In Europa (und USA, der FTD-Artikel unten beleuchtet die Lage in der EU) befinden sich immer mehr hochverschuldete Firmen und ihre Gläubiger (inkl. Gläubigerbanken) in einer forcierten, sich beschleunigenden Abwärtsspirale. Die hohen Kredit-Spreads bei den Unternehmensanleihen gegenüber Staatsanleihen kommen nicht von ungefähr. Die Börsen ignorieren die zunehmenden Probleme durch immer weitere Höchststände. Bleibt spannend, wie lange diese "Schere" noch weiterlaufen kann. Die Börsengeschichte lehrt, dass die Bond-Investoren meist die bessere Nase haben. Das ist kein Wunder, denn bei ihnen stehen mickrige Renditen von vielleicht 5 % potentiell hohen Ausfällen (100 % des Einsatzes) gegenüber - das "sensibilisiert".
Charttechniker würden von einer Divergenz zwischen wachsender Pleitegefahr (fallende Anleihekurse) und immer weiter steigenden Aktienkursen sprechen, die diese Pleitegefahr ignorieren. Psychologen sprechen von Rinderwahnsinn.
In USA eröffnet Chrysler heute den Pleite-Reigen. Obama und Co. versuchen dem Ganzen den Anschein einer geordneten Abwicklung zu geben, auch bei GM. Tatsächlich aber sterben hier ehemalige Ikonen der USA. Bei GM wird durch die nun schon seit Wochen laufende Vorankündigung der Pleite, die für 1. Juni "geplant" ist, versucht, die Märkte lange im Voraus auf das Unvermeidliche einzustimmen. Kommt dann die Pleite, ist sie bereits eingepreist, so die Hoffnung. Gerade bei GM aber könnte der Ausfall der Bonds - Gesamtwert: über 300 Mrd. Dollar - für weltweite Nachwehen im Bankensystem sorgen (schon die Pleiten von Enron und Worldcom in 2002 zoge erstaunlich weite Kreise).
Ob die Bond-Investoren sich mit den vorgesehenen debt-to-equity Swaps wider Willen "zu Aktionären stempeln" lassen wollen, bleibt fraglich. Zum einen wegen der massiven Kursverwässerung, die solche Transaktionen - sofern sie Chapter 11 vermeiden sollen - zwingend mit sich bringen. (Finden sie im Rahmen einer Chapter 11 Pleite statt, ist die Kursverwässerung kleiner, weil die Altaktionäre leer ausgehen.) Zum anderen wegen der nach wie vor trüben Zukunftschancen - insbesondere im US-Automobilbau. Ein Bondhalter bekommt nach ein paar Jahren seinen Einsatz voll zurück (sofern keine Pleite kommt), während Aktien die Schieflage widerspiegeln und kontinuierlich mit nach unten sacken. Die Pleite von GM kommt ja vor allem aus Unternehmensfehlern wie einer verfehlten Modell-Politik. Dazu kommen strukturelle Gründe wie die sehr starken US-Autogewerkschaften, die im Zeitalter der Globalisierung nicht mehr tragfähige Löhne durchsetzen.
FTD
Firmenpleiten
Gläubigern rennt die Zeit davon
Wegen wegbrechenden Erträgen können zahlreiche europäische Unternehmen ihre Schulden nicht mehr bedienen und verletzen Kreditauflagen. Laut einer Studie der Ratingagentur S&P wird die Zeit bis zur Insolvenz immer kürzer.
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In Europa brechen Unternehmen reihenweise ihre Kreditauflagen. Für die Gläubiger sind das alarmierende Nachrichten. Denn: Die Zeit zwischen Vertragsbruch und Insolvenz wird laut einer am Mittwoch veröffentlichten Studie der Ratingagentur Standard & Poor (S&P) immer kürzer. Damit steigt die Gefahr von Abschreibungen.
Auf Basis einer Analyse von 750 Firmen mit einer spekulativen Bonitätsnote kommt S&P für das Jahr 2008 auf 59 Verstöße. Das entspricht einem Anstieg von 90 Prozent. Durchschnittlich sechseinhalb Monate nach der Verletzung folgte die Insolvenz. 2006 und 2007 habe der Wert noch bei acht und zwölf Monaten gelegen.
"Wir gehen davon aus, dass der Zeitdruck weiter steigen wird. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Banken nicht mehr helfend einspringen, weil sie selbst unter Kapitalnot leiden", schrieb Analyst Taron Wade. Dass die Banken seltener helfend einspringen, hat wohl auch damit zu tun, dass 43 Prozent der Pleitekandidaten bereits zuvor rekapitalisiert oder restrukturiert wurden. Das bedeutet: Mehrere Chancen werden nur noch in Ausnahmefällen gewährt.
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In Europa und den USA wird 2009 mit einer Pleitewelle gerechnet: Erträge brechen im Zuge der weltweiten Rezession weg, gleichzeitig können Kredite nur schwierig umgeschuldet werden. Laut der Ratingagentur Moody's lag die Ausfallquote bei Unternehmen mit einer spekulativen Bonitätsnote im ersten Quartal in den USA bei 7,4 Prozent. Zum Vergleich: Der historische Durchschnitt beträgt fünf Prozent. Die Ratingagentur geht davon aus, dass die Quote im Laufe des Jahres bis auf 14,1 Prozent klettern wird.
Seit Jahresbeginn hätten laut S&P nur sieben europäische Firmen ihre Kreditauflagen verletzt. "Wir rechnen aber damit, dass die Zahl im ersten Quartal größer werden wird", schrieb Analyst Wade. Besonders betroffen seien der Einzelhandel, die Bauindustrie, der Automobilsektor sowie die Branchen Nahrungsmittel, Unterhaltung und Chemie.
FTD.de, 29.04.2009
In Deutschland sieht die Lage nach den Pleiten von Traditionsfirmen wie Schießer, Märklin, Karman, Rosenthal usw. insbesondere bei Karstadt (Arcandor) übel aus: Arcandor steht mit dem Rücken zur Wand.
Bedenklich ist die Kreditlage weiterhin bei ProSieben/Sat1, Schaeffler/Continental, Heidelberger Cement, TUI und Infineon, die alle um ihre Kredite zittern müssen. Von Banken wie der HRE ganz zu schweigen.