall Street eine Flut von Klagewellen bevor. Die vor Gericht bekannt gegebenen Dokumente "haben bestätigt, was viele von uns seit vielen Jahren geahnt haben", sagte Mark Maddox, ein US-Anwalt der Anleger in ihren Klagen gegen Investmenthäuser vertritt. Die Beweismittel aus dem Büro des Staatsanwalts seien eines "Anwalts Traum". Nun könnten mehr Klagen eingereicht werden, zudem sähen laufende Verfahren besser aus.

Neben Merrill Lynch haben unterdessen auch Morgan Stanley Dean Witter und Goldman Sachs bereits Gerichtsvorladungen erhalten. Der New Yorker Staatsanwalt Eliot Spitzer untersucht mögliche Verstrickungen zwischen den Analyseabteilungen und Investmentsparten großer Banken. Sein Vorwurf: Analysten hätten mit geschönten Studien Anleger zum Kauf minderwertiger Aktien verleitet. Zahllose interne E-Mails mit abfälligen Kommentaren zu Unternehmen, die von der Bank trotz einer schlechten Beurteilung öffentlich empfohlen wurden, dienen als Beweismaterial.

Außergerichtliche Einigung scheint möglich

Nun scheint sich zumindest im Fall Merrill Lynch eine außergerichtliche Einigung anzubahnen. Juanita Scarlett, eine Sprecherin von Spitzer, sagte am Montagabend in New York, dass "sich eine Basis für produktive Gespräche andeutet".

Eine Einigung mit Merrill Lynch könne als Modell für ähnliche Fälle anderer großer Wall-Street-Firmen dienen. Scarlett wollte Gerüchte, dass eine außergerichtliche Einigung Merrill Lynch bis zu 100 Millionen Dollar kosten könne, jedoch weder bestätigen noch dementieren. "Es ist noch zu früh, als dass wir sagen könnten, wo wir enden."

In Kreisen um Spitzer heißt es, dass der Staatsanwalt Merrill Lynch auf ein Schuldeingeständnis drängen wolle. Zudem soll die Investmentbank ihre Research-Methoden ändern und Investoren die Möglichkeit geben, ihr am Aktienmarkt verlorenes Geld wiederzubekommen.

Außer Bankgebühren nur heiße Luft

Vor Gericht hatte Spitzer unter anderem zwei "beunruhigende Beispiele" rekonstruiert, die nach Ansicht der Ermittler die Verstrickungen zwischen der Analyseabteilung und dem Investmentbanking belegen. Dabei handelt es sich um Research-Studien zu den Internetunternehmen Goto  und Infospace .

Schon zum Börsengang 1999 hatte sich Merrill Lynch um einen Emissionsauftrag für Goto bemüht, damals allerdings erfolglos. Ein Jahr später wurde der Börsengang des europäischen Goto-Ablegers geplant. Wieder wurde Merrill Lynch bei Goto vorstellig und pries nicht nur die Investment-Sparte an, sondern auch die Internet-Analyseabteilung unter Henry Blodget. Prompt folgte im September 2000 der Auftrag.

Im Zusammenhang mit diesem Auftrag hatte Thomas Mazzucco von Merrill-Lynch-Investmentbanking dem Goto-Finanzchef Todd Tappin versprochen, Blodget werde mit der Analysearbeit für die Goto-Aktie beginnen. Als die erste Studie im Januar 2001 erschien, fragte ein institutioneller Investor bei Blodget nach: "Was ist so interessant an Goto außer den Bankgebühren?" Blodgets kurze Antwort: "Nichts."

"Eine große Lüge"

Die Vorarbeiten für die erste Studie wurden von Kirsten Campbell, Analystin im Team von Blodget, erstellt. Dabei wurde die "Objektivität und Unabhängigkeit der Internet-Gruppe fortwährend geschwächt", so Spitzer in seiner Klageschrift.

Campbell hatte ihre ersten Entwurf und das Rating bereits im September an Goto übermittelt und um eine Reaktion gebeten. Dieser Entwurf wurde von Goto nicht angenommen, einige Passagen wurden sogar komplett überschrieben.

Im Dezember übermittelte Campbell per E-Mail einen weiteren Entwurf und fragte nach, ob "wir den Umsatz zu sehr zurückschrauben", was wiederum die prognostizierte Ertragswende auf das erste Quartal 2003 verschoben hätte. Russell Benaroya, Goto-Leiter für Corporate Development, war nicht zufrieden und schrieb an Tappin: "Das ist lächerlich und total frustrierend."

Nach einem weiteren Telefonat mit Campbell setzte sich Goto durch: In der Endfassung und ersten offiziellen Analyse wurden die ersten Gewinne bereits für das Jahr 2002 prognostiziert - und nicht für das erste Quartal 2003.

Die Diskussionen um die zweifelhafte Studie stießen aber auch intern auf Kritik. Campbell beklagte sich gegenüber Blodget, dass sie nicht "eine Hure für das verdammte Management" sein wolle. "Wir verlieren das Geld von den Leuten, und ich mag das nicht. John und Mary Smith verlieren ihre Rente, weil wir nicht wollen, dass Todd (CFO von Goto, Anm. d. Red.) wütend ist auf uns", hieß es in einer E-Mail an Blodget. "Die Vorstellung, dass wir unabhängig vom Banking sind, ist eine große Lüge." Mitte April 2001 verließ Campbell Merrill Lynch und wurde von Ed McCabe ersetzt.

Nach dem erfolgreichen Geschäft wird herabgestuft

Auch Infospace wurde intern bei Merrill Lynch als wichtig für das Bankgeschäft angesehen. In der Erstbewertung im Dezember 1999 wurde die Aktie mit dem Rating 2-1 (kurzfristig akkumulieren, langfristig kaufen) und einem Kursziel von 160 Dollar angepriesen. Der damalige Kurs lag bei 152,50 Dollar.

Am 2. März 2000 erreichte die Aktie mit 261 Dollar ihren Höchststand und fiel danach beständig ab. Dennoch stuften die Internet-Analysten unter Leitung von Henry Blodget am 21. März 2000 die Aktie auf 1-1 (kurzfristig kaufen, langfristig kaufen) hoch und gaben ein Kursziel von 200 Dollar an, obwohl zu dem Zeitpunkt bereits Sorgen um die Bilanzierungspraktiken des Unternehmens kursierten.

An dieser höchstmöglichen Kaufempfehlung wurde trotzdem festgehalten - bis zum 10. Dezember 2000. An dem Tag sank der Kurs aber auf 13,69 Dollar.

Spitzer argumentiert, dass das hohe Rating aus strategischen Gründen beibehalten wurde. Merrill Lynch habe zu dem Zeitpunkt um Investmentbank-Geschäfte des IT-Unternehmens Go2Net gebuhlt. So priesen Blodget und Mazzucco in einem Conference Call mit Go2Net mit einem Verweis auf Infospace die Investmentbanking- und Analyse-Möglichkeiten an.

Unterdessen hatten Merill-Lynch-Aktienhändler die Infospace-Kaufempfehlung in Frage gestellt. In zahlreichen E-Mails von April bis Juli 2000 an Blodget und die Analystin Sofia Ghachem hieß es: "Sollten wir besorgt sein? ... Infospace hat einen Verlust von 38 Cent pro Aktie bekanntgegeben, verglichen mit einem Verlust von drei Cent im vergangenen Jahr..." und "die Aktie performt weiterhin schlecht und ... wenige Investmentfondsmanager kaufen die Aktie ... vielleicht sollten wir unsere Haltung überdenken. Ich sorge mich wirklich um unsere Kunden."

CEO ist ein "Dreckskerl"

Aber auch in der Analyse-Abteilung herrschte Unsicherheit. Blodget räumte in einer E-Mail an Ghachem am 15. Juni "enorme Skepsis" ein. Dennoch bekräftigten die Analysten das Papier in einer "company update"-Studie - intern als "booster shot" bezeichnet - am 11. Juli erneut mit dem Ranking 1-1. Ein erkennbarer Grund wurde nicht angegeben.

Erst am 12. Dezember 2000, einige Wochen nachdem Merrill Lynch ein Verkaufsgeschäft zwischen Go2Net und Infospace eingefädelt und abgeschlossen hatte, wurde die Aktie auf Akkumulieren herabgestuft. Nur neun Tage später veröffentlichte die Bank zudem eine Kurzstudie, in der angedeutet wurde, dass der Vizepräsident von Infospace ein Gerichtsverfahren gegen den CEO des Unternehmens angestrengt habe. Mehrere Verstöße gegen das Börsengesetzt wurden ihm vorgeworfen.

Diese Vorwürfe waren den Analysten aber scheinbar nicht neu. Von Juli 2000 bis April 2001 wurde in etlichen E-Mails über die Zukunft des Unternehmens und die Moral des CEOs spekuliert.

Selbst als die Aktie noch ein 1-1-Rating hatte, verglichen die Wertpapierexperten das Papier bereits als "ein Stück Ramsch". Nachdem die Aktie auf Akkumulieren herabgestuft wurde, bezeichneten Analysten den CEO noch als "Dreckskerl"; außerdem ist in den Mails nachzulesen, dass Henry Blodget sich "nicht wohl fühle", dass der CEO mit dem Unternehmen in Verbindung steht.

mm.de

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Anklage gegen Börsenredakteur

 
17.04.02 14:11
#11
Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen Sascha Opel und einen zweiten Verdächtigen erhoben. Die Beschuldigten sollen Insidergeschäfte getätigt haben.

