Daher wohl auch die "superoptimistische Stimmung", die in Japan zur eigenen Erholung verbreitet wird. Es gibt da enge Parallelen zur Propagandaschlacht in USA. Die Veranstaltungen erinnern mich an ein Skelett, das vor dem Zuklappen des Sargdeckels noch mal schnell zischend und klappernd nach oben fährt und "ewiges Leben" verheißt.
Auch China hat inzwischen begriffen, dass die Propaganda-Nummer "bei uns wächst alles am schnellstern" dem unverdrossen-ignoranten Zeitgeist entspricht.
02.09.2009
Finanzieller Kollaps befürchtet
Japan: Süchtig nach Schulden
von Finn Mayer-Kuckuk
Japans neuer Regierungschef will noch mehr Geld ausgeben als sein Vorgänger. Dabei leistet sich Nippon schon jetzt die höchsten Schulden unter den Industriestaaten. Die Regierung hat Anleihen ausstehen, deren Wert der Wirtschaftsleistung von zwei Jahren entspricht. Das Land steuert auf den finanziellen Kollaps zu.
... die Japaner machen sich zu Recht Gedanken über die Finanzen ihres Staates. Nippon leistet sich die höchsten Schulden unter den Industrieländern. Die Regierung hat Anleihen ausstehen, deren Wert der Wirtschaftsleistung von fast zwei Jahren entspricht. In Deutschland und den USA dürfte die Verschuldung nach all den Konjunkturpaketen ungefähr im Bereich von 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen. In Japan liegt der Wert dreimal so hoch: bei 190 Prozent. Ökonomen beziehen bei der Berechnung auch versteckte Staatsschulden ein.
Lange sah es aus, als könnte auch ein seriöses Industrieland sich solch hemmungslose Verschuldung ungestraft leisten. Langsam bröckelt jedoch diese Gewissheit. Die Lage erscheint derzeit besonders brisant, weil der Sieger der Parlamentswahl vom Wochenende weitere großzügige Ausgaben angekündigt hat. (Das hatte ich vor kurzem schon gepostet, dass der Wahlsieg zu noch mehr Staatsausgaben führt....- A.L.) "Versteckte Schätze" wolle er zur Finanzierung heben, hat Japans designierter Premier Yukio Hatoyama angekündigt und versprochen, endlich die Verschwendung in den Ministerien zu beenden. Doch Experten sind sich einig: Versteckte Schätze in der nötigen Größenordnung gibt es nicht. Zur Finanzierung bleibt nur die Ausgabe immer neuer Anleihen.
Die Wirtschaftszeitung "Nihon Keizai" verwendet in ihrer Berichterstattung bereits Begriffe wie "fiskalischer Zusammenbruch", wenn es um die langfristigen Aussichten für den Etat geht. Die Deutsche Bank sieht Japan in Zukunft in einem "Schuldenstrudel". Im kommenden Jahr bereits könnten die Verbindlichkeiten das Doppelte des Bruttoinlandsprodukts übertreffen und bis 2020 auf das Dreifache steigen. Falls die Regierung nicht sofort Reformen in Angriff nehme, drohe eine Staatsschuldenkrise. Die Bewertungsagentur Moody's hat im Mai erstmals eine Anleiheklasse des japanischen Staates heruntergestuft.
Japan steckt in der Schuldenfalle. Die Misere betrifft aber auch Deutschland, und das nicht nur, weil es um einen wichtigen Handelspartner geht. Der Blick auf die Herkunft des Schuldenbergs fördert einige beunruhigende Fakten zutage. Japan hat die exzessiven Verbindlichkeiten nicht in erster Linie durch Misswirtschaft aufgehäuft. Sie sind Altlasten einer endlosen Folge von Konjunkturprogrammen nach der Finanzkrise in den 90er-Jahren.
Am Anfang ähnelt die Geschichte erschreckend der aktuellen Krise. Damals wie heute galten hohe Staatsausgaben als das richtige Mittel, die Wirtschaft vor dem freien Fall zu bewahren und die ehrlichen Bürger vor den Folgen verantwortungsloser Spekulationen zu schützen. Bis dahin hatte Japan vergleichsweise solide gewirtschaftet. Für das Jahr 1990 verzeichnet die Statistik ausstehende Staatsanleihen in Höhe von 166 Bill. Yen, nach heutigem Wechselkurs sind das 1,3 Bill. Euro. Großzügige Sozialleistungen, die in Deutschland die Schulden hochgetrieben hatten, brauchte Japan angesichts praktischer Vollbeschäftigung nicht.
