Die Marketingflops 2001 (Top 20)

Beitrag: 1
Zugriffe: 293 / Heute: 1
Die Marketingflops 2001 (Top 20) Happy End

Die Marketingflops 2001 (Top 20)

 
#1
2001 war ein gutes Jahr für Schadenfrohe - und ein schlechtes für manche Marketing-Experten, die sich unsterblich blamierten. Die Uni Duisburg vergibt jetzt erstmals einen Anti-Oscar, den "Goldenen Marketingflop". Heiße Kandidaten: VW mit dem "Phaeton" und RTL mit dem Mogel-Millionär.

Die Filmindustrie hat ihre "Goldene Himbeere", der Jetset die Liste der schlimmsten Modesünden, und jetzt soll auch die Werbebranche ihren "Anti-Oscar" bekommen. Die Universität Duisburg vergibt erstmals den "Goldenen Marketingflop".
Auszeichnungen für erfolgreiche Marketing-Kampagnen gibt es an jeder Ecke. Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis auch die unfreiwillig amüsanten Missgriffe der Branche an den öffentlichen Pranger gerieten, zumal das Ausmaß ihrer Dummheit den Betrachter in stiller Ehrfurcht erstarren lässt.

Die französische Wintersport-Region Savoyen etwa schickte 25.000 Briefe mit Kunstschnee an potenzielle Urlauber - im Oktober 2001, dem Höhepunkt der Milzbrandpulver-Hysterie. Die Urlaubsstimmung der Betroffenen donnerte in Schussfahrt talwärts, dafür aber waren die Mitarbeiter der Postämter nach der Aktion urlaubsreif. Bleibt zu hoffen, dass sie nicht den Sommer verpassen wie der Mobilfunk-Anbieter Vodafone, der im Oktober mit Sprüchen wie "Der Sommer wird heiß" auf Kundenfang ging.

Antikes Crash-Kid als Namenspatron

Vor die Wand gefahren ist die Volkswagen AG mit dem Namen für ihre neue Luxus-Karosse. "Phaeton" klingt zwar schön, ist aber auch der Name des ersten Crash-Kids in der Geschichte. Der Sohn von Sonnengott Helios (Phaeton) borgte sich Papis geflügelten Wagen (auch Phaeton). Was er besser gelassen hätte. Den Filius schleuderte es heraus, und am Ende stand die Welt in Flammen. Kommentar eines VW-Sprechers: Der Wagen hat alles ohne Macke überstanden. Inzwischen allerdings geht das Gerücht, VW wolle sich vom umstrittenen Namen verabschieden.

Auch die Politik hat Chancen auf den Goldenen, Silbernen oder Bronzenen Marketingflop. Heiße Anwärter auf einen der Preise sind Rudolf "Bin Baden" Scharpings Plansch-Fotos mit Gräfin Pilati in der "Bunten" und das Renten-Plakat der CDU mit Kanzler Schröder in Verbrecherpose.

Brautschau mit Pannen

Die Medien bleiben ebenfalls nicht ungeschoren: Die Bild-Zeitung bekommt ihr Fett weg für das fingierte Foto, das Umweltminister Trittin als Teilnehmer einer angeblichen Gewalt-Demo zeigt. Mit fiesem Nachtreten darf auch Sat.1 für die zeitweilige Verlegung der "ran"-Fußballshow auf 20.15 Uhr rechnen. RTL leistete sich derweil eine fette Blamage mit der "Ich heirate einen Millionär"-Show, in der ein reicher Mann völlig spontan und vor laufenden Kameras eine Braut auswählen sollte - mit der er, wie sich später herausstellte, bereits ein Verhältnis hatte. Und das auch noch, ohne wirklich Millionär zu sein.

Die Ausrufung des "Marketingflops" gehörte zu den ersten Amtshandlungen von Markus Voeth, 33, seit März vergangenen Jahres Professor für Marketing an der Duisburger Gerhard-Mercator-Universität. Er schickte seine Studenten auf die Suche nach den Lachern der Werbebranche, unterstützt von Lesern des Magazins "Absatzwirtschaft", das die Aktion unterstützt. Die 20 schlimmsten Werbe-Sünden des vergangenen Jahres stehen derzeit im Internet zur Abstimmung.

"Es gibt schon zu viele positive Awards", schmunzelt Voeth. "Viele Unternehmen bauen dagegen einfach Mist. Es ist Zeit, ihnen den Spiegel vorzuhalten." Zugleich könne die Universität mit einer solchen Aktion beweisen, dass Forschung "nicht nur im Elfenbeinturm stattfindet" und dem Verbraucher ein "Ventil" für seinen Frust geben.

Wie pünktlich ist die Bahn wirklich?

