Habe ich heute in der FTD entdeckt:
"Anleger und andere Steuerzahler können nicht darauf vertrauen, dass die der "SCHRIFTLICHEN AUSKUNFT des Finanzamts zugrunde liegende Rechtslage dauerhaft Bestand hat"". Die Beamten sind anschließend nicht daran gehindert, ein für Steuerzahler ungünstiges Urteil anzuwenden, so der der Bundesfinanzhof in einem gestern veröffentlichten Urteil (Az: XI R 30/09)".
"Ein Steuerzahler KÖNNE NICHT davon ausgehen, dass das Finanzamt AUF DAUER an seiner Auffassung festhalte. Nach dem Prinzip der Abschnittsbesteuerung habe das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen erneut zu prüfen und müsse eine als falsch erkannte Auffassung so früh wie möglich korrigieren. DIES GILT AUCH DANN, wenn ein Anleger IM VERTRAUEN darauf investiert haben sollte oder die Beamten eine falsche, für den Steuerzahler günstige Auffassung vertreten hatten".
Besonders vorgenannter Abschnitt ist geradezu zynisch, volksverdummend und typisches Juristengeschwafel. Reine Auslegungssache - und im Zweifel natürlich gegen den Steuerzahler auszulegen. Die erste Frage stellt sich ja schon, WARUM ein Steuerzahler NICHT davon ausgehen kann, dass das Finanzamt AUF DAUER an seiner (damaligen wohl RICHTIGEN) Auffassung festhalten muss. Schon die Formulierung "auf Dauer" ist ja völlig pauschal und unsubstantiiert. Bedeutet "auf Dauer" ein paar Wochen, Monate, eine Legislaturperiode von vier Jahren, oder 20 Jahre? Oder einfach je nach "Bedarf an akut benötigten Steuereinnahmen" der jeweiligen Regierungen, die dann einfach "rückwirkend" alte Steuergesetze zu ihren Gunsten ändern zum Schaden der Steuerzahler?
Der zweite Satz erklärt das ganze Debakel und ist ausschlaggebend für die Berechtigung aller denkbaren Regierungen, jedes Steuergesetz jeder Zeit nach "Steuerbedarf" ändern zu können - nämlich:
"Nach dem Prinzip der Abschnittsbesteuerung habe das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen erneut zu prüfen und müsse eine als falsch erkannte Auffassung so früh wie möglich korrigieren". DIES GILT AUCH DANN, wenn ein Anleger IM VERTRAUEN darauf investiert haben sollte oder die Beamten eine falsche, für den Steuerzahler günstige Auffassung vertreten hatten".
Bedeutung der so genannten "Abschnittsbesteuerung" lt. Wikipedia:
"Der Begriff Abschnittsbesteuerung ist ein Grundsatz aus dem deutschen Steuerrecht, nach dem die Besteuerungsgrundlagen immer auf regelmäßige Zeitabschnitte bezogen ermittelt werden. In Betracht kommen dafür das Kalender- oder Wirtschaftsjahr, das Quartal oder der Monat.
Das Prinzip findet sich vor allem in der Umsatzsteuer, den Ertragsteuern und dem Bilanzsteuerrecht. Zugrunde liegt der Gedanke, dass nur die Umsätze, Einnahmen und Gewinne aus dem jeweiligen Abschnitt der Besteuerung unterworfen werden.
Besondere Bedeutung kommt der Abschnittbesteuerung hinsichtlich der rechtlichen Würdigung von steuererheblichen Sachverhalten zu. Weil jeder Veranlagungszeitraum für sich zu beurteilen ist, ergeben sich im Regelfall keine zeitraumübergreifenden Bindungen an die rechtliche Beurteilung in einer Vorperiode.
Die (fehlerhafte) Anerkennung eines steuermindernden Sachverhalts in Vorjahren bindet die Finanzbehörden auch dann nicht für die Zukunft, wenn diese Sachverhalte über mehrere Veranlagungszeiträume hinweg anerkannt wurden. Auch der Einwand, dass eine Nicht-Anerkennung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt, ist wegen des Prinzips der Abschnittsbesteuerung und der damit verbundenen ständigen rechtlichen Neubewertung der zugrundeliegenden Sachverhaltes nicht stichhaltig.
Eine Ausnahme für eine Bindung im Hinblick auf die steuerliche Behandlung über mehrere Zeiträume hinweg, ist nur durch eine kostenpflichtige Verbindliche Auskunft gem. § 89 Abs. 2 AO gegeben".
Bemerkenswert ist, dass im zweiten Absatz: "Die (fehlerhafte) Anerkennung..." - das "fehlerhaft" in Klammern steht. Denn DAMALS war die Anerkennung ja wohl keinesfalls fehlerhaft sondern nach damaligen Steuergesetzen wohl eher sehr RICHTIG.