Wie anders sieht die Lage heute aus. Ende Juni dieses Jahres standen Anleihen im Wert von 684 Bill. Yen aus. Die Kaufkraft der Währung ist in dieser Zeit nicht gesunken - wir erleben also eine Vervierfachung der Belastungen in nur zwanzig Jahren. Ende des Jahres wird die Staatsschuld voraussichtlich bei umgerechnet über sechs Bill. Euro liegen. Und das ganz ohne Wiedervereinigung, ohne Krieg, ohne außergewöhnliche Ereignisse.
Jedes Jahr aufs Neue kündigten die Politiker an, dass der Konjunkturmotor jetzt aber wirklich wieder anspringen werde. Dann gehe auch die Tilgung los, versicherten sie. Jedes Mal verharrte das Wachstum jedoch auf niedrigem Niveau, nur in einem Jahr gelang eine Rückführung der Kreditaufnahme. In der derzeitigen Rezession warnt die japanische Notenbank - nun weise geworden -, dass auch der nächste Aufschwung ziemlich lau ausfallen wird.
Die bittere Wahrheit ist, dass Japans Wirtschaft zu keinem Zeitpunkt zu selbsttragendem Wachstum zurückgekehrt ist. Es war nur eine neue Blase, die von 2002 bis 2007 die Statistik besser aussehen ließ. Die amerikanische Geldmaschine um Subprime-Papiere hat auch die japanische Wirtschaft zeitweilig aus dem Sumpf gezogen. Wegen der Kreditlust in den USA fanden sich Abnehmer für all das, was die Japaner so gut herstellen können: Digitalkameras von Sony, Kleinwagen von Toyota oder die Festplatten in Apples iPod.
Jetzt ist die Unterstützung durch die neue Blase vorbei, und Japan ist in den Sumpf zurückgerutscht. Die alten Schulden verursachen derweil immer neue Kosten. Schon 23 Prozent des Haushalts fließen in diesem Jahr in Zinszahlungen. Hier bietet sich der Vergleich mit einem rollenden Schneeball an: Je größer er wird, desto mehr Schnee nimmt er auf. Vielleicht kann die Regierung in Tokio den Ball noch zehn Jahre weiterrollen lassen, vielleicht sogar noch zwanzig. Doch das heißt nicht, dass so lange alles in Ordnung wäre. Denn schon jetzt lähmt die Überschuldung die wirtschaftliche Initiative.
Es sind mehrere Mechanismen, über die das große Minus den Schwung der Regierung und der Bürger bremst. Auffallendstes Beispiel ist die Angst vor Wachstum. Tatsächlich: Die Aussicht auf Hochkonjunktur bereitet Japans Fiskalpolitikern Alpträume. Denn dann müsste die Notenbank die Zinsen anheben, die seit einem Jahrzehnt nahe null liegen. Erhöht die Bank of Japan jedoch den Leitzins, muss auch der Finanzminister mehr Anreize für den Kauf seiner Anleihen bieten. Da er die Schulden ständig um- und neu finanziert, würde die Zinsbelastung explodieren. Nur der Nullzins dämpft noch den Anstieg der Billionenschulden ins Unermessliche. Doch wie soll ein Wirtschaftspolitiker mit voller Kraft auf Wachstum hinarbeiten, wenn er weiß, dass es den Staat ruinieren würde?
Auch im Bewusstsein der Bürger wirkt der Schuldenberg demoralisierend. Das Volk weiß aus den Medien, wie es um die Staatsfinanzen steht. Ein bisschen fühlt sich da jeder mitgefangen - vor allem im gruppenbewussten Japan. Konkret ist allen klar, dass Steuererhöhungen unvermeidlich sind. Die Bürger rechnen damit, dass alles immer nur schlechter werden kann. Kaum jemand verfolgt ehrgeizige Ideale, kaum jemand in Japan gründet noch pfiffige neue Unternehmen. Die Stimmung war vor der Krise mau, jetzt ist sie mies.
