Mit der Intel-Aktie beschäftige ich mich als ehemaliger Long-Zocker schon seit 1998. Long-Experimente unternahm ich zuletzt um 2004/2005 - ohne großes Plus.
Wie kommt es, dass Intel gestern nachbörslich trotz "Gewinnverzehnfachung" nicht nennenswert gestiegen ist (nachbörslich +0,17 %)? Die Antwort gibt der 10-Jahres-Chart unten. Alle Intel-Aktienkäufer, die oberhalb der roten Linie eingestiegen sind, sind mit ihrem Investment im Minus. Nicht wenige davon versuchen, zum Einstandskurs wieder rauszukommen. Dies bildet eine massive "Overhead Resistance", durch die die Aktie, die sich im Grunde seit 10 Jahren in einem leichten Downtrend befindet, kaum durchkommt. (Für europäische Käufer kommt noch erschwerend der Dollar-Verfall der letzten 10 Jahre hinzu). Weiterhin gibt es nur sehr wenige Shorts, so dass gute Zahlen keinen Eindeckungsdruck bringen.
Zur Zeit meiner letzten Long-Experimente um 2005 hatte Intel Quartalsumsätze von rund 10 Mrd. Dollar. Das hat sich bis heute nicht geändert. Im - traditionell starken - 4. Quartal 2009 lag der Umsatz bei 10,6 Mrd; Analysten hatten mit 10,2 Mrd. gerechnet. Umsatzmäßig hat es gegenüber 2005 also kaum Steigerungen gegeben. Die Margen sind seitdem jedoch gesunken, weil im Tech-Sektor eine schleichende Deflation herrscht (Computer und Notebooks werden immer billiger).
Das Intel-Loch vom letzten Winter (8,2 Mrd. Umsatz) war ein krisenbedingter Durchhänger. Die aktuelle Steigerung gegenüber dem Vorjahr, auch beim Gewinn, ist lediglich die Rückkehr zur Normalität. Man sollte aus der Anstiegs-Dynamik, die der Vergleich mit dem Vorjahr suggeriert (Basiseffekt), keine weiteren Steigerungen "herbei-extrapolieren".
Intel ist im gesättigten PC-Markt tätig. Die große Zeit der vier "Horsemen" Intel, Microsoft, Dell und Cisco war Ende der 1990er Jahre, als das Internet aufkam und Computer noch alle 2 Jahre nennenswerte Temposteigerungen aufwiesen. Seit etwa 2005 stagniert das Tempo jedoch. Lag 2005 die Obergrenze bei 3,2 GHz, so kommen die schnellsten heutigen Chips auf 3,6 GHz (Grund sind physikalische Grenzen, die technisch den Deckel draufhalten). Diese Tempo-Differenz gegenüber 2005 ist kaum bemerkbar. Erst Temposteigerungen ab 30 % sind subjektiv wahrnehmbar.
Die Branche versucht seitdem - getrieben von AMD - über Mehrfach-Kerne (mehrere Prozessoren auf einem Chip) Boden gut zu machen. So kamen erst 2-Kern- (dual core), dann 4-Kern- (quad core) Prozessoren. Doch gängige Software wie Office und Internetanwendungen nutzen und benötigen die Extrakerne nicht. Die Extrakerne verbraten daher nur untätig Strom und heizen die Rechner und Büros auf. Lediglich bei einigen Spezialanwendung wie Video-Encoding können die Mehr-Kerner punkten. Das heißt, dass Neukäufer seit 2005 keinen nennenswerten Tempogewinn mehr verzeichnen können (außer bei Spezialanwendungen).
Auch bezüglich der Software gab es in den letzten 10 Jahren keine großen Durchbrüche. Wirklich nennenswert war der Übergang von Windows 98 bzw. ME zu Windows 2000, weil hier die wackelige DOS-Basis, auf der Windows 98 aufsetzte, beseitigt wurde. Windows 2000 ist ein Unix-Abkömmling, der dank einer "Hardware Abstraction Layer" keine unbefugten und destablisierenden Speicherzugriffe von Programmen auf die Hardware mehr zulässt. IT-Kenner schrieben damals, dass Windows 2000 das erste Microsoft-Betriebssystem war, das diesen Namen wirklich verdient.
Windows XP, das 2001 herauskam, war lediglich ein Update von Windows 2000 mit schönerer Benutzeroberfläche. Man erkennt es daran, dass Windows 2000 intern als Windows 5.0 bezeichnet wird, Windows XP hingegen als Version 5.1.
Windows XP lief so gut, dass es für Microsoft schwer wurde, sich selber zu überbieten. Erst 2007 kam mit Windows Vista das nächste "major release" (Version 6) heraus. Vista war jedoch bekanntlich ein Riesen-Flop. Alles war anders, nichts war kompatibel, ständig nervten "Rückfragen". Ich hab letztes Jahr ein HP-Notebook mit vorinstalliertem Vista gekauft und nach einem Tag rumprobieren das bezahlte System entnervt gelöscht, um das zuverlässige XP aufzuspielen. Auch meine Desktoprechner laufen heute noch mit XP. Die Peinlichkeit von Vista wurde auf die Spitze getrieben, als manchen Vista-Rechnern Extra-CDs für einen "Windows-XP-Downgrade" beigelegt wurden, um den stockenden Absatz zu fördern.
Der Flop von Vista kam für die Chipbranche völlig unerwartet. Da Vista deutlich mehr Arbeitsspeicher benötigt, hatte die (Speicher-)Chipbranche bereits im Vorfeld viel Produktionskapazität aufgebaut. Vista blieb jedoch in den Regalen liegen, und ebenso die auf Verdacht im Voraus produzierten Speicherchips. Viele IT-Profis in den Firmen haben den Umstieg auf Vista schlicht verweigert. In der Folge kam es bei Speicher-Chips, der wohl zyklischsten Ware, die die Menschheit je produziert hat, zu einem extremen Preisverfall. Die extrem hohen Fixkosten für die Chipfabriken - neue Fertigungsanlagen unter Reinraumbedingungen kosten zig Milliarden - hatten sie dennoch am Hals. So kam es, dass viele Chiphersteller pleite gingen. In Deutschland traf es den Infineon-Ableger Qimonda. Auch Infineon hätte es fast erwischt.
Windows 7 verspricht nun einen "neuen Upgrade-Cycle" bei den Firmen. So sehen es zumindest die Chip-Analysten. Tatsächlich jedoch ist Windows 7 kein "major release", sondern lediglich ein aufgepepptes Vista, das auf dem selben schundigen "Kernel" (Grundprogramm) basiert. Zwar wurden viele Störfaktoren von Vista beseitigt, Microsoft hat aufwendige Kundentests vorgenommen. Doch es bleibt bei dem alten Kernel, so dass Windows 7 letztlich "alter Vista-Wein in neuen Schläuchen" ist.
Wenn Vista nicht so ein monumentaler Flop geworden wäre, hätte Microsoft dem vermeintlich neuen Betriebssystem nicht die neue Versions-Nummer "7" gegeben, sondern 6.1. Doch der Name Vista war derart "makelbehaftet", dass Microsoft aus Marketing-Gründen einen neuen Namen ersann. Letzlich jedoch ist Windows 7 nichts anderes als ein Vista-Update. Man hätte es ebensogut als "Servicepack" von Vista gratis weitergeben können.
Ich bezweifle daher, dass die Chip-Analysten mit ihrer Windows-7-Hoffnung (neuer Upgrade-Cycle) richtig liegen. Seit 2005 ist die Computer-Hardware nicht nennenswert schneller geworden, so dass auf der Hardwareseite kein wirklicher Handlungsbedarf besteht. Und auf der Softwareseite ist nach der bahnbrechenden Neuerung von Windows 2000/XP (Unix-Derivat statt DOS) auch nichts Nennenswertes (außer dem Vista-Flop) passiert. Wer Vista nicht brauchte, wird auch Windows 7 nicht brauchen.
Hinzu kommt, dass Firmen - die bekanntlich die Hauptkunden für IT sind - noch immer sparen und sich in einer latenten Bilanzrezession befinden. Durch die vielen Personalentlassungen stehen in vielen Firmen noch etliche ältere PCs (die ja kaum langsamer sind als moderne) ungenutzt rum. Gibt es für die Firmen wirklich einen Grund, nun für teures Geld die Hardware upzugraden? Dann müssen auch viele Anwendungsprogramme neu gekauft werden, weil Microsoft immer wieder das Kunststück fertig bringt, das alte Software zu neuen Betriebssystemen inkompatibel ist (ein Schelm, der Böses dabei denkt...)
PROGNOSE: Auf Grund dessen erwarte ich, dass auch Windows 7 nicht wie erhofft punkten wird. Der Upgrade-Cycle wird schwächer ausfallen, als Chip-Analysten erwarten. Entsprechend werden auch Prozessor-, Speicher-Chip- und PC-Händler-Aktien keine großen Sprünge nach oben ausführen (man schaue nur mal den Dell-Chart über 10 Jahre an...). Dass es im Vorfeld zu Windows 7 bei Intel, den Speicherherstellern und PC-Händlern mal wieder einen hoffnungsgetriebenen Lageraufbau ("Inventory Restocking") gegeben hat, ist "vorauseilender Gehorsam". Werden die Erwartungen wie bei Vista nicht erfüllt, droht der gesamten Chip- und PC-Branche das nächste zyklische Downleg. In der Anfangsphase neuer Betriebssysteme kaufen vor allem PC-Freaks, die immer das Neueste wollen. Sie sorgen für anfangs deutlich steigende Umsätze. Doch ob dann die Firmen folgen, steht in den Sternen. Bei Vista folgten sie definitiv nicht.
