Hier noch einmal der Link zum Marketwatch-Artikel, den Maxgreen in # 327 gepostet hatte:
www.marketwatch.com/story/...s-about-the-us-economy-2010-06-29
Mein Kommentar dazu:
Der Artikel kritisiert im ersten Punkt völlig zutreffend, dass die offizielle AL-Quote von 9,7 % unrealistisch niedrig ist, und weist darauf hin, dass man U-6 verwenden sollte, die bei 16,6 % liegt. De facto sei fast jeder vierte arbeitsfähige Mann in USA zwischen 25 und 65 unterbeschäftigt oder arbeitslos.
Im zweiten Punkt wird bezweifelt, dass es im Bondmarkt "Panik" gäbe. Zitiert werden die niedrigen Bond-Renditen in USA, wo 10-jährige unter 3 % rentieren und 30-jährige unter 4 %. Das ist nahe historischen Tiefständen und ein Hinweis auf Deflationserwartung. Das Argument, es gäbe daher keine Panik am Bondmarkt, ist jedoch unzutreffend, weil hier allein der US-Bondmarkt untersucht wird. Er ist aber keinesfalls losgelöst von der Restwelt, sondern im Gegenteil der "sichere Hafen", den z. B. europäische Renten-Fonds ansteuern, die gerade ihre Griechenanleihen wegen Junkrating raushauen mussten. Wohin mit dem Geld? Im Zweifel erst mal in US-Treasuries. Es ist als gerade die Bondpanik in Europa (siehe Spreads der PIIGS zu Bundesanleihen), die den US-Bondsmarkt die historisch tiefen Renditen beschert. Sie sind ein Ausdruck der Euro-Bondkrise. Da die Eurozone inzwischen ein größerer Wirtschaftsraum ist als USA, kann man - Bubblevision zum Trotz - hier sehr wohl von einer Panik im Bondmarkt sprechen, nur halt (noch) nicht im amerikanischen.
Im dritten Punkt wird bestritten, dass USA in eine Art Stamokap-Sozialismus abgleitet. Als "Beweis" wird angeführt, dass die Gewinnmargen der US-Firmen zurzeit bei 36 % liegen - ein historischen Höchststand. Fakt aber ist, dass die hohe Profitabilität der US-Firmen daher herrührt, dass sie brutal rationalisiert, d.h. bis an die Schmerzschwelle Leute entlassen haben. Derart "lean to the bone" haben sie sehr niedrige Lohnstückkosten (resultierend aus der Umverteilung der Arbeit der Entlassenen auf die verbliebenen Arbeitskräfte = Arbeitshetze). Normalerweise würden die vielen Entlassung allerdings summiert zu einem deutlichen Rückgang der Binnennachfrage führen. Die Firmen müssten dann mit den Preisen runter (= Deflation), was die Einspareffekte aus der "Arbeitshetze" zunichte machte.
Hier ist es aber gerade die in Punkt 2 (boomender US-Bondmarkt) erwähnte überbordende Staatsverschuldung, die für eine befristete künstliche Massen-Nachfrage (via Transfers) aus dem "Staatssäckel" sorgt. Die US-Firmen kommen so - temporär - in den Luxus fast ungebrochen hoher Nachfrage bei gleichzeitiger starker Rationalisierung. Ergebnis waren die "guten Zahlen" im ersten Quartal, die zudem durch Vergleich mit dem sehr schwachen Vorjahresquartal geschönt wurden.
Querschüsse hat in # 315 aber überzeugend nachgewiesen, dass die Kaufkraft in USA nur dadurch erhalten wurde, dass immer mehr Stellen im inzwischen grotesk aufgeblähten Regierungs-Sektor, zu dem auch die mit Hunderten Milliarden Dollar gepäppelte Rüstungsindustrie zählt, geschaffen wurden. Gleichzeitig sank die Stellenzahl im verarbeitenden Gewerbe, und die Löhne in diesem Sektor ganz besonders. Das Geld für die neuen Regierungsstellen stammt auch der stark gewachsenenen Staatsverschuldung, geht daher in Richtung "Transfer-Hilfen". Die vielen Däumchen-Dreher in den neuen Regierungsposten halten zwar pro forma den US-Konsum am Laufen, sie produzieren aber sehr wenig. Das Geld, das sie "verkonsumieren", stammt aus der Neuverschuldung. Dies ist auch der Grund, warum solche Staatspäppel-Programme auf Dauer immer ineffektiver werden. Um 1 Dollar BIP-Wachstum zu erzeugen, müssen inzwischen über 6 Dollar Päppelgelder aufgewendet werden. Tendenz: Weiter steigend.
Allein dies zeigt, dass die Hoffnung, dem Staatsgepäppel würde ein selbsttragender Aufschwung folgen, illusionär ist. Das einzige, was sicher steigt, ist die Staatsverschuldung, die bereits jetzt kritische Höhen erreicht hat.
FAZIT: Die "Strategie" des Artikels besteht darin, in Punkt 1 auf etwas Wahres hinzuweisen (AL-Zahlen sind künstlich zu niedrig angegeben). Daraus wird dann "Kredenz" geschöpft für die schon wackeligere Behauptung, es gäbe keine Panik an den Anleihemärkten. In Punkt drei wird dann das eigentliche strategische Anliegen präsentiert: Dass nämlich das Staatsgepäppel fortgesetzt werden müsse (= offizielle Obama/Krugman-Doktrin). Denn der Bondsmarkt gibt es ja her (Halblüge aus Punkt 2) und außerdem sei bereits zu Reagans Zeiten auf Staatskosten geprasst worden.
All dies unterschlägt, dass die aktuellen US-Probleme die Folge von über 20 Jahren kumulierter Miss- und Blähwirtschaft sind, die in der Tat unter Reagan begann. Zu argumentieren, dass es damals ja gut gegangen sei, ist ein Zirkelschluss. Denn die aktuelle Finanzkrise und insbesondere die europäische Staatenkrise zeigen, dass nun die - teuren - Rechnungen für 20 Jahre Zockersause fällig werden. Genau diesem Problem stellt sich die Restwelt, indem sie nun "Rückzahlen" und "Unwind" favorisiert - den USA zum Graus. Das ist der Kern des aktuellen Zwists zwischen USA (wollen weiterpäppeln) und der Restwelt (sieht ein, das gespart werden muss).
Der Bubblevision-Artikel ist die trickreich konstruierte argumentative "Krücke" dafür.
Wie lügenhaft er selber ist, zeigt unfreiwillig folgender Satz:
(Verkleinert auf 99%)