Stuttgart - Anderthalb Jahre nach seiner Verhaftung ist gegen den Börsenredakteur Sascha Opel nun Anklage wegen des Verdachts auf Insiderhandel erhoben worden. Der ehemalige Vize-Chef des Börsenmagazins "Der Aktionär" soll gemeinsam mit einem 29-jährigen Finanzdienstleister unter Ausnutzung interner Informationen mehrfach illegale Aktiengeschäfte getätigt haben. Nach Auskunft der Stuttgarter Staatsanwaltschaft wurde dabei ein Gewinn von rund 58.800 Euro erzielt.

Der 29-jährige Bankkaufmann Opel war von 1999 bis Ende 2000 stellvertretender Chefredakteur der Zeitschrift "Der Aktionär" und Chefredakteur des Börsenbriefes "Neuer Markt Inside". Beide Blätter waren Gründungen des Kulmbacher Verlegers und Fondsberaters Bernd Förtsch, der nicht nur Vorstand der Börsenmedien AG ist, sondern auch Betreiber zahlreicher Börsen-Hotlines.

Auch als Fonds-Berater tätig

Als Berater mehrerer Fonds war auch Sascha Opel tätig. Er beriet von 1999 bis Oktober 2000 den H&A Lux DAC Neuer Markt Fonds (WKN 933806) und den DAC Kontrast Universal-Fonds (WKN 849069), der nach Opels Auskunft in dieser Zeit mit einem Gewinn von 350 Prozent zu den besten Aktienfonds Europas zählte.

Nach Ansicht der Stuttgarter Staatsanwaltschaft verfügte Opel durch seine verschiedenen Tätigkeiten über vertrauliche Informationen, die er sich im eigenen Interesse zunutze machte. Im Jahr 2000 soll er mit dem mitbeschuldigten Handelsvertreter vereinbart haben, diese Insiderinformationen zu nutzen.

Dabei soll der Börsenjournalist gleich zweifach gegen Insiderregeln verstoßen zu haben. Zum einen soll er Aktien privat gekauft, anschließend über Börsen-Hotlines empfohlen und dann mit Gewinn wieder verkauft haben. Zum anderen wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor, er habe "interne Kenntnisse über Unternehmen" für Aktiengeschäfte genutzt, und zwar durch Käufe für sein eigenes Portfolio und für ein Depot, das von ihm beraten wurde.

Für das Depot soll der ebenfalls angeklagte Finanzberater Geld gesammelt haben, indem er Kapitalanlegern hohe Renditen in Aussicht stellte. Diese sollen Gelder auf ein Konto bei einem Discount-Broker eingezahlt haben, über das die Angeklagten verfügungsberechtigt waren. Von den erzielten Gewinnen erhielten die Angeklagten sowie die Anleger eine anteilige Geldsumme.

Nach der Anzeige eines Anlegers wurde Opel gemeinsam mit seinem Kollegen am 26. Oktober 2000 festgenommen und wenige Tage später gegen Kaution wieder auf freien Fuß gesetzt. Im Zuge der Ermittlungen durchsuchen die Ermittler unter anderem die Geschäftsräume von "Der Aktionär". Dabei beschlagnahmten sie nicht nur diverse Unterlagen, sondern auch eine Summe von 558.447 Mark.

Erste Anklage seit Prior-Fall

Sascha Opel ist der zweite Journalist in der deutschen Nachkriegsgeschichte, gegen den wegen des Verdachts auf Insiderhandels Anklage erhoben wird. Der bisher einzige war im Jahr 1998 Egbert Prior. Dieses Verfahren allerdings wurde nach langen Ermittlungen eingestellt.

Ein Termin für die Hauptverhandlung gegen Opel und seinen Kollegen steht noch nicht fest. Der Strafrahmen für die Verstöße liegt zwischen einer Geldstrafe und Gefängnis bis zu fünf Jahren.

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Bilanz-Skandale treffen Wirtschaftsprüfer hart

 
18.04.02 12:02
#12
Der Bilanzskandal bei ComROAD hat die Wirtschaftsprüfer in Deutschland ins Mark getroffen. Die Empörung über die Rolle der Prüfer bei der Pleite des US-Energie-Riesen Enron war noch nicht abgeklungen, da kam die nächste Hiobsbotschaft aus München. Nun bangt die Wirtschaftsprüfungs-Branche auch in Deutschland um ihren guten Ruf. "Alle Wunden durch FlowTex, Holzmann und Co, die gerade ein wenig geheilt waren, sind wieder aufgerissen worden", sagt Matthias Struwe von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Rödl & Partner, die ein Sondergutachten für ComROAD anfertigt. Der Ruf nach Reformen wird nun auch aus den eigenen Reihen laut.

Nur Belege prüfen reicht nicht
Mit Hilfe von Scheinrechnungen und einem erfundenen Großkunden in Asien hat ComROAD vermutlich jahrelang nicht nur seine Aktionäre getäuscht, sondern auch die Prüfgesellschaft KPMG. Obwohl KPMG - für Deutschland noch sehr ungewöhnlich - ComROAD Anfang Februar das Mandat kündigte, geriet sie in die Kritik. Denn Medienberichte über einen womöglich erfundenen Geschäftspartner in Asien hatten schon Monate zuvor für Schlagzeilen gesorgt.

Nicht bluffen lassen
"Wenn wir jeden Mandanten, über den die Presse kritisch berichtet, unter die Lupe nehmen würden, wären viele betroffen", verteidigt sich der Deutschlandchef der KPMG, Harald Wiedmann. Von 1998 bis 2000 setzte die KPMG Jahr für Jahr ihr Gütesiegel unter die jeweiligen Geschäftsberichte, ohne dass ihnen ein möglicher Bluff des Münchner Telematik-Anbieters auffiel. Beim Software-Unternehmen Phenomedia waren die Prüfer vorsichtiger. Wegen unklarer Posten in der Bilanz erteilten sie den Moorhuhn-Erfindern erst gar kein Prüftestat für die Bilanz 2001.

Zweiter Skandal für KPMG

Wirtschaftsprüfer beriefen sich zu häufig auf ihre Schweigepflicht gegenüber ihren Mandanten, statt an ihre Redepflicht gegenüber Anlegern und Gläubigern, bemängelt der Saarbrücker Professor Karl- Heinz Küting. Außerdem genüge es nicht immer, nur die Stimmigkeit der Belege zu prüfen. Bestätigt sich der Verdacht, dass auch die testierten ComROAD-Berichte zu einem Großteil falsch waren, wäre KPMG nach dem Fall FlowTex erneut in einen großen Bilanzskandal verstrickt. Das baden-württembergische Unternehmen hatte Scheingeschäfte mit nicht vorhandenen Bohrsystemen getätigt. Die KPMG hatte die Bilanzen offenbar nicht ausreichend geprüft. Vor knapp einem Jahr zahlte KPMG die Rekordsumme von 100 Millionen DM Schadenersatz an die Gläubiger.

stern.de
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Analysten im Zwielicht

 
22.04.02 06:01
#13
Angesichts der Vielzahl von Skandalen, die in letzter Zeit durch Marktanalytiker verursacht wurden, sollte sich die Industrie fragen, warum sie diese eigentlich noch unterhält. In veröffentlichten Emails der Merrill-Lynch-Beraterfirma wurden von der Firma empfohlene Aktien als "bis auf dei Investment-Gebüheren uninteressant" bezeichnet. Merill ist kein Einzelfall. Jack Grubmann, Telekom-Analytiker bei Salomon, wendete seine pessimistische Einschätzung von AT&T flugs ins Positive, als seine Firma um einen lukrativen Auftrag von AT&T warb. Und die Analytiker, die Enron unterstützten, mussten sich jüngst demütigende Vorhaltungen im US-Kongress anhören.

Dadurch, dass Investmentberatung und Wertpapierhandel in den Banken unter einem Dach stecken, verstößt die Wall Street gegen ein wichtiges Prinzip. Niemand kauft, was die Analytiker produzieren. Ihr Nutzen liegt im geschickten Hausieren mit den Werten der Großkunden - ohne Rücksicht auf die Investierenden. Das wirkt sich in zwei Richtungen aus. Obwohl die Kunden der Investmentbanken im Internetboom in vielen Fällen zu Gunsten weniger Spekulanten übervorteilt wurden, ist es ein Fehlschluss, von einer einseitigen Manipulation zu reden. Die Wall Street könnte genausogut von Manipulation reden wie der kleine Investor. Auf der Wall Street wurde viel Geld gemacht, als Pepsi sich von ihren diversen Fast-Food-Ketten trennte; aus demselben Grund trennte sich AT&T vom Schalterproduzenten Lucent. Grund: "Keine Konkurrenz mit den eigenen Kunden" war das Motto.