Dazu kommt, dass der Bewegungsspielraum des Staates immer kleiner wird. Was nicht in den Zinsdienst fließt, wendet der Staat für Soziales auf oder stützt die Wirtschaft, die schon lange nicht mehr aus eigener Kraft wächst. Da bleibt immer weniger Geld für Förderung von Zukunftstechnik und Forschung.
Auch wenn es keiner zugibt: Inzwischen ist allen Beteiligten klar, dass die Schulden bleiben werden. Mehrere Prozent Wirtschaftswachstum pro Jahr wären über Jahrzehnte bei eisernem Sparen nötig, um das Geld zurückzuzahlen. Doch entwickelte Volkswirtschaften bringen keine hohen Wachstumszahlen mehr.
Japans Bevölkerung schrumpft und altert - genau wie die deutsche. Auch psychologisch stehen damit die Chancen für ein Durchstarten der ehemaligen asiatischen Leitwirtschaft schlecht. Es sieht außerdem so aus, als hätte Japan die Fähigkeit zu Reformen verloren. Die bisherige Regierung hatte schon vor der Wahl jeden Ehrgeiz aufgegeben: Einen konkreten Rückzahlungsplan für die Staatsschulden aus der Ära Koizumi hat sie kürzlich gekippt und durch vage Hinweise auf den Beginn einer Rückführung ab 2020 ersetzt. Der neue Premier setzt nun weiter auf Geldgeschenke statt auf Markt und Eigeninitiative.
In der Wirtschaftskrise sind die Schulden zudem schneller gestiegen als je zuvor. Der bisherige Premier Taro Aso geizte beim Entwurf seiner Konjunkturpakete nicht. Ökonomen sind sich einig, dass die Ausgaben die letzte Rettung für Japans Wirtschaft waren. Gerade erst hat das Wachstum dank der Staatsausgaben wieder ins Plus gedreht. Ohne Asos Geldsegen hätte es einen Absturz gegeben, der erstmals viele Japaner ins Elend hätte stürzen können. Mit Dankbarkeit darf die Weltwirtschaft nach Asien blicken, wo alle wichtigen Staaten sehr konsequent auf die Krise reagiert haben.
Im Jahr 1999 - als es Japan nach der eigenen Krise am schlechtesten ging - ebenso wie 2009 war eine Geldspritze für die Wirtschaft der einzig verantwortungsvolle Weg für die Politik. Doch in Japan ist die Stärkung des Wachstums tragisch aus dem Ruder gelaufen. Sie war als einmalige Aktion geplant, wurde aber zum Dauerzustand. Der Vergleich mit einer Droge drängt sich auf: Am Anfang noch zur Stimulation genommen, hält die gleiche Dosis jetzt nur den Normalzustand aufrecht.
Tatsächlich hat der Staat permanent eine Rolle übernommen, die eigentlich dem Privatsektor zukommt: sich Geld zu leihen, es zu investieren und seinen Kreislauf in Schwung zu halten. Die Wirtschaft wurde süchtig nach dem staatlichem Schuldengeld. Woanders wäre diese Entwicklung vermutlich gar nicht so lange gutgegangen.
Dass Japan für Investoren immer noch einen guten Ruf hat, liegt an einer Besonderheit der japanischen Schulden. Sie bleiben fast ganz im Inland. Japan ist von keiner ausländischen Macht erpressbar. Die USA beispielsweise müssen sich derzeit von den Chinesen auf der Nase herumtanzen lassen, ihrem größter Gläubiger vor Japan. Im Reich des Tennos sind es dagegen die eigenen braven Bürger, die der Regierung die niedrig verzinsten Papiere abkaufen. Nur acht Prozent der Staatsanleihen landen bei ausländischen Investoren. Erstaunliche zehn Prozent kauft die Notenbank, zwölf Prozent die staatliche Rentenkasse, und unglaubliche 31 Prozent übernimmt die Postbank.