Apropos: "DIES GILT AUCH DANN, wenn ein Anleger IM VERTRAUEN darauf investiert haben sollte oder die Beamten eine falsche, für den Steuerzahler günstige Auffassung vertreten hatten". So wurden ja in Bezug auf die Abgeltungssteuer sehr viele Privatinvestoren geködert, noch vor Einführung - ich glaube es war 2009 - gegen jeglichen Sinn und Verstand. Viele haben beim Höchststand aus "steuerlichen Gründen" bis Ende 2008 gekauft und bis März 2009 teilweise mehr als 50 % verloren. Hätte die Regierung, das Finanzamt dann beschlossen, die Abgeltungssteuer in 2009 wieder aufzuheben und ab 2010 wieder den Satz nach Einkommen zu berechnen, so hätten sich alle Investoren, die NUR aus dem Grund der Abgeltungssteuer und im Vertrauen auf damaliges geltendes Finanzrecht gegen ihre eigentliche fundamentale Überzeugung noch ein paar Aktien und Fonds gekauft haben, dumm und dusselig klagen können. Sie wären aufgrund der "Abschnittsbesteuerung" leer ausgegangen. Nun - das ist bis heute zwar nicht passiert - aber nicht auszuschließen, dass die "Abgeltungssteuer" auch RÜCKWIRKEND wieder neutralisiert werden könnte - Verluste zu Lasten der vertrauensseligen Anleger.
Nun gut, dass wir den Worten von Politikern, Finanzministern keinen großen Glauben mehr schenken und ihnen vertrauen ist lange bekannt und klar. Bekannt ist zumindest unter uns auch, dass dass Finanzamt eben auch rückwirkend Steuern eintreiben kann - ehemalige "Steuersparmodelle" wie Ost-Immos, Medienfonds und andere geschlossene Fonds etc. haben sich allesamt als Bumerang für die Anleger erwiesen. Aber auch ehemalige Kilometerpauschalen, diverse Förderungen, wie z.B. Wohneigentum, Solaranlagen, Dieselfahrzeuge etc. gingen fast ausschließlich ALLE als Bumerang, nämlich RÜCKWIRKEND zu Lasten des Steuerzahlers. Und - obwohl wir in einer "Demokratie" leben, geht das meines Wissens UMGEKEHRT natürlich NICHT!
Schlimm finde ich allerdings, dass KEIN Steuerbürger den Auffassungen des Finanzamtes VERTRAUEN kann und darf - NICHT EINMAL, wenn diese SCHRIFTLICH abgegeben werden.
Beim Finanzamt und seinen Regelungen, Gesetzen verhält es sich genau so wie bei Politikern: "Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?"
Und das selbst schriftliche Vereinbarungen und Verträge so gut wie KEINEN WERT und Bestand mehr haben, zeigen zahlreiche Beispiele - angefangen von privaten Kaufverträgen, Mietverträgen, Kreditverträgen, Hypothekenverträgen - über den Maastricht-Vertrag bis hin zu diversen Friedensverträgen. Verträge, Vereinbarungen, Zusagen - egal ob mündlich oder sogar schriftlich - werden leider ständig von allen Parteien gegenseitig gebrochen - und zwar von allen Seiten - auch von Ländern, Regierungen, Banken, Versicherungen, Unternehmen, Einzelpersonen - und - wen wundert es? - eben auch vom Fiskus ;-)
Ich selbst gehöre noch zu der Generation "Handschlag-Vertrag". Auf mich und mein Wort konnte und kann sich jeder immer verlassen und mir vertrauen. Und bis auf wenige unrühmliche Ausnahmen konnte ich mich auch immer auf meine jeweiligen Geschäftspartner verlassen und ihnen vertrauen.
Heutzutage aber kann und darf leider kein Steuerzahler noch nicht einmal mehr der "schriftlichen Auskunft" eines Beamten vom Finanzamt trauen! Das finde ich bedenklich.
Denn allgemein, so scheint es mir, schwindet mehr und mehr sowohl das Grundvertrauen, als auch ein gewisses Maß an Rechttssicherheit, an Verlässlichkeit, an Regeln - am halbwegs Normalem in Bezug auf Regierungen,Politiker, Finanzamt, Banken, Medien - ja sogar teilweise verstärkt auch im menschlichen Umgang. Leider keine guten Voraussetzungen für funktionierende Demokratie. Hoffe, dass sich - aus welchen Gründen auch immer - die Werte allgemein wieder mehr in Richtung Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit, Verlässlichkeit, Vertrauen verschieben.
Aber gut - locker gesehen: Der Fiskus hat UNS ja auch noch nie vertraut - warum also sollten WIR IHM dann vertrauen :-)))
Beste Grüße
Kosto