Die letzten Tage bei Lehman zeigen hässliche Parallelen mit der Lage in Griechenland: Die Finanzmärkte treiben die Beteiligten vor sich her, bis alle kopflos reagieren. Es ist bedrückend, wie sich Muster wiederholen: Im Jahr 2008, knapp eine Woche vor der Lehman-Pleite drohte die Ratingagentur Moody’s eine Herabstufung der Bank an. Es war der Todesstoß für das Institut.
Zu mächtig war die Druckwelle, die Lehman anschließend von den Finanzmärkten entgegenschlug, zu gering das Restvertrauen in die Bank, die oft genug gemogelt hatte - und zu knapp die Zeit, die sich am Ende die Beteiligten selbst zur Lösung der Krise zugestanden, als Hoffnung und Bangen fast im Sekundentakt wechselten. Am Ende stand der Untergang: Der Finanzmarkt nimmt keine Gefangenen.
Ganz ähnlich stellt sich nun die Lage im Falle von Griechenland dar. Hoffnung und Bangen wechseln sich fortlaufend ab. Wurde eben nicht noch dreist behauptet, Griechenland werde keine Hilfen in Anspruch nehmen? Jetzt droht der Kollaps. Das Land hat alle immer wieder getäuscht und jegliches Vertrauen verspielt.
Am Dienstag hat nun auch die einflussreiche Ratingagentur Standard and Poor's Griechenland öffentlich das Vertrauen entzogen und die Kreditwürdigkeit des Staats auf "Ramsch" gesetzt.
Es geschieht, was geschehen muss: Das Geld wird hochfluid und Anleger fliehen aus allem, auf dem Griechenland draufsteht.
Es ist ein sich fortlaufend selbstverstärkender Prozess: Die Kurse implodieren, Panik macht sich breit und binnen kürzester Zeit baut sich durch die Hektik am Finanzmarkt eine mächtige Drohkulisse auf, die den Eindruck entstehen lässt, die Welt würde untergehen, wenn nicht rasch genug gehandelt wird.
Gewöhnlich ist das der Moment, in dem die Politik das Problem in die öffentlichen Kassen schaufelt, alle Beteiligten mit Steuergeld sediert und aus der Verantwortung entlässt. Zu groß ist die Angst vor Kettenreaktionen, die keiner mehr überblickt. Im Falle von Lehman fand dieser Prozess zeitversetzt statt: Nicht Lehman wurde gerettet, dafür später die gesamte Bankbranche.
Genau dieses politische Verhaltensschema macht den Finanzmarkt so machtvoll. Augenscheinlich wird durch die Rettungsaktion sein Funktionieren sichergestellt - die Anleger kommen ja auch so schnell zurück wie sie gegangen sind, wenn ein anderer die Bürgschaft übernimmt.
Tatsächlich aber wird durch diese Rettungsaktionen das Funktionieren des Finanzmarktes auf ebenso simple wie dramatische Weise außer Kraft gesetzt, weil die Masterregel verletzt wird. Sie besagt: Wer mehr Rendite will, muss auch ein höheres Risiko tragen.
Wenn also die Politik nun diejenigen, die gerade deswegen in Griechenland-Papiere investiert haben, weil sie dort mehr Ertrag bekamen, von jeglichem Risiko freispricht, legt sie damit zwangsläufig den Grundstein für die nächste Katastrophe.
Immer wieder wird sich das Geld dort sammeln, wo die Rendite höher ist als üblich, doch die Investoren eine Chance sehen, von Risiken freigesprochen zu werden. So entstand die Bankenkrise, so wurde die Griechenlandkrise provoziert und so wird sich auch die nächste Finanzkrise herausbilden.
Was also ist zu tun? Die Politik kommt nicht umhin, auch Griechenlands Gläubiger zur Kasse zu bitten. Es wird kurzfristig die Finanzmärkte bestürzen, langfristig aber die Anleger zur Vorsicht zwingen: Wo Risiko draufsteht, ist auch Risiko drin. Besser kann man sich nicht vor Krisen immunisieren.
Bei Lehman hat sich die Politik von der Drohkulisse der Finanzmärkte so sehr beeindrucken lassen, dass sie am Ende kopflos reagierte: Was wie ein cooles Fallenlassen aussah, war tatsächlich eine Kapitulation.
Wenn die Politik Griechenland allein aus Steuermitteln stützt, wäre das ebenfalls eine Kapitulation. Das darf nicht passieren.
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Können wir das schaffen? Yo, wir schaffen das!