Die Wall Street sollte dasselbe tun. Das Nächstliegende wäre, das Investmentbanking auszugliedern. Das wollen die grossen Firmen aber nur ungern. Bleibt die Ausgliederung der Analytiker. Das aber gilt als naiv, da sie allein nicht überleben könnten. Üblicherweise sind Konzerne beim Outsourcing weniger zimperlich. Sieht man die Arbeit der Analytiker als Werbung an, wäre die Industrie ein potenzieller Käufer. In der Pharma-Branche wird die Marktforschung teilweise schon von Werbeagenturen übernommen. Der Verdacht, Marktforschung zu betreiben, weil man unabhängigen Untersuchungen nicht standhalten könnte, wird von selbst zu einer wachsenden Distanz gegenüber dem Investmentbanking führen.  

tagesspiegel.de

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Merrill-Chef sagt "Sorry"

 
27.04.02 18:55
#14
Mit nicht ernst gemeinten Kaufempfehlungen haben Analysten von Merrill Lynch viele Kleinanleger zu verlustreichen Investments verführt. Das ist über Jahre her. Nun hat sich der Merrill-Chef öffentlich bei seinen Kunden entschuldigt.

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Merrill-Chef Komansky: Späte Reue nach dem Image-Desaster
 
New York - Anfang April hatte der New Yorker Generalstaatsanwalt die peinlichen Mails aus der Merrill-Research-Abteilung veröffentlicht. Die Analysten um Henry Blodget beschimpften darin Internet-Aktien als "Schrott" - stuften die Papiere aber gleichzeitig als "Buy" ein. Für Merrill-Lynch, Amerikas größtes Broker-Haus, ein PR-Gau sondergleichen.
Rund zwei Jahre nach dem Kurssturz an der Tech-Börse Nasdaq hat sich Merrill-Chef David Komansky nun öffentlich bei den Kunden, Aktionären und Mitarbeitern für die firmeninternen E-Mails entschuldigt. Das Unternehmen habe sich nicht an seine traditionell hohen Standards gehalten, erklärte Komansky. Er nannte die E- Mails "qualvoll und enttäuschend".

Komansky sicherte den Aktionären zu, dass Merrill Lynch sich dem Problem stellen werde. Man werde klare und bedeutsame Aktionen durchführen, um das Vertrauen der Investoren zurückzugewinnen.

Merrill Lynch befinde sich in Verhandlungen mit dem Justizminister des Bundesstaates New York. Vergangene Woche habe man eine Vereinbarung erzielt, weitergehende Offenlegungen in den Forschungsberichten zu machen. Diese gehen nach Angaben der größten amerikanischen Brokerfirma weit über den gegenwärtigen Branchenstandard hinaus.

Die amerikanische Wertpapier- und Börsenkommission SEC, der Verband der Wertpapierhändler und die New Yorker Börse seien damit befasst, neue Research-Regeln festzulegen, die für die Gesamtbranche gelten sollen. Merrill Lynch kooperiere dabei.

spiegel.de
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Pitbull auf Analysten-Jagd

 
27.04.02 19:00
#15
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Dank der Ermittlungen des Generalstaatsanwalts Spitzer ist in den USA ein neuer Sport in Mode: Hetz-den-Analysten. Jetzt prüft auch die Wertpapieraufsicht die absurden Kaufempfehlungen aus den Zeiten des Internetbooms. Dass ihr Chef keine Beißhemmung kennt, hat er kürzlich bewiesen.

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SEC-Chef Harvey Pitt: In der vorher diskreten Behörde eine härtere Gangart und entschiedeneren Stil eingeführt
 
Washington/New York - Mit seinen runden Brillengläsern und seiner rundlichen Figur sieht Harvey Pitt viel zu gutmütig aus für einen Sheriff. Wie ein Professor wirkt er - oder ein gemütlicher Rechtsanwalt. Und genau das war Pitt auch, bevor er im August von New York nach Washington umzog und Chef der staatlichen Wertpapieraufsicht SEC wurde. In den Geldhäusern der Wall Street war damals das Aufatmen hörbar. Pitt galt als zahm, als einer aus dem Club. Schließlich arbeitete er vorher bei einer börsennahen Kanzlei. Auf seiner Klientenliste stand auch Merrill Lynch, das größte US-Wertpapierhaus. Einmal vertrat der Staranwalt Merrill in einem Prozess gegen jene Behörde, die er nun leitet.
Wie sich Loyalitäten ändern: In dieser Woche hat Pitts SEC eine "formelle Untersuchung" der Analystenzunft ins Rollen gebracht. Auch die Börsenkommission geht nun dem Verdacht nach, dass die Analysten fast wertlose Aktien zum Kauf empfahlen - und dabei hofften, dass die gepriesenen Firmen sich mit Aufträgen fürs Investment Banking revanchieren. Nach Pitts Ankündigung am Donnerstag gab der Aktienkurs von Merrill Lynch, seit Anfang April auf Talfahrt, noch einmal um 2,5 Prozent nach, die Aktien anderer Wertpapierhäuser verloren teilweise stärker. Vorschusslorbeeren für Pitt und sein Ermittlerteam.

Das Energiebündel döste

Seit Monaten versucht der 57-jährige New Yorker, sein Image als Darling der Wall Street abzuschütteln - zunehmend mit Erfolg. Anfang April verdonnerte Pitt den Kopierer-Konzern Xerox zu einer Rekordstrafe von zehn Millionen Dollar, weil er in seinen Bilanzen getrickst haben soll. Selten hat die SEC so viele Aktien vom Handel ausgesetzt, so viele Zeugen zwangsvorgeladen wie in der kurzen Ära Pitt. Nach dem Enron-Kollaps preschte Pitt mit Ideen für ein neues Kontrollgremium vor, das den Wirtschaftsprüfern genauer auf die Griffel schaut. Aus dem Schoßhündchen der Konzernchefs werde ein "Pitt Bull", kalauerte die "Business Week".

Seine jüngste Untersuchung hat Pitt mit reichlich PR-Tamtam angekündigt. Nach einer Rede in New York gab er bereitwillig Interviews, seine Behörde schickte eine eilige Pressemitteilung herum. Auch das ein Stilwechsel für die SEC, die früher für Diskretion bekannt war. Vermutlich wollte Pitt so verlorenen Boden gutmachen. Denn der sonst so energiegeladene Mann, der angeblich nur fünf Stunden pro Nacht schläft, sah in der "Analystenaffäre" bisher nicht aus wie ein Protagonist. Eher wie ein Getriebener, der die Arbeit von anderen machen lässt.

Kritiker an allen Fronten

Zum Beispiel von Eliot Spitzer, dem New Yorker Generalstaatsanwalt. Spitzer war es, der Anfang des Monats hochnotpeinliche E-Mails aus dem Internet-Research von Merrill Lynch veröffentlichte. Der gefallene Star-Analyst Henry Blodget und seine Untergebenen, so war da zu lesen, beschimpften Internetaktien intern als "Dreck" - und empfahlen sie dennoch als Route zum Reichtum. Während der Staatsanwalt einen PR-Coup sondergleichen landete, sah die eigentlich zuständige SEC blass und untätig aus.

In Sachen Analysten-Ermittlungen, so scheint es, macht der Ex-Staranwalt eben alles falsch - egal was er tut. Jetzt, wo er versucht, die Initiative an sich zu reißen, werfen ihm Kritiker Opportunismus vor. Pitt habe es offensichtlich nicht ertragen, dass ihm Spitzer die Schau stiehlt. Andere vermissen präzise Aussagen zur Stoßrichtung der Ermittlungen. Die offizielle SEC-Mitteilung nennt keine Namen verdächtiger Banken, spricht nur allgemein von "Interessenkonflikten zwischen Research und Investment-Banking". Ein drittes Kritikerlager meint, Pitt solle sich besser ganz aus dem Verfahren heraushalten - wegen seiner früheren Kontakte zu Merrill & Co. sei er Partei.

Was die Nörgler übersehen: Es ist unwahrscheinlich, dass sich Pitt und Spitzer mit konkurrierenden Ermittlungen das Wasser abgraben. Diese Woche haben sich beide getroffen und abgesprochen. Da Pitt vom Kongress ernannt wurde - und nicht wie Spitzer von den Bürgern gewählt - kann er unabhängiger operieren. Spitzer wird zwangsläufig Populismus vorgeworfen. Und die SEC brütet sowieso schon seit Monaten gemeinsam mit der Börse NYSE und dem Wertpapierhändler-Verband NASD über einem neuen Kodex für Analysten, der die Selbstkontrolle der Banken auf ein neues Fundement stellen soll. Spitzer mag publicitywirksam gegen Einzel-Analysten vorgehen, deren Ruf ohnehin besudelt ist. Derjenige, der durch strengere Spielregeln künftige Exzesse à la Blodget verhindern kann, ist Harvey Pitt.

spiegel.de
Das abgekartete Spiel der Analysten R.A.P.
R.A.P.:

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27.04.02 19:08
#16


US-WERTPAPIERAUFSICHT

Pitbull auf Analysten-Jagd

Von Matthias Streitz

Dank der Ermittlungen des Generalstaatsanwalts Spitzer ist in den USA ein neuer Sport in Mode: Hetz-den-Analysten. Jetzt prüft auch die Wertpapieraufsicht die absurden Kaufempfehlungen aus den Zeiten des Internetbooms. Dass ihr Chef keine Beißhemmung kennt, hat er kürzlich bewiesen.

 
AP

SEC-Chef Harvey Pitt: In der vorher diskreten Behörde eine härtere Gangart und entschiedeneren Stil eingeführt


Washington/New York - Mit seinen runden Brillengläsern und seiner rundlichen Figur sieht Harvey Pitt viel zu gutmütig aus für einen Sheriff. Wie ein Professor wirkt er - oder ein gemütlicher Rechtsanwalt. Und genau das war Pitt auch, bevor er im August von New York nach Washington umzog und Chef der staatlichen Wertpapieraufsicht SEC wurde. In den Geldhäusern der Wall Street war damals das Aufatmen hörbar. Pitt galt als zahm, als einer aus dem Club. Schließlich arbeitete er vorher bei einer börsennahen Kanzlei. Auf seiner Klientenliste stand auch Merrill Lynch, das größte US-Wertpapierhaus. Einmal vertrat der Staranwalt Merrill in einem Prozess gegen jene Behörde, die er nun leitet.

Wie sich Loyalitäten ändern: In dieser Woche hat Pitts SEC eine "formelle Untersuchung" der Analystenzunft ins Rollen gebracht. Auch die Börsenkommission geht nun dem Verdacht nach, dass die Analysten fast wertlose Aktien zum Kauf empfahlen - und dabei hofften, dass die gepriesenen Firmen sich mit Aufträgen fürs Investment Banking revanchieren. Nach Pitts Ankündigung am Donnerstag gab der Aktienkurs von Merrill Lynch, seit Anfang April auf Talfahrt, noch einmal um 2,5 Prozent nach, die Aktien anderer Wertpapierhäuser verloren teilweise stärker. Vorschusslorbeeren für Pitt und sein Ermittlerteam.

Das Energiebündel döste

Seit Monaten versucht der 57-jährige New Yorker, sein Image als Darling der Wall Street abzuschütteln - zunehmend mit Erfolg. Anfang April verdonnerte Pitt den Kopierer-Konzern Xerox zu einer Rekordstrafe von zehn Millionen Dollar, weil er in seinen Bilanzen getrickst haben soll. Selten hat die SEC so viele Aktien vom Handel ausgesetzt, so viele Zeugen zwangsvorgeladen wie in der kurzen Ära Pitt. Nach dem Enron-Kollaps preschte Pitt mit Ideen für ein neues Kontrollgremium vor, das den Wirtschaftsprüfern genauer auf die Griffel schaut. Aus dem Schoßhündchen der Konzernchefs werde ein "Pitt Bull", kalauerte die "Business Week".

 
AP

Generalstaatsanwalt Spitzer: Wer ist hier der größere Opportunist


Seine jüngste Untersuchung hat Pitt mit reichlich PR-Tamtam angekündigt. Nach einer Rede in New York gab er bereitwillig Interviews, seine Behörde schickte eine eilige Pressemitteilung herum. Auch das ein Stilwechsel für die SEC, die früher für Diskretion bekannt war. Vermutlich wollte Pitt so verlorenen Boden gutmachen. Denn der sonst so energiegeladene Mann, der angeblich nur fünf Stunden pro Nacht schläft, sah in der "Analystenaffäre" bisher nicht aus wie ein Protagonist. Eher wie ein Getriebener, der die Arbeit von anderen machen lässt.

Kritiker an allen Fronten

Zum Beispiel von Eliot Spitzer, dem New Yorker Generalstaatsanwalt. Spitzer war es, der Anfang des Monats hochnotpeinliche E-Mails aus dem Internet-Research von Merrill Lynch veröffentlichte. Der gefallene Star-Analyst Henry Blodget und seine Untergebenen, so war da zu lesen, beschimpften Internetaktien intern als "Dreck" - und empfahlen sie dennoch als Route zum Reichtum. Während der Staatsanwalt einen PR-Coup sondergleichen landete, sah die eigentlich zuständige SEC blass und untätig aus.

 
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Broker-Bulle von Merrill Lynch: Pitts Wechsel vom Verteidiger der Bank zum Ermittler bringt ihm auch Kritik ein


In Sachen Analysten-Ermittlungen, so scheint es, macht der Ex-Staranwalt eben alles falsch - egal was er tut. Jetzt, wo er versucht, die Initiative an sich zu reißen, werfen ihm Kritiker Opportunismus vor. Pitt habe es offensichtlich nicht ertragen, dass ihm Spitzer die Schau stiehlt. Andere vermissen präzise Aussagen zur Stoßrichtung der Ermittlungen. Die offizielle SEC-Mitteilung nennt keine Namen verdächtiger Banken, spricht nur allgemein von "Interessenkonflikten zwischen Research und Investment-Banking". Ein drittes Kritikerlager meint, Pitt solle sich besser ganz aus dem Verfahren heraushalten - wegen seiner früheren Kontakte zu Merrill & Co. sei er Partei.

Was die Nörgler übersehen: Es ist unwahrscheinlich, dass sich Pitt und Spitzer mit konkurrierenden Ermittlungen das Wasser abgraben. Diese Woche haben sich beide getroffen und abgesprochen. Da Pitt vom Kongress ernannt wurde - und nicht wie Spitzer von den Bürgern gewählt - kann er unabhängiger operieren. Spitzer wird zwangsläufig Populismus vorgeworfen. Und die SEC brütet sowieso schon seit Monaten gemeinsam mit der Börse NYSE und dem Wertpapierhändler-Verband NASD über einem neuen Kodex für Analysten, der die Selbstkontrolle der Banken auf ein neues Fundement stellen soll. Spitzer mag publicitywirksam gegen Einzel-Analysten vorgehen, deren Ruf ohnehin besudelt ist. Derjenige, der durch strengere Spielregeln künftige Exzesse à la Blodget verhindern kann, ist Harvey Pitt.



Das abgekartete Spiel der Analysten Happy End
Happy End:

Hohe Prämien für applaudierende Analysten

 
07.05.02 11:36
#17
Wall-Street-Analysten hatten ein finanzielles Interesse daran, die Arbeit ihrer Kollegen im Investmentbanking mit schöngefärbten Analysen zu unterstützen. Das belegen Arbeitsverträge, die jetzt erstmals veröffentlicht worden sind.

New York - Seit längerem werfen Kritiker den großen Investmentbanken vor, sie hätten ihre Analysten dazu missbraucht, mit Jubelgutachten Kunden für das gewinnträchtige Investmentbanking zu ködern. Alles Unsinn, sagen die Banken: Analysten seien durch "Chinese Walls" von ihren Kollegen im Bankgeschäft getrennt.
Spätestens nach dem Skandal um interne Mails von Merrill Lynch glaubt das zwar kaum noch jemand. Beweise für die Anschuldigung, das Research sei lediglich der verlängerte Arm des Marketings waren bisher aber Mangelware. Bis jetzt. Nun hat das "Wall Street Journal" Auszüge aus Arbeitsverträgen veröffentlicht, die beweisen, dass die Bezahlung von Analysten direkt an deren Beiträge zum Investmentbanking gekoppelt war.

Wer das Investmentbanking ankurbelt, bekommt mehr Geld

Einer der Verträge stammt von der Investmentbank Credit Suisse First Boston (CSFB). In dem Papier heißt es, der Analyst erhalte eine "garantierte Kompensation" für die Jahre 2000, 2001 und 2002. Hinzu komme ein "Leistungsbonus", der in bar ausgezahlt werde. Das Schreiben erwähnt aber noch eine weitere Einnahmequelle:

"Sie können außerdem an bestimmten Anreizprogrammen für jene Transaktionen mit Wertpapieren (inklusive Wandelanleihen) und Hochzinsanleihen teilnehmen, die von Mitgliedern des Equity Research [d.h. den Analysten] eingeworben worden sind."

Weiter führt der Vertrag aus, dass diese Bonuszahlungen nach dem "Grad des ... Beitrags" berechnet würden, den der Analyst geleistet hat, um seiner Firma einen Deal zu sichern. Konkret stünden dem Analysten ein bis drei Prozent des "Nettogewinns der Firma bei der Transaktion zu ... bis zu einem Maximum von 250.000 Dollar", so das CSFB-Schriftstück. Berechnungen des "Journal" zufolge bedeutet dies, dass ein Analyst für jeden mit seiner Hilfe vermittelten Deal 30.000 bis 150.000 Dollar extra kassieren konnte.

Ähnliche Vereinbarungen finden sich in einem Jobangebot der Investmentbank Donaldson, Lufkin & Jenrette (DLJ), die inzwischen von CSFB geschluckt worden ist. Dort heißt es:


"Sie werden in den ersten beiden durch diese Vereinbarung abgedeckten Kalenderjahren eine Kompensation für mit der Banksparte zusammenhängenden Geschäfte erhalten. (...) Wir wissen, dass Sie einen substanziellen Beitrag zu DLJ's Geschäft leisten können."
Alles nur Einzefälle?

Nachdem sich die Sache nicht mehr grundsätzlich leugnen lässt, spricht die Branche nun von Einzelfällen. Eine Sprecherin von CSFB sagte dem Journal, lediglich in "einer Hand voll Fällen" habe es eine Verbindung zwischen Analystengehältern und Erfolgen im Investmentbanking gegeben. "CSFB fühlt sich der Integrität unserer Research stark verpflichtet und arbeitet aggressiv an der Entwicklung von Standards für die Unabhängigkeit von Analysten", so die Sprecherin.