Als Beispiel nennt Voeth die Pünktlichkeits-Kampagne der Deutschen Bahn, deren Züge nach eigenen Angaben in über 90 Prozent der Fälle pünktlich sind. Eine Untersuchung der Stiftung Warentest im August 2001 brachte ein ganz anderes Ergebnis: Von 14.000 Zügen seien 41 Prozent verspätet gewesen. Der Grund für die Differenz: Für die Bahn ist ein Zug erst dann zu spät, wenn er mehr als fünf Minuten dem Plan hinterherhinkt. Der Stiftung Warentest aber reichten zwei Minuten.
 
Die "Marketingflop"-Umfrage läuft noch bis zum 31. Januar. Über das einfache Abstimmungsergebnis hinaus erwartet Voeth weitere Resultate, da die Teilnehmer der Aktion nicht nur ihre drei Flop-Favoriten wählen, sondern auch Angaben über ihr Alter und ihre berufliche Stellung machen können.

Voeth will die Auszeichnung "Marketingflop" zur festen Institution machen - nicht nur des Unterhaltungswerts wegen. "Wenn wir Ergebnisse aus zehn Jahren haben, können wir viel tiefer gehende Analysen wagen und die Gründe finden, aus denen Kampagnen zu Flops werden." Der Forscher hat seine Studenten bereits wieder auf die Suche geschickt: "Wir fahnden jetzt nach den Marketingflops 2002."

Dumm gelaufen mal 20 - die Kandidaten der Wahl zum "Marketingflop 2001" im Überblick:


Nr. 1: D2 Vodafone geht mit Slogans wie "Telefonieren, was der Sommer hält" und "Der Sommer wird heiß" auf Kundenfang - allerdings mitten im Herbst.

Nr. 2: Als Firmenschild ein Bettlaken mit Spraydosen-Schriftzug, vor der Tür ein Berg von Unrat: Ein Staubsaugerservice-Vertriebsbüro leistet sich in Siegen einen wenig branchengerechten Auftritt.

Nr. 3: Das französische Wintersportgebiet Savoyen hält es für pfiffig, Kunstschnee per Post zu verschicken - mitten in der Hysterie um Milzbrandpulver-Briefe.

Nr. 4: Die Firma Telegate, bekannt geworden mit dem Spruch "Da werden sie geholfen", lässt Werbeslogans mit weißer Farbe auf die Düsseldorfer Königsallee aufsprühen. Dass die Farbe dann von den Schuhsohlen betuchter Kunden auf die Teppiche ortsansässiger Edel-Shops übergeht, treibt deren Inhabern die Zornesröte ins Gesicht. Das Ende vom Lied: Die Stadt lässt die Sprüche entfernen - und schickt Telegate die Rechnung.

Nr. 5: RTL legt mit der Kuppel-Show "Ich heirate einen Millionär" eine klassische Bauchlandung aufs TV-Parkett. Vor laufenden Kameras soll ein Millionär aus einer Truppe wildfremder Frauen seine Zukünftige aussuchen. Was er auch tut. Der Haken an der Sache: Der Mogel-Millionär kannte seine Favoritin bereits - und zwar intim, wie gemunkelt wird. mehr...

Nr. 6: Millionärs-Hochzeit, die Zweite: August Gerstner, der Schmied des Traurings, wirbt noch einen Monat nach der RTL-Pleite damit, dass sein Produkt die Schwindel-Ehe zementierte.

Nr. 7: Die CDU will "Schluss mit dem Renten-Betrug" machen und bildet Kanzler Schröder in Verbrecherfoto-Manier ab. Einen schnellen Schluss gibt es in der Tat, allerdings den der CDU-Kampagne. Auch eine Bestrafung fehlt nicht: Der neue CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer wird für seinen geistigen Erstling durchs politische Dorf geprügelt, was auch Angela Merkel ein paar blaue Flecken beschert.

Nr. 8: Was hat der Mann nicht schon alles an den Füßen gehabt: bluttriefende Soldatenstiefel, Mokassins, Schwimmhäute. Jetzt scheint Hollywood-Star Kevin Costner an hochhackigen Damen-Pumps Gefallen zu finden. Das suggeriert zumindest die Werbung des Schuh-Herstellers Valleverde, die das Konterfei des Stars direkt neben einer aparten Kollektion für sie zeigt. Dazu Costners Zitat: "It's nice to walk in Valleverde shoes."

Nr. 9: Gäbe es im Fußball ein Selbstfoul, die Sat.1-Show "ran" wäre sofort vom Platz geflogen. Die Idee, erst ab 20.15 Uhr das Runde ins Eckige rollen zu lassen, löst bei den Fans ein Pfeifkonzert ersten Ranges aus. Nur noch zwei Millionen von ihnen schalten ein. Selbst Kanzler Schröder lässt durchblicken, dass die Spät-Sendezeit einem Lattenschuss gleicht und man im Übrigen nicht "alles tun muss, was Leo Kirch will". