Venture-Capital – Portrait
SEM_Special Private_Equity_2009
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I m Berner Seeland reift jede Menge
junges Gemüse. Dazu braucht es einen
ergiebigen Boden und die natürliche
Sonne. Vielleicht ist es diese Kombination,
welche den Solarmodulbauer 3S Swiss Solar
Systems zum Erfolg geführt hat. Aus dem
ländlich beschaulichen und bodenständigen
Bernbieter Lyss hat sich jedenfalls ganz
rasant ein integrierter Solarkonzern aufgebaut.
Am Zentweg, einer Industriezone
am Rande der Stadt Bern, nahm alles 2001
seinen Anfang, als sich bereits erfahrene
Techniker der Solarenergiebranche zusammentaten
und die 3S Swiss Solar Systems
gründeten. Bis ins Jahr 2005 werkelte das
Unternehmen unbeachtet. Dann wagte das
Team im richtigen Moment den Gang an
die Berner Börse. Bedeutendster Aktionär
war mit stellenweise über 50% der Aktien
die Beteiligungsgesellschaft New Value. Mit
dem Börsengang wurde der Freefloat erhöht
und den Schweizer Publikumsaktionären
History
• 2001 Gründung der 3S Swiss Solar
Systems. Das Unternehmen entwickelt
und produziert zunächst
gebäudeintegrierte Solarmodule.
• 2002 stieg die Investmentgesellschaft
New Value mit einer ersten
Venture-Capital-Finanzierung ein.
• 2005
• Verkauf des ersten 3S Laminators
an einen Grossproduzenten von
Solarmodulen.
• Verkauf von manuellen
schlüsselfertigen
Linien für die
Solarmodulproduktion.
• IPO an der Berner Börse (BX).
• 2006 Break-even wird erreicht.
• 2007 Akquisition von Pasan
(Schweiz), führendes Unternehmen
im Bereich Testen und
Messen
• 2008
• Akquisition von Somont
(Deutschland), führendes Unternehmen
im Bereich Stringen/
Zellverbindung
• Kapitalerhöhung zur Finanzierung
der Übernahme
• Verkauf der ersten halbautomatischen
Produktionslinie für die
Solarmodulproduktion
• Markteinführung vollautomatisierter
Produktionslinien
• 2009
• Auslieferung des vollautomatischen
«Back-Ends» einer Produktionslinie
• Vertriebs- und Servicegesellschaften
in Hongkong und
Singapur
zum ersten Mal eine einheimische Solaraktie
schmackhaft gemacht. Am 19. September
startete man an der Bern eXchange und
im Frankfurter Freiverkehr gleichzeitig. Die
zu 2,10 CHF aufgelegten Aktien notierten
bereits zum Jahresende um 174% höher bei
5,75 und bestätigten damit rein kurstechnisch
die sich schon 2004 und im Laufe des
Jahres 2005 abzeichnenden Umsatzsprünge
im boomenden Solarzellenmarkt.
Auf Sand gebaut
Um Photovoltaikzellen zu bauen, braucht es
Silizium (Siliziumdioxid genaugenommen)
wie er als Hauptbestandteil reinen Sandes
vorkommt. Auf dem Weg zum Solarmodul
werden aus SiO², so die genaue chemische
Formel, einerseits grosse kristalline Blöcke
aus aufgeschlossenem Rohsilizium gegossen
und anschliessend in kleine Blöcke gesägt.
Diese werden zu Wavern verarbeitet, und
daraus entstehen Photovoltaikzellen mit
Text: Robert Jakob
Foto: Thaut Images
Auf der Sonnenstrasse
Das ist eine Entwicklung in Lichtgeschwindigkeit: 3S Swiss Solar Systems
wuchs von einem Start-up in weniger als fünf Jahren
zu einem der bedeutendsten Arbeitgeber der Region heran.
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hohem Wirkungsgrad, aber auch im Verlauf
des Produktionsprozesses jede Menge
Abfall, denn wo gesägt wird, fallen bekanntlich
auch Späne an, selbst wenn diese aus
Glas sind.
Bis zu 500mal dünnere photoaktive
Schichten lassen sich andererseits durch
Aufdampfen von eher ungeordnetem (sogenanntem
amorphem) Silizium auf verschiedene
Trägermaterialien erreichen. Die
daraus gewonnenen Photovoltaikzellen sind
billiger, haben aber einen geringen Wirkungsgrad.
Sie wandeln nur etwa 6 bis
10% der eingefangenen Sonnenstrahlen in
elektrische Energie um. Eine einzelne Photovoltaikzelle
reicht bei Weitem noch nicht
aus, um viel Strom zu erzeugen, und genau
hier setzt die Wertschöpfung von 3S ein.
Die Solarzellen müssen schnell und sauber
untereinander verknüpft (gelötet) werden.
Damit werden sie zu einer Kette (String).
Die Ketten werden weiter zu einem Netz
verlötet und dann in ein leicht weiterzuverarbeitendes
Sandwich aus Glasplatten und
Verbundfolien gezwängt. Das nennt man
in der Fachsprache Lay-up. Anschliessend
wird das Ganze unter Vakuum, Druck und
konstanter Hitze verbacken (laminiert). Das
muss schnell und reproduzierbar passieren,
denn sonst könnte beispielweise eine fürs
Hausdach vorgesehene Sonnenzellen-Eindeckung
undicht werden. Von Löttischen
bis kompletten Laminierstrassen bietet 3S
alles, was die Photovoltaikindustrie in der
Produktion begehrt, und vor allen Dingen
sind die Löttische, Laminatoren, Kühlpressen
etc. modular und schnell. «Wir können
heute das grosse Photovoltaik-Know-how
nutzen, das sich in der Schweiz seit den 70er
Jahren entwickelt hat», so 3S-CEO Patrick
Hofer-Noser zur Basis des Erfolgs.