Das es sich bei den "banking related compensations" für Analysten eher um einen Industriestandard denn um Einzelfälle handeln dürfte, legt ein internes Memo von Prudential Securities aus dem Oktober 1997 nahe. In dem Schreiben, das an alle hochrangigen Aktienanalysten versandt wurde, heißt es, Prudential habe "feste Prozentbeträge formuliert, um die Boni zu bestimmen, die Analysten von den Umsätzen aus Investmentbanking-Transaktionen gezahlt werden". Prudential zahlte offenbar noch sattere Prämien als CSFB. Für einen Aktiendeal, in dem die Bank "als Konsortialführer für einen erstmaligen Klienten" fungiere, könne ein beteiligter Analyst 8,5 Prozent des Umsatzes der Transaktion erhalten, wenn "der Analyst bei der Gewinnung des Mandats entscheidend behilflich war".

spiegel.de
Das abgekartete Spiel der Analysten Happy End
Happy End:

"Etwas ist schrecklich verrottet"

 
13.05.02 09:38
#18
Enron, Andersen, Merrill Lynch: Immer neue Skandale erschüttern das Vertrauen der Amerikaner in ihre Wirtschaft. Sind die Affären nur drastische Beispiele für die ganz normale Gier und den Machtmissbrauch in den Chefetagen?

Das abgekartete Spiel der Analysten 661267
Enron-Aufsichtsräte am 7. Mai 2002 vor dem Untersuchungsausschuss des US-Senats
 
Manchmal hilft aller Spürsinn nicht weiter, ist die ganze elende Ermittlungsarbeit einer Staatsanwaltschaft für die Katz, egal wie viele Aktenseiten sie auch füllt. Manchmal bleibt nur noch das Warten auf einen Zufallsfund. Auf einen Tonbandmitschnitt oder ein Schriftstück, das die Beweiskette schließt und endlich den ersehnten Durchbruch bringt. Zu Eliot Spitzer kam das Ermittlerglück in Form eines Bündels E-Mails.
Monatelang hatte der New Yorker Generalstaatsanwalt auf eigene Faust den Analysten der großen Investmentbanken an der Wall Street nachgestellt, jenen angeblich unabhängigen Finanzexperten, die in den tollen Tagen des großen Aktienkarnevals noch die letzte Dot.com-Klitsche zum Börsenstar hochjubelten. Höchst anrüchig fand Spitzer das, ein Verstoß gegen die stets beschworene Sorgfaltspflicht.

Doch alles, was der Staatsanwalt bei seinen Ermittlungen zu Tage förderte, waren ein paar windelweiche Entschuldigungen und jede Menge Luft. Spitzer hatte sich festgefahren - bis zu jenem Januar-Tag, als er beim Aktenstudium auf eine Reihe E-Mails stieß, die seine Leute neben unzähligen Dokumenten bei Merrill Lynch beschlagnahmt hatten und die unter anderen von Henry Blodget stammten, einem der einflussreichsten Wall-Street-Analysten. Blodget klagte darin über das "Stück Müll", das er gerade zu bewerten habe, an anderer Stelle war von "diesem Stück Mist" die Rede.

Seit der Staatsanwalt seine Beweisstücke der Öffentlichkeit präsentierte, weiß die Welt nun nicht nur, dass sich die Aktiengurus der Wall Street untereinander einer Sprache bedienen, die sich nicht allzu sehr von der von Müllkutschern unterscheidet. Auf ziemlich solidem Fundament ruht jetzt auch sein Verdacht, dass die mächtigen Investmentbanken mutwillig die Interessen der Anleger verrieten, wenn es dem eigenen Profit diente.

Denn was Blodget und seine Kollegen drastisch, aber dafür wahrheitsgemäß als "shit" oder "crap" bezeichneten, empfahlen sie oft kurze Zeit später in ihren Berichten als goldene Kaufgelegenheit. "Buy" oder "Strong buy" lauteten dann ihre Ratschläge. Für die Analysten und ihren Arbeitgeber war diese Art von Falschspiel eine lohnende Geschichte: Mehrere Milliarden Dollar hat allein Merrill Lynch an Gebühren von jenen Firmen kassiert, die sie nicht nur bewerteten, sondern eben auch beim Einsammeln von Kapital berieten. Anpreiser Blodget, der inzwischen seinen Job gekündigt hat, soll zuletzt zwölf Millionen Dollar an Vergütung erhalten haben.

Das abgekartete Spiel der Analysten 661267

Amerikas jüngster Finanzskandal ist selbst in der langen und an Korruptionsfällen nicht gerade armen Geschichte der Wall Street ohne Parallele. Noch nie zuvor hat das gezielte Verbreiten von Fehlinformationen so viele Anleger so viel Geld gekostet. Zudem steht mit Merrill Lynch nicht irgendeine Bank im Zentrum der Ermittlungen, sondern das größte und einflussreichste Investmenthaus der Welt. Und wie es aussieht, ist erst der Startschuss für weitere peinliche Enthüllungen gefallen.

Mittlerweile hat Spitzer seine Ermittlungen auf Salomon Smith Barney, Morgan Stanley Dean Witter und drei andere Finanzinstitute ausgeweitet. Die Börsenaufsichtsbehörde SEC ist eingeschaltet und das Justiz-Department. Der US-Kongress erwägt die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, um sich selbst ein Bild vom Ausmaß der Verfehlungen zu machen.

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Innerhalb weniger Monate wird den Amerikanern nun schon zum zweiten Mal die Nachtseite des Kapitalismus ausgeleuchtet. Gerade erst haben sie den Kollaps des Enron-Konzerns mit all seinen hässlichen Details erlebt. Noch immer sind die Justizbehörden damit beschäftigt, die Trümmer wegzuräumen, die der Bankrott des einst siebtgrößten Unternehmens der USA hinterlassen hat. Über Jahre hatte der Energieriese Gewinne gemeldet, die gar keine waren. Vergangenen Montag begann in Houston das Verfahren gegen den Wirtschaftsprüfungskonzern Arthur Andersen, der mit Gefälligkeitsgutachten die Schwindelwirtschaft gedeckt hatte.

Keine Frage, dass alles am Enron-Desaster überdimensioniert war: die Gier des Managements, das noch kurz vor dem Konkurs 1,1, Milliarden Dollar auf eigene Konten brachte, die Verantwortungslosigkeit von Aufsichtsräten und Buchprüfern, die selbst die abenteuerlichsten Finanztransaktionen abnickten. Doch nun fragen sich viele, ob das, was eben noch als größter Wirtschaftsskandal der amerikanischen Nachkriegsgeschichte galt, wirklich eine Anomalie war, ein besonders abschreckendes, aber eben doch außergewöhnliches Beispiel für Habsucht und Machtmissbrauch in den Chefetagen - oder nicht eher ein düsterer Paradefall.

Amerika steckt mitten in einer peinlichen Selbstbefragung, und dabei geht es längst nicht mehr nur um das Fehlverhalten einzelner Wirtschaftsführer oder Firmen. Das Vertrauen in das System selbst ist erschüttert und, was vielleicht noch schwerer wiegt, in seine Institutionen.

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Denn das ist die eigentlich erschreckende Parallele zwischen dem Enron-Debakel und dem Wall-Street-Skandal: Wieder einmal haben die zuständigen Aufsichtsorgane nichts bemerkt, allen voran die SEC, jene hoch gelobte Börsenbehörde, die doch geradezu als Musterbeispiel effektiver Kapitalmarktkontrolle galt. Wieder einmal haben alle Vorschriften und Regularien, die einen fairen und vor allem rechtmäßigen Wertpapierhandel sicherstellen sollen, einfach versagt.

"Etwas ist schrecklich verrottet im amerikanischen Wirtschaftssystem", befindet das Wirtschaftsmagazin "Fortune". Von der "größten Krise des Kapitalismus" seit hundert Jahren spricht "Business Week", vergleichbar nur noch mit der Ära der großen Monopole um 1900, auch dies ein Zeitalter der Hybris und Arroganz, das schließlich mit der Zerschlagung der Kartelle durch Präsident Theodore Roosevelt endete.

Es kommt viel zusammen in diesen Tagen: Da ist die ständig steigende Zahl von Unternehmen, die jetzt, da alle Welt genauer auf die Ertragszahlen sieht, eingestehen müssen, dass sie ihre Bilanzen mit allerlei Kunstbuchungen trickreich aufgebläht haben. Allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres haben sich 64 Firmen Verfahren wegen des Verdachts auf Bilanzmanipulation eingefangen. Vor kurzem erst hat Xerox dafür eine Rekordstrafe in Höhe von zehn Millionen Dollar akzeptiert. Selbst die Geschäftszahlen von Vorzeigeunternehmen wie General Electric oder IBM, die in der Vergangenheit gerade wegen ihrer wunderbar ausgeglichenen Quartalsergebnisse geschätzt wurden, gelten nun als fragwürdig.

Da ist die wachsende Empörung über Unternehmensführer, die zwar rigoros bei den Zuschüssen zur Krankenversicherung ihrer Angestellten sparen und zu Tausenden Beschäftigte auf die Straße setzen, sich selbst aber mit ordentlichen Gehaltsaufschlägen verwöhnen. Kenneth Chenault beispielsweise, Chef des Finanzkonzerns American Express, konnte im vergangenen Jahr seine Bezüge auf insgesamt 31,5 Millionen Dollar nahezu verdoppeln - obwohl die Gewinne der Firma um 53 Prozent und der Börsenkurs um 35 Prozent einbrachen.