Hier bekommen die beruhigenden Nachrichten bereits einen unguten Klang. Denn die Zahlen zeigen, dass Frau und Herr Tanaka ihren Anteil am Staatshaushalt zum großen Teil nicht freiwillig abgegeben haben. Die Regierung lässt mit der Notenbank und der Postbank zwei quasi staatliche Institute die Anleihen kaufen. Beide Institutionen verleihen das Geld der Bürger an den Finanzminister, ohne sie zu fragen. Die Postbank bedient sich für den Erwerb der scheinbar sicheren Anleihen aus den 300 Billionen Yen auf den Konten ihrer Kunden. Das sind derzeit 2,2 Billionen Euro, etwa so viel wie Deutschlands jährliches Bruttoinlandsprodukt.
Ein Regierungsplan hat bis vor kurzem vorgesehen, die Postbank in den nächsten acht Jahren komplett zu privatisieren. Ein Börsengang war für die kommenden ein oder zwei Jahre vorgesehen. Ihre Manager dachten schon laut darüber nach, mehr Geld renditeträchtig anzulegen: in Unternehmensanleihen, in Aktien, in Beteiligungsfonds. Doch wenn sie auch nur einen Teil der Staatsanleihen aus ihrem bisherigen Portfolio auf den Markt werfen würde, wäre die Wirkung katastrophal. Der Markt wäre verunsichert, der Preis der Anleihen würde in den Keller gehen, die Zinsen für Neuemissionen würden sich vervielfachen. Das erklärt, warum die Politik die Postprivatisierung blockiert. Die neuen Regierenden haben sogar davon gesprochen, das bereits Erreichte wieder zurückzudrehen.
Dazu kommt weiterer Missbrauch des Geldes der Bürger. Schon seit Jahrzehnten leistet sich Japan das "Fiskalische Investitions- und Kreditprogramm". Spitzname: der zweite Haushalt. Im laufenden Jahr bewegt das Finanzministerium darin 14 Bill. Yen, im Krisenjahr 1996 waren es sogar 40 Bill. Yen. Auch hier vergreift der Staat sich an Spareinlagen der Postbank, Rücklagen der Rentenkasse und anderem Vermögen der japanischen Bürger. Der Mechanismus ist der gleiche wie bei den Staatsschulden: Der Fonds gibt niedrig verzinste Anleihen aus, die die Postbank brav kauft.
Politiker und Bürokraten nutzen diese Kassen nach eigenem Gutdünken für den Straßenbau oder um es an Gemeinden zu verteilen. In Japan gibt es im Verhältnis zweimal mehr Bauunternehmen als in vergleichbaren Ländern. Der hohe Betrag läuft wohl gemerkt am offiziellen Staatshaushalt vorbei. Dieses Kapital ist für die Zukunftsfähigkeit das Landes komplett verloren. Trotz sinkender Zulassungszahlen von Autos entstehen immer neue Brücken und Umgehungsstraßen. Und wie in Ostdeutschland leisten sich Gemeinden immer neue Spaßbäder und Bergwerksmuseen. Es ist jetzt schon klar, dass diese Einrichtungen hinterher ausschließlich Unterhalt kosten, ohne Touristen anzuziehen. Auch zusätzliche Subventionen für die Landwirtschaft kommen aus diesen Töpfen.
Notleidende Mittelständler und Bauern zu unterstützen ist eigentlich nobel und so politisch korrekt, dass es kaum angreifbar ist. Aber welche Rendite ist für diesen Einsatz japanischen Vermögens zu erwarten? Wie anders sähe das Bild aus, wenn der Staat sich hier zurückzöge und der Privatwirtschaft das Feld überließe.
Die Regierung könnte die Haushalte transparent machen und nur noch das leisten, wofür der Staat unbedingt nötig ist. Die Unternehmensteuern könnten sinken. Statt dem Staat seine Anleihen abzukaufen, könnte die Postbank bei sinkender Neuverschuldung die Wirtschaft als Investor antreiben. Sie könnte ihre gewaltigen Mittel tatsächlich in Aktien und Anleihen der hervorragenden Industrieunternehmen wie Toyota oder Panasonic investieren. Diese könnten damit wirkungsvollere Solarzellen, kleinere Mikrochips, emissionsfreie Autos oder sicherere Kernkraftwerke entwickeln. Auch Wagniskapital für Jungunternehmer wäre reichlich vorhanden.
