Das ist zurzeit mMn eine der wichtigsten Fragen. Sie ist äquivalent zu den Fragen: Deflation oder Inflation? Weitere Wirtschaftsschrumpfung oder kommendes Wirtschaftswachstum? Bären- oder Bullenmarkt für Aktien?
Wenn dies ein Bärenmarkt-Rallye ist (wovon ich nach wie vor ausgehe), dürften - sobald sie dreht - die Deflationstendenzen wieder zunehmen. Dann würden auch die Longbonds wieder steigen (und ihre Zinsrendite sinken).
Die Frage lässt sich einfacher beantworten, wenn man sie so stellt: Deflation oder Inflation?
USA versucht mMn zurzeit, die Kursschwäche bei den Staatsanleihen (die deren Zinsrendite erhöht) als "gute Inflation" zu verkaufen, wie sie bei brummender Wirtschaft wegen Überhitzung auftritt: In einer brummenden Wirtschaft bekommen Jobsuchende, da Personal knapp wird, immer mehr "Verhandlungsmacht" bei Lohnabschlüssen, die Unternehmen kontern mit höheren Preisen usw. (Lohn-Preis-Spirale). Inflation ist in einem solchen Kontext ein Signal für Wirtschaftsstärke. Notenbanken heben dann gern die Leitzinsen an, um die überhitzte Wirtschaft auszubremsen. In der letzten Phase diese Zyklus steigen auch die Rohstoffpreise stark, weil die Nachfrage ungebrochen bleibt - siehe Grafik hier.
Tatsächlich aber läuft in USA zurzeit das genaue Gegenteil: Aktuell wird das Herr der Arbeitlosen jeden Monat um ca. 600.000 größer, die AL-Quote hat sich seit 2007 auf jetzt 8,9 % verdoppelt, es gibt kaum neue Jobs, die "Verhandlungmacht" bei Lohnverhandlungen ist nahe Null, Jobsuchende können heilfroh sein, überhaupt noch eine Stelle zu bekommen. Die Reallöhne sinken, Waren lassen sich nur mit starken Preisnachlässen verkaufen, die Nachfrage und die Preise sinken auf allen Ebenen. Die Industrie entlässt und schraubt die Produktion zurück, der Energieverbrauch sinkt, der Ölpreis fällt usw. - kurzum: Deflation.
Zum laufenden Theaterstück in USA gehört aber nun, dass seit einigen Monaten die Rohstoffpreise wieder steigen - offenbar, weil Spekulanten (GS?) in "Täuschungsabsicht" an den Futures schrauben. Ich schreibe "Täuschung", weil in der Realwirtschaft die Ölnachfrage immer noch so klein ist, dass in Rotterdam die Tanks überlaufen und 40 vollbetanke Öltanker in der Nordsee dümpeln (liegt teilweise auch am Contango). Ungeachtet dessen legte WTI seit Dez. um rund 40 % zu.
Da Wall Street bei der Suche nach Wirtschaftsindikatoren auf den CRB-Index (Commodities) starrt wie das Kaninchen auf die Schlange, wird bei dessen Anstieg halt ein bisschen nachgeholfen. Dabei soll sozusagen der Rohstoff-Schwanz mit dem Konjunkturhund wackeln. Über steigende Ölpreise freuen sich freilich auch die US-Ölmagnaten um Bush und Cheney. Mit anderen Worten: Der Rohstoff-Preisanstieg soll "redundante Signale "liefern, die die Illusion der "gesunden Inflation" (s.o.) nähren. Diese "Rohstoff-Signale" sind freilich ein ähnlicher Head- (bzw. Future-)Fake wie die Aktien-Rallye selbst (zumindest in ihrer jetzigen Spätphase). Die Amis versuchen auf diese Weise, die Sollvorgabe "Reflationierung" mit allen Taschenspieltricks (inkl. Fälschung der Arbeitsmarkt-Daten) zu erreichen.
Die falsche Grundannahme besteht darin, dass US-Konsumenten sich bei niedrigen Aktienständen "arm" fühlen und "angstsparen" - also weniger konsumieren, als sie könnten. Die (Assetpreis-)Deflation wäre dann selbstverstärkend. Steigen aber nun die Aktien wieder, beginnt der US-Konsument (dessen Rente vom Aktienstand abhängt) auch wieder munter weiterzukonsumieren. Vor allem dann, wenn er die Aktienanstiege als Signal einer beginnenden wirtschaftliche Erholung interpretiert (was sie in Bärenmarkt-Rallyes NICHT sind - die Medien trommeln die Erholungs-Mär dennoch).
Dabei bleibt aber völlig unberücksichtigt, dass der US-Konsument ja bereits komplett überschuldet ist. Er konsumiert weniger, weil er kein Geld mehr über hat. Selbst wenn die Banken mehr rausrückten (was sie kaum tun, die Kreditvergabe wird immer restriktiver), würde er nicht mehr wie früher über die Stränge schlagen. Zu sehr drückt die Angst vor Arbeitsplatzverlust und "Zeltstadt". GS und Co. können zwar den Aktienmarkt (das "Illusions-Barometer") in gewissen Grenzen nach oben manipulieren, um künstlich "gute Stimmung" zu erzeugen. Wirklich gute Stimmung kommt aber erst auf, wenn nicht jeden Monate 600.000 Arbeitsplätze verloren gehen. Und an diesen AL-Zahlen lässt sich weniger gut "schrauben" als an den US-Aktienindizes.
Die aktuelle Aktien-Rallye könnte sich nur dann in einen längerfristigen Bullenmarkt wandeln, wenn es auch in der Realwirtschaft nennenswerte Zeichen einer Erholung gäbe. Die sehe ich aber bislang nirgendwo, weder in USA noch in Europa. Die Zeichen stehen bislang allerorten auf weitere Schrumpfung. Trendenzumkehr-Postulate blieben bislang weitgehend progagandistisches Wunschdenken. Lediglich in China gibt es Impulse, die aber aus einem 1,5-Billionen Stimulationspaket stammen. Die Chinesen haben dabei den Vorteil, das Geld von Vornherein zu besitzen und es nicht erst durch Emission von Staatsanleihen besorgen zu müssen - eine Übung, mit der sich die immer Amis schwerer tun (Staatsanleihen-Neuemissionen verlaufen teils "stockend", der Markt ist übersättigt, auch von den Amis selbst).