Kaum etwas illustriert vielleicht besser den Stimmungsumschwung beim Publikum als der Ansehensverlust der Vorstandshelden, die im vergangenen Jahrzehnt so etwas wie Kultstatus erlangten: Bernie Ebbers von WorldCom, eben noch als Star der Telekommunikationsindustrie gefeiert - vorletzte Woche zum Rücktritt gezwungen; der ehemalige General-Electric-Boss Jack Welch, über Jahre die Ikone des US- Wirtschaftswunders - eine Spaßfigur für die Late Night Shows, an der vor allem die außerehelichen Eskapaden interessieren.

Das abgekartete Spiel der Analysten 661267

Sicher, ein wenig gleicht die allgemeine Katerstimmung dem Katzenjammer nach einer allzu ausschweifenden Party. Keine Frage auch, dass viele Investoren den Heilsversprechen der Aktienpropheten nur zu gern folgten. Doch andere dazu zu ermuntern, die Einsätze zu erhöhen, ist das eine - sie planmäßig auszunehmen, etwas ganz anderes.

Tatsächlich, so scheint es, sind in den Jahren des Börsenbooms nicht nur die Recheneinheiten verrutscht, sondern auch die moralischen und vor allem professionellen Standards. Es ist eine seltsame Kumpanei, die nun ans Licht kommt, je länger die Ermittlungen dauern. Eine Kultur der gegenseitigen Vorteilsnahme und -gewährung, bei der Insider nach eigenen Regeln zu spielen begannen und die Grenzen zwischen Akteuren und Kontrolleuren zunehmend verwischten.

Heraus tröpfeln jetzt Geschichten von Wirtschaftsprüfern, die so eng mit den Finanzvorständen zusammenarbeiten, dass sie irgendwann einfach die Seiten tauschen - mit der absurden Folge, dass dann Kollegen mit Ex-Kollegen über die Zulässigkeit von Bilanztransaktionen beraten. Analysten wie Jack Grubman, neben Blodget einer der ganz Großen der Branche, fanden nichts dabei, Vorstände wie Ebbers als Freunde zu bezeichnen, obwohl ihr Job doch Distanz erfordert. So gesehen passt es dann auch ins Bild, dass der SEC mit Harvey Pitt heute ein Mann vorsteht, der zuvor die Firmen, die er nun überwachen muss, als Lobbyist in Washington vertreten hat.

Viel ist nun vom "Reinemachen" die Rede, von "Fairness" und der "Integrität der Finanzmärkte", die es wieder herzustellen gelte. Geradezu beschwörend klingen die Appelle an Politik und Aufsichtsbehörden, endlich für schärfere Gesetze und bessere Kontrolle zu sorgen. Die Stärke der amerikanischen Volkswirtschaft beruht ja zum gut Teil auf ihrer hoch entwickelten Börsenkultur. Jeder zweite US-Bürger besitzt Aktien, Millionen legen jeden Monat einen Teil ihres Lohns in Wertpapieren an, sorgen so für ständigen Zufluss frischen Kapitals und verschaffen damit der US-Wirtschaft einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil.

Bislang hat der Mehrheit der amerikanischen Kleinanleger auf den Schwindel erregenden Wertverlust ihrer Depots relativ besonnen reagiert, selbst nach den Terroranschlägen vom 11. September blieben Panikverkäufe die Ausnahme. Doch jeder neue Skandal könnte den Umschlag bringen - mit verheerenden Folgen für Wachstum, Nachfrage, Beschäftigung und damit die gesamte Weltkonjunktur.

Ohne durchgreifende Reformen, da sind sich die Experten einig, wird es kaum gelingen, die Anleger zu überzeugen, dass der amerikanische Kapitalmarkt und nicht das Eigenheim der richtige Ort ist, um sein Geld anzulegen. Vieles, was bis vor kurzem noch den Stolz der US-Wirtschaft ausmachte, wird dabei auf den Prüfstand müssen. Das beginnt schon bei der Art und Weise, in denen Firmen Rechenschaft über ihren Geschäftsverlauf ablegen.

Gerade die amerikanischen Bilanzvorschriften galten bislang als vorbildlich, das Testat nach US-Standard war auch für Konzerne hier zu Lande eine Art Beweis, dass sie nun in der Weltliga mitspielten. Doch was, so fragen sich jetzt viele, ist von einem Regelwerk zu halten, das einem Konzern erlaubt, eine Gesellschaft aus den Büchern verschwinden zu lassen, von der er gerade mal 3 Prozent der Anteile veräußert hat, aber immer noch 97 Prozent daran hält? Ein Verfahren, das die Enron-Spitze zur Perfektion trieb, um den ständig wachsenden Schuldenberg unsichtbar zu machen.

Als eher zweifelhaftes Finanzinstrument haben sich auch die Optionspläne erwiesen, auf die heute kaum eine Firma bei der Entlohnung ihres Spitzenpersonals verzichten mag. Viele Vorstände haben sich inzwischen den Zugriff auf Aktienpakete in einer Größenordnung gesichert, die jedenfalls mit dem Shareholder-Value-Gedanken nichts mehr zu tun hat. Ein Schlupfloch in den Bilanzrichtlinien erlaubt zudem, dass diese Gehaltsbestandteile, deren Wert sich leicht auf Hunderte Millionen Dollar summiert, nicht als Kosten ausgewiesen werden müssen und so eine realistische Bewertung der Ertragslage weiter erschweren. "Pervers" nennt Notenbankchef Alan Greenspan diesen Effekt.

Einen Vorgeschmack auf den Widerstand, den Corporate America jeder ernsthaften Reform entgegenzusetzen gewillt ist, haben die vergangenen Wochen gegeben. Erfolgreich haben sich die großen Wirtschaftsprüfungskonzerne bislang allen Bestrebungen widersetzt, sie zur Abspaltung ihres lukrativen Beratungsgeschäfts zu bewegen, um Interessenkonflikte mit der Bilanzprüfung künftig auszuschließen. Und auch die Wall-Street-Banken sehen bisher kaum Grund, ihr Geschäftsgebaren zu überdenken. Den Vorschlag, die Expertise der Analysten nur noch intern zu verwenden, lehnen sie rundweg ab.

Immerhin, ein Zugeständnis haben die Investmenthäuser vergangene Woche gemacht: Statt fünf soll es für die Analysten künftig nur noch drei Bewertungskategorien geben. Gut denkbar, dass damit zumindest die Zahl der Verkaufsempfehlungen steigt. Derzeit tragen etwa zwei Prozent der Aktieneinschätzungen die Bewertung "sell".

spiegel.de
Das abgekartete Spiel der Analysten ecki
ecki:

Neue Regeln für US-Analysten

 
13.05.02 09:46
#19
Weil es hierher passt:

Neue Regeln für US-Analysten

Die amerikanische Wertpapier- und Börsenaufsicht SEC (Securities and Exchange Commission) hat neue Regeln für Analysten beschlossen, um mögliche Interessenkonflikte in deren Arbeit zu mindern.

Wertpapieranalysten dürfen demnach nicht mehr an Investmentbanker aus ihrer eigenen Firma berichten.Weiterhin dürfen sie nicht mit Mitteln aus "bestimmten" Banktransaktionen bezahlt werden. Vergütungen aus "allgemeinen Investmenteinkünften" seien jedoch erlaubt.

Auch sollen die Analysten nicht mehr von ihren eigenen Aktienempfehlungen profitieren. Den neuen Vorschriften zufolge müssen sie in ihren Berichten und bei öffentlichen Auftritten mitteilen, welche und wie viele Aktien der von ihnen untersuchten Unternehmen sie besitzen. Analysten dürfen zudem künftig nicht mehr Wertpapiere entgegen ihren eigenen Empfehlungen handeln. (ecki: Warum denn nur? Hahaha)

Investmentbanken erhalten die Auflage, ihre Investmenteinnahmen des vergangenen Jahres von Unternehmen oder erwartete Einnahmen von Firmen offen zu legen, über die ihre Analysten berichten.

Isaac Hunt, ein Senior Mitglied der Kommission erklärte, die Regeln stellten einen "drastische Änderung" dar. "Die Regeln gehen nicht soweit wie manche ... hoffen würden. Aber es ist ein erster solider Schritt", wird Hunt von der "Financial Times" zitiert. Die Kommission wies gleichzeitig darauf hin, dass weitere Veränderungen notwendig sein könnten. Robert R.Glauber, Chef der amerikanischen Wertpapierhändler begrüßte die Vorschriften als "großer Schritt nach vorne" beim Investorenschutz. Kritikern gehen die Regeln nicht weit genug.

Quelle: www.n-tv.de  
Das abgekartete Spiel der Analysten Happy End
Happy End:

100 Millionen Dollar Strafgeld

 
22.05.02 06:42
#20
Im Streit um irreführende Analysen haben sich das Investmenthaus Merrill Lynch und die New Yorker Staatsanwaltschaft geeinigt. Ein Schuldeingeständnis gaben die renommierten Wall-Street-Banker nicht ab.