Doch die Politiker halten die Hoheit über die Milliardensummen lieber in der eigenen Hand. Damit können sie Bauprojekte in ihren Wahlkreisen finanzieren. So entstehen zwar Brücken, die keiner braucht. Aber sie zementieren zugleich mit den Wohltaten ihre Machtbasis.
Die Finanzierung des japanischen Staats basiert also auf Harmonie zwischen Institutionen, die besser unabhängig wären, wie dem Finanzministerium und den Käufern der Anleihen. Die Preise kommen durch Klüngelei zustande, statt auf harten Fakten und Marktkräften zu basieren. Das System funktioniert nur durch festes Vertrauen darauf, dass in Nippon intransparente Lösungen fortdauern, die anderswo auf der Welt keinen Bestand hätten.
Doch wie lange ist das Vertrauen in Japan noch gerechtfertigt? Die Schätze auf den Postbankkonten und im Rentenfonds sind bald aufgebraucht. Die Sparquote der Haushalte ist seit 1980 von zwölf Prozent auf etwa zwei Prozent gesunken. Vermutlich schon ab dem kommenden Jahr entnimmt Japan diesen Truhen mehr, als es hineintut. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich keine Abnehmer mehr für die Anleihen finden, mit denen der Staat sich ständig umfinanzieren muss. Sobald er versucht, sich stattdessen bei kritischen ausländischen Investoren zu bedienen, wird der Finanzminister ordentliche Zinsen zahlen müssen. Der Schneeball rollt schneller, und das bringt Japan näher an den Bankrott.
Auch die disziplinierten japanischen Bürger wollen ihr Geld eines Tages verzinst zurück. Hier droht ihnen die ganz große Enttäuschung. Die meisten Szenarien sehen vor, sie mehr oder weniger zu enteignen. Den Yen durch eine neue Währung zu ersetzen wäre also eine Lösung - extrem, aber nicht undenkbar. Es bedürfte bloß einer zusätzlichen Krise, etwa eines Erdbebens oder eines Atomunfalls, um den Bürgern den Schritt plausibel erscheinen zu lassen.
Inflation käme ebenfalls in Frage. Der Staat würde in diesem Modell Geld drucken und damit seine Schulden bedienen. Zugleich würde der Außenwert des Yens nachhaltig fallen, was gut für die Exportindustrie wäre. Doch das Vertrauen des an sich obrigkeitstreuen Volks in den Staat wäre erst einmal dahin. Da dies den Interessen der Regierung komplett widerspricht, gilt diese Variante erst einmal als unwahrscheinlich.
Eine echte Chance würde eine neue Blase bieten. Der japanische Staat könnte versuchen, durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer bei gleichzeitigem hartem Sparen einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Das wäre jedoch nur dann möglich, wenn anderswo auf der Welt ein neuer Investitionsboom starke Exporte ermöglicht.
Vielleicht liegt der bisherigen Einstellung gegenüber dem Schuldenabbau ein Denkfehler zugrunde. Die Politik macht stets kräftiges Wachstum zur Vorbedingung für einen Rückzug des Staates. Dabei kann eine befriedigende Lösung nur funktionieren, indem der Staat der Tatkraft von Privatleuten das Feld überlässt. Wenn jemand den Japanern ihren Optimismus zurückgäbe, wenn sie wieder mehr Kinder bekommen und Unternehmen gründen würden, könnten sie ihr gewaltiges Kapital als Grundstock für eine neue Ära des Wachstums benutzen.
Im eigenen Land wie global ist noch so enorm viel zu tun. Man denke nur an den bevorstehenden Komplettumbau der Energiewirtschaft, auf den Japans Infrastrukturunternehmen besonders gut vorbereitet sind. Der Staat sollte Eigeninitiative und kühnen Zukunftsplänen wieder Raum geben. Wie schade, dass daran derzeit in Nippon keiner denkt. Für die anderen Industrieländer bleibt aus der japanischen Misere immerhin die Lehre, denn Ball so schnell wie möglich wieder an die Wirtschaft zurückzuspielen.
Finn Mayer-Kuckuk ist Korrespondent des Handelsblatt in Tokio.
www.handelsblatt.com/politik/international/...schulden;2451557