Die Kunst des Lichts
Seit 3S im Jahr 2008 den deutschen «Stringer
» Somont übernommen hat, rollt der
Verkauf ganzer Fertigungsstrassen zu Preisen
in Millionenhöhe, denn das Unternehmen
kann vertikal in der Produktionskette auch
die vorgelagerten Arbeitsgänge der Zellprüfung
und Zellverlötung bis zur Querverschaltung
anbieten. Die nachgelagerten
Schritte des Laminierens, Kantenbearbeitens
und Rahmens sind die ursprünglichen
Kernkompetenzen der 3S, die sich jetzt
nach der rund 70 Mio. EUR teuren Übernahme
von Somont 3S Industries nennt, da
sie mehrere Unternehmensbereiche unter
einem Holdingdach vereint. Dazu gehören
unter anderem noch eine amerikanische
Tochter sowie der Leistungsmesser Pasan
aus Neuchâtel, welcher 2007 übernommen
wurde. Fertig zusammengebaute Solarmodule
werden einer strengen Qualitätsprüfung
unterzogen. Sie werden künstlich besonnt.
Xenonlampen schiessen Lichtpulse auf die
Zellen. Mit vorgeschalteten Filtern wird
diffuses Licht, wie es in unseren Breiten nun
mal häufiger vorkommt, nachgestellt. Erst
wenn alle Leistungswerte stimmen, werden
Solarmodule aus der Fabrik entlassen.
Vernetzung auch bei den Firmen
Die vertikale Integration hat aus dem kleinen
Lysser Unternehmen ein forsch expandierendes
KMU gemacht. Waren 2004, drei
Jahre nach Gründung, bloss 17 Personen
für 3S tätig und 2005 noch 22, ging es in
den folgenden drei Jahren seit dem Börsengang
Schlag auf Schlag. Verdoppelte sich die
Mitarbeiterzahl Ende 2006 auf 42, waren es
2007 bereits 113. Durch die Übernahmen
sind es nun über 300. Noch beachtlicher
ist das Umsatzwachstum: Von knapp 4 Mio.
CHF im 2005 ging es auf über 10 Mio.
im darauffolgenden Jahr und auf über 25
Mio. CHF im 2007. In der Bilanz 2008
stehen 101,8 Mio. CHF Umsatz zu Buche
und ein schönes Konzernergebnis von 9,5
Mio. CHF: Das ist mehr als das Doppelte
dessen, was die Firma noch vor 3 Jahren als
Umsatz auswies. Gemessen am sogenannten
PEG-Ratio, einer Kennzahl für den Wert
von Wachstumsaktien, ist 3S an der Berner
Börse deutlich unter 1 bewertet und damit
günstig zu haben.
Dass es auch einmal holpriger wird, musste
3S zu Beginn des Jahres 2009 erfahren.
Die Produktion in Lyss war im Frühjahr
2009 plötzlich nicht voll ausgelastet, was der
Investitionszurückhaltung und dem generellen
Lagerabbau während der Wirtschaftsund
Finanzkrise anzukreiden war. Einige
Grosskunden zögerten Einzelprojekte
hinaus. Dies betraf das Geschäft mit Laminierstrassen,
welches in Kurzarbeit geschickt
wurde. Lange sollte es nicht dauern, bis die
Bestellungen wieder hereinflattern, denn
im Vergleich zum Standardprozess erhöhen
die 3S-Laminiermodule den Durchsatz um
das Dreifache. Sobald der Erdölpreis wieder
anzieht, dürfte der Boom bei Solarzellen
erneut Fahrt aufnehmen. Da die Schweiz
mit Meyer Burger, dem Spezialisten für
Sägemaschinen kristalliner Zellblöcke, einen
weiteren weltweiten Marktführer besitzt, ist
auch die Vision einer komplett integrierten
Schweizer Solarindustrie in Reichweite. n
Foto: ZVG
Rolf Wägli
ist Präsident des Verwaltungsrates von New Value AG und EPS
Value Plus AG. Eine Gruppe von Investoren aus dem Umfeld
von EPS unterstützte das Team von Ingenieuren der 3S im
Jahre 2001 mit einer Anschubfinanzierung als Business Angel.
Sechs Monate später hatte sich der Businessplan konkretisiert,
und das Unternehmen war bereit für eine erste Wachstumsfinanzierung
durch die New Value AG. Der noch junge
«Garagenbetrieb» entwickelte, produzierte und verkaufte in
die Gebäudehülle integrierte Solarmodule. Bald erkannte die
Geschäftsleitung, dass das vorhandene grosse photovoltaische
Fachwissen auch für die Entwicklung von Produktionsanlagen
genutzt werden konnte, was zum Aufbau eines zweiten
Geschäftsbereichs führte. New Value investierte stufenweise
weiteres Wachstumskapital zusammen mit neuen, institutionellen
Kapitalgebern. EPS-Verwaltungsrat Rolf Wägli übernahm
das Präsidium des Verwaltungsrates der 3S und trieb die
schrittweise Institutionalisierung des Unternehmens voran.