New York – Weil sie Anleger über die Börsenaussichten von Unternehmen getäuscht haben soll, muss Merrill Lynch eine Strafe in dreistelliger Millionenhöhe zahlen. Die Bank teilte am Dienstag in New York mit, sie habe sich mit dem Justizminister des US-Bundesstaates New York, Eliot Spitzer, gütlich über die Zahlung von hundert Millionen Dollar (knapp 110 Millionen Euro) geeinigt.

Analysten der Bank hatten Aktien zum Kauf empfohlen, obwohl die Papiere in internen Vermerken sehr schlecht beurteilt wurden. Mit den Empfehlungen über Wert wollte sich die Bank in den Augen des New Yorker Justizministers lukrative Verträge mit Unternehmen sichern.

Die Börse reagierte auf die Einigung erleichtert. Im frühen Handel legte die Merrill-Lynch-Aktie  an der Wall Street knapp vier Prozent zu. Auch die Titel anderer Investmentbanken, die ebenfalls in der Kritik stehen, zogen an.

Merrill Lynch betonte jedoch, die Zahlung bedeute kein Schuldeingeständnis. Von der Summe sollen den Angaben zufolge 48 Millionen Dollar an den Staat New York gehen, der Rest an die übrigen US-Bundesstaaten. Die Bank einigte sich mit dem Justizminister ferner auf eine Reihe von Maßnahmen, mit denen die Trennung von Investment- und Forschungsabteilungen und damit die Unabhängigkeit der Analysten gesichert werden soll. Die Investmentabteilung berät Unternehmen bei Börsengängen, Fusionen oder dem Erwerb anderer Firmen. Die Forschungsabteilung ist für die objektive Analyse des Marktes zuständig.

Theoretisch sollten diese Abteilungen bei den Investmentbanken ohnehin durch eine im Fachjargon so bezeichnete "Chinesische Mauer" strikt getrennt sein. Spitzer kam in seinen Ermittlungen jedoch zu dem Schluss, dass die Analysten bei Merrill Lynch geschönte Aktienprognosen geliefert hätten, um der Investmentabteilung Kunden zu sichern. Mit der Bank einigte er sich der Mitteilung zufolge nun unter anderem darauf, dass Merrill Lynch ein Komitee einrichtet, das die Aktienbewertungen der Analysten überprüft.

Als Schlüsselelement für seine Ermittlungen waren Spitzer interne E-Mails von Analysten in die Hände gefallen. Darin äußerten sie sich in drastischer Sprache abfällig über Aktien, die sie gleichwohl den Anlegern zum Kauf empfahlen. Merrill Lynch hatte ursprünglich argumentiert, die Zitate seien "aus dem Kontext gerissen", musste sich nun aber als Teil der Einigung mit Spitzer bei seinen Kunden entschuldigen. Die E-Mails seien eine "ernste Angelegenheit" und verstießen teilweise gegen die internen Regeln der Firma. Das Unternehmen bedauere, dass dadurch Sichtweisen verbreitet worden seien, "die mit den von Merrill Lynch veröffentlichten Empfehlungen vielleicht unvereinbar erschienen".

Durch die Ermittlungen gegen Merrill Lynch ist die gesamte Zunft der Analysten an der Wall Street ins Zwielicht geraten. Seither haben die Forderungen von Börsenexperten und Politikern nach einer grundlegenden Reform der Investmentbanken zugenommen, mit der die Trennung von Investment- und Forschungsabteilungen garantiert werden soll.

mm.de
Das abgekartete Spiel der Analysten Happy End
Happy End:

Vor Eliot zittert jetzt die Wall Street

 
26.05.02 09:12
#21
Merrill Lynch war sein erstes Opfer

New York - Noch vor zwei Monaten hatte an der Wall Street niemand bei dem Namen Eliot Spitzer aufgehorcht. Inzwischen überkommt die hoch dotierten Topmanager der großen Investment-Häuser jedoch ein kalter Schauer, wenn sie an ihn denken.

Denn der so unscheinbar wirkende New Yorker Generalstaatsanwalt hat ihnen mit einem Paukenschlag den Kampf angesagt und die Tür zu Zivilklagen weit aufgesstoßen. Das könnte Instituten wie Goldman Sachs, Morgan Stanley, Citigroup oder Credit Suisse Milliarden von Dollar kosten.

Merrill Lynch war der erste Wall-Street-Gigant, der sich dem "Eliot Ness" der Banken beugen musste. Das größte Investment-Haus der Welt einigte sich in der vergangenen Woche außergerichtlich mit dem Chef-Ankläger auf eine Strafe von 100 Millionen Dollar. Hintergrund: E-Mails hatten bewiesen, dass Analysten des Unternehmens Kunden den Kauf von Wertpapieren empfohlen hatten, die sie intern als "POS" (piece of shit), "junk" oder "dogs" handelten.

Zwar verzichtete der Staatsanwalt im Gegenzug darauf, Merrill Lynch vor ein Strafgericht zu zerren, und bewahrte es damit nach eigenen Worten vor den "Todes-Glocken", doch Investoren, die durch die geplatzte Internetblase Milliarden von Dollar verloren haben, können nun in zivilen Sammelklagen Entschädigungen einfordern. Experten fürchten, dass diese allein Merrill Lynch Milliarden von Dollar kosten könnten.

"Der Generalstaatsanwalt hat Anlegern einen Riesengefallen getan", sagte Finanz-Jurist Jacob Zamansky, "100 Millionen Dollar ist kein Park-Ticket, sondern eine Bestätigung, dass etwas stinkt."

Die Investment-Banker erkennen, dass sie Eliot Spitzer unterschätzt hatten. Merrill-Lynch-Präsident O'Neal hatte sich zu Beginn der Untersuchungen aufgebäumt und eine PR-Schlacht gegen den Juristen begonnen. Schließlich hatte nicht einmal die Börsenaufsichtsbehörde SEC ernsthafte Schritte gegen sein Powerhaus eingeleitet.

Doch am 8. April zeigte Spitzer dem Finanz-Riesen, aus welchem Holz er geschnitzt ist. Er veröffentlichte hausinterne E-Mails, die teilweise von dem Analysten Henry Blodget (12 Millionen Dollar Jahresgehalt) stammten.

Blodget galt als Internet-Guru. Anleger folgten seinen Empfehlungen blind. Die E-Mails lösten einen Aufschrei der Entrüstung aus - und Merrills Aktien stürzten um 20 Prozent ab. Das Unternehmen verlor mehr als neun Milliarden Dollar an Börsenwert. Gleichzeitig blieben Anleger fern. Und dann wachte selbst die SEC auf und kündigte ihrerseits Untersuchungen an.

Merrill Lynch hatte nun schmerzlich begriffen, was es heißt, von "Eliot Ness" an die Öffentlichkeit gezerrt zu werden. Neben der Strafe stimmte das Unternehmen zudem zu, sein System zu ändern und dafür zu sorgen, dass die Analysten sich ausschließlich für die Interessen der Anleger einsetzen.

Spitzer lobte Merrill nach dem Deal als Vorreiter und machte klar, dass er sich jetzt den anderen großen Spielern an der Wall Street widmen werde. Der 42-Jährige hat bereits die Manager von Goldman Sachs, Morgan Stanley, Citigroup und Credit Swiss vorgeladen und um Einblick in deren hausinterne E-Mails und Akten gebeten. Weiterhin will er UBS, Salmon Smith Barney oder Bear Stearns unter die Lupe nehmen.

Bislang signalisieren die Unternehmen noch, dass sie sich nicht einschüchtern lassen werden. Goldman-Sachs-Topmanager Gerald Corrigan, der einst Chef der New Yorker Federal Reserve Bank war: "Es ist kein Problem, wenn Investment-Banker den Analysten helfen, eine Aktie einzuschätzen. Analysten können nicht in einem Elfenbeinturm leben, wenn sie effektiv sein sollen."

Der kampflustige Spitzer reagierte bislang nicht auf dieses Statement. Doch dass er nicht locker lässt zeigt seine Vergangenheit. Der Harvard-Absolvent, der sich für seine Wahlkampagne zum Generalstaatsanwalt zehn Millionen Dollar von seinem Vater (einem New Yorker Immobilien-Zar) geliehen hatte, hat bereits mehrfach bewiesen, dass er keine Angst vor großen Gegnern hat.

Er verklagte Kohlekraftwerke wegen Umweltverschmutzung, nahm den Kampf gegen die Hersteller von Handfeuerwaffen auf oder zerschlug den Gambino-Clan, eine von New Yorks führenden Mafia-Familien.

Nur einen Tag nach seinem Deal mit Merrill kündigte er seine erneute Kandidatur als Generalstaatsanwalt an. Niemand zweifelt an seinem Sieg. Und seine demokratischen Parteifreunde glauben nun, dass er 2006 gegen Gouverneur George Pataki antreten könnte.
Das abgekartete Spiel der Analysten Happy End
Happy End:

US-Anleger verklagen Merrill Lynch wegen Betrugs

 
18.07.02 14:41
#22
Wegen Betrugs hat eine Gruppe von US-Anlegern eine Klage gegen die Investmentbank Merrill Lynch & Co. eingereicht. Sie werfen dem Unternehmen vor, Papiere entgegen besseren Wissens empfohlen zu haben.

