Neuen Kapitalrahmen für Freenet versagt
Auch Satzungsänderung abgelehnt - Drillisch-Chef Choulidis scheint Verhandlungen erzwingen zu wollen
Börsen-Zeitung, 1.7.2011
m. Hamburg - Mit Drillisch hat Freenet "per heute keine Gespräche oder anderweitige Verabredungen geführt". Dies unterstrich Freenet-Chef Christoph Vilanek in der Hauptversammlung mehrfach. Auch mit ihnen habe "keiner im Vorfeld über die Tagesordnung gesprochen", sekundierte Drillisch-Chef Paschalis Choulidis (21 %) vor den Aktionären.
Im Abstimmungsgang wurde aber deutlich, dass Drillisch Druck macht: Ein neues genehmigtes Kapital wurde mit 76,1 % Neinstimmen abgelehnt. Freenet hatte dabei nur einen Rahmen von 5 % des gegenwärtigen Kapitals beantragt. Auch eine Satzungsänderung, mit der Freenet den Geschäftszweck erweitern wollte, wurde versagt. So erzwingt man Verhandlungen.
Die künftige Rolle von Drillisch stand im Mittelpunkt der diesjährigen Hauptversammlung. "Wir spielen keine Sonderwurst", hatte Choulidis betont. Sein Vertreter im Aufsichtsrat, Christof Aha, hatte nach etwas hin und her erklärt, er habe sich bei der Beschlussfassung über die diesjährige Tagesordnung bei kritischen Fragen wie etwa derjenigen über ein neues genehmigtes Kapital der Stimme enthalten und im übrigen bei der Anpassung der Satzung einer Verbreiterung des Gegenstandes zugestimmt.
Als absolut unbefriedigend empfand es eine Aktionärsgruppe um Bernd Günther vom Verein der freien Freenet-Aktionäre ("wir sind heute mit 30 Leuten da"), dass es keinerlei Hinweise für die Aktionäre gab, wer in der anschließenden Aufsichtsratssitzung zum neuen Vorsitzenden gekürt werden soll, nachdem Thorsten Krämer mit Ablauf der Hauptversammlung ausschied und dieses Amt aufgab.
Auch der altgediente Helmut Thoma verließ den Aufsichtsrat, nicht ohne noch einmal auf "die lieben kleinen Heuschrecken" hinzuweisen, die ihm bei Freenet über den Weg gelaufen seien. Im Rahmen der Nachwahlen zum Aufsichtsrat hatte Drillisch die beiden Steuerberater Niclas Rauscher und Hartmut Schenk vorgeschlagen.
Das Thema Heuschrecken wurde auch von Aktionär Manfred Klein aufgegriffen: "Permira hat vergessen, ihre zwei Kinder mitzunehmen." Permira hatte im Zusammenhang mit der Debitel-Übernahme zwei Kontrolleure bei Freenet installiert, die dort immer noch sitzen. Die Kleinaktionäre haben Sorge, dass einige "trojanische Pferde" unterwegs sind. Die Neuwahl des gesamten Aufsichtsrats steht bei Freenet im kommenden Jahr an.
"Drillisch hat die Kraft, alle Entscheidungen zu bestimmen", sagte Klein mit Blick auf die niedrige Präsenz von 42 %. Der Free Float bei dem Mobilfunk-Provider beträgt derzeit rund 75 %. Gleichwohl sitzen keine Vertreter der Kleinaktionäre im Aufsichtsrat. Mehrere Sprecher artikulierten die Hoffnung, dass bei Freenet "nicht dauerhaft neuer Ärger aufkommt". Mehrmals schien es so, dass sich die Hauptversammlung in der Frage des künftigen Aufsichtsratsvorsitzenden, des Abstimmungsverhaltens des schon im Aufsichtsrat sitzenden Drillisch-Vertreters Aha oder hinsichtlich einer Dividendenaussage für 2011 verkeilen würde. Dies konnte knapp vermeiden werden.
Man strebe auch für 2011 wieder eine Dividende von 0,80 Euro an, sagte Vilanek. Entsprechend der Dividendenformel, dass "40 bis 60 %" des Free Cash-flow ausgeschüttet werden sollen, könnte dies bei einem höheren Free Cash-flow auch 1 Euro werden. Das sei "denkbar", falls nicht noch etwas Unvorhergesehenes passiere.
Finanzvorstand Joachim Preisig will im laufenden Jahr die Verschuldung um 100 Mill. Euro abbauen. Ende 2010 verfügte Freenet noch über 3 Mrd. Euro an körperschaftsteuerlichen und 2,5 Mrd. Euro an gewerbesteuerlichen Verlustvorträgen, erläuterte der Manager.
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