Die Bank und ihr früherer Staranalyst Henry Blodget hätten irreführende Anlagetipps über den später Pleite gegangenen Online-Spielwarenverkäufer E-Toys abgegeben, hieß es in der Klageschrift. E-Toys war einer der Veteranen der E-Commerce-Welt und erklärte sich im März 2001 zahlungsunfähig.

Bereits im Mai hatte sich Merrill Lynch mit dem Justizminister des Bundesstaates New York, Eliot Spitzer, nach ähnlichen Vorwürfen gütlich über die Zahlung von 100 Mio. $ geeinigt. Analysten der Bank hatten Aktien zum Kauf empfohlen, obwohl die Papiere in internen Vermerken sehr schlecht beurteilt wurden. Spitzer hatte damals Anleger ermuntert, ihre Anlageverluste durch Privatklagen auszugleichen.

Das abgekartete Spiel der Analysten Happy End
Happy End:

CITIGROUP: Die Schmierenkomödie

 
16.11.02 15:06
#23
Hinter den Türen der größten Bank der Welt findet zur Zeit eine beispiellose Posse statt. Die Protagonisten: Sanford Weill (Chef), Jack Grubmann (Analyst, derzeit ohne Job), Michael Armstrong (Marionette) und Eliot Spitzer (Staatsanwalt). Die Story: Betrug, Korruption, Lügen und ein ominöser Kindergarten.

New York - Monate lang durfte Sanford Weill hoffen, das Schlimmste sei überstanden. Jack Grubman, einer der umstrittensten Vertreter der Analysten-Zunft war verjagt, eine Millionen-Abfindung durfte er mitnehmen. Sallie Krawckeck, blonder Jung-Star und laut "Fortune"-Magazin "die letzte ehrliche Analystin" Amerikas, wurde eiligst eingekauft und ganz nach oben befördert.

Zugleich bastelte Weill, seit 2000 alleiniger Chef des Allfinanzkonzerns Citigroup, ein wenig an seiner Organisation herum. Die natürlich neutralen Analysten wurden formal von Dollars scheffelnden Investment-Bankern getrennt.

Sandy hatte den Laden so richtig aufgeräumt. Citigroup stand als reformfähiger Konzern da, der aus den Börsen-Exzessen der späten neunziger Jahre und den Analysten-Skandalen der letzten Monate seine Lehren gezogen hatte. Weill regierte als mächtigster Finanzmagnat der Welt.

Der Prahlhans vom Research

Dummerweise stehen in den Büros des New Yorker Distriktstaatsanwalts Eliot Spitzer noch kistenweise Dokumente und Datenträger. In den vergangenen Monaten bei verschiedensten Banken eingesammelt, werden sie erst jetzt ausgewertet. Irgendwo unter den Dokumenten fanden sich E-Mails des längst geschassten Grubman, in prahlerischem Stil verfasst.

Diese Mails nähren nicht nur den Verdacht, dass Grubman bei seiner Einstufung von Telekom-Aktien alles andere als unbestechlich vorging. Sie scheinen auch zu belegen, dass Weill selbst Grubman gezwungen hat, zumindest eine kritische Aktien-Bewertung zu verändern. Inzwischen hat Weill reumütig eingeräumt, er habe - aber nur indirekt - Einfluss auf das nominal unabhängige Research genommen.

Heute Buy, morgen Sell

So weit, so altbekannt. Schon lange spekulieren Wall-Street-Beobachter, dass Grubman Ende 1999 seine Einstufung der AT&T-Aktie von "Hold" auf "Strong Buy" anhob, weil Weill es so wollte.

Die Citigroup-Investmentbank Salomon Smith Barney, bei der auch Grubman arbeitete, buhlte so um die Gunst des Telekom-Konzerns, der lukrative Aufträge zu vergeben hatte. Im April 2000 durfte Salomon den Börsengang der Mobilfunktochter AT&T Wireless betreuen und strich dabei rund 45 Millionen Dollar Provisionen ein. Kurz darauf stufte Grubman die AT&T-Aktie wieder herab.

Die Fakten scheinen für sich zu sprechen - Grubman, Salomon und Weill ließen sich allem Anschein nach von AT&T die Unabhängigkeit abkaufen. In der ersten der E-Mail-Passagen, die jetzt bekannt werden, bezeichnet Grubman selbst diese Version jedoch als unwahr. Tatsächlich, schrieb er, sei ein Machtkampf innerhalb des Citigroup-Vorstandes für die Heraufstufung verantwortlich gewesen, nicht das Liebeswerben für den AT&T-Auftrag.

Den Rivalen fortgebombt

Er, Grubman, habe Weill helfen sollen, den Vorstands-Rivalen John Reed "wegzubomben", heißt es in einer Mail-Passage. Reed und Weill führten den Citigroup-Konzern, gerade aus der Fusion von Citibank und Travellers geboren, damals als gleichberechtigte Chefs. Weill versuchte offenbar, eine Aufsichtsrats-Revolte gegen Reed einzufädeln und brauchte dafür dringend die Stimme von Michael Armstrong. Der war gleichzeitig Chef von AT&T - und schon lange verärgert, weil ausgerechnet der sonst stets überoptimistische Grubman seiner Aktie alles Aufwärtspotenzial absprach.

Nach Veröffentlichung der Mail beeilten sich Weill und Grubman, den Image-Schaden zu begrenzen. Weill beteuerte, er würde nie im Leben auf die Idee kommen, einen Aufsichtsrat ungebührlich zu beeinflussen. Und Grubman habe er zwar empfohlen, sich AT&T im Lichte der jüngsten Unternehmensreform noch einmal anzusehen - aber der Analyst sei doch ein unabhängiger Mann gewesen, der seine Einstufungen eigenständig recherchierte. Auch Grubman gab eine Erklärung ab, in der er sich selbst als Lügner darstellte. Das fragliche Mail habe er erfunden - er habe sich damit selbst wichtig machen wollen.

Auffällig nur: Weills Rivale John Reed ist in der Tat aus dem Amt gejagt worden - genau wie es Grubman geschrieben hatte.

Ein wahrheitsliebender Analyst

Als hätte Mail-Skandal Nummer eins nicht ausgereicht, Grubman vollends zur Witzfigur zu machen, tauchte schon tags darauf ein weiteres Mail-Zitat auf. Derselbe Fall, eine neue Variante: In einer weiteren E-Mail-Passage schrieb Grubman einem Freund, Weill persönlich habe ihm als Dank für die AT&T-Heraufstufung geholfen, seine Zwillingstöchter in einem der exklusivsten Kindergärten Manhattans unterzubringen. Und der, prahlte Grubman, sei bei der Auswahl noch strenger als Harvard.

Auch diese Nachricht ging sofort durch die Medien, der Citigroup-Aktienkurs bröckelte schon, da gab Grubman eine abermalige Erklärung heraus. Auch diese Mail-Passage sei erfunden, ausgedacht, habe mit der Wirklichkeit "null" zu tun.

Mafiosi in der Comedy-Show

Allerdings: Grubmans Zwillingstöchter haben den besagten Elite-Kindergarten tatsächlich besucht - und Weill hat inzwischen eingeräumt, ein gutes Wort für sie eingelegt zu haben. Das freilich habe nichts mit AT&T zu tun gehabt, sondern allein damit, dass er sich für einen seiner wichtigsten Mitarbeiter engagieren wollte. Citigroup hat dem Kindergarten-Träger, 92nd Steet Y genannt, im besagten Jahr auch noch eine Spende von einer Million Dollar versprochen. Ein Zufall, wie alle Seiten beteuern.

Als die Vorwürfe gegen Weill und Grubman im Sommer schon einmal hochkochten, zeigte die "Financial Times Deutschland" die beiden auf einem montierten Filmplakat. "GoodFellas" steht darunter, der Titel des Mafia-Dramas von Regisseur Martin Scorsese, und Weill und Grubman blicken finster drein wie verschworene Cosa-Nosta-Kumpane. Aus dem Drama ist eine Schmierenkomödie geworden. Ein Pate, der sich lächerlich macht, kann seine Allmacht nur allzu schnell verspielen.

Da fällt mir doch der Club der Abzocker ein ;-)
Das abgekartete Spiel der Analysten vanSee
vanSee:

Milliardenstrafe für Investmentbanken

 
20.12.02 21:01
#24
Milliardenstrafe für Investmentbanken

Wegen mutmaßlich irreführender Anlagetipps haben die führenden US-Investmentbanken einer Milliardenstrafe zugestimmt. Unter den Betroffenen ist auch die Deutsche Bank.

Die großen Institute der Wall Street würden Geldbußen in einer Gesamthöhe von 1,4 Mrd. $ zahlen, sagte der Justizminister des Bundesstaates New York, Elliot Spitzer. Die größte US-Bank Citigroup muss demnach 400 Mio. § bezahlen, Credit Suisse First Boston 200 Mio. §, Morgan Stanley Dean Witter & Co. 125 Mio. § und Goldman Sachs 110 Mio. §. Merrill Lynch muss 100 Mio. § entrichten. Deutsche Bank, Bear Stearns Companies und J.P. Morgan Chase wurden zu Zahlungen in Höhe von jeweils 80 Mio. § verpflichtet. Lehman Brothers müssen 80 Mio. § bezahlen.  
Das abgekartete Spiel der Analysten tosche1

Da sag ich doch nur eins

 
#25
Analysten sind die schlimmsten Verbrecher von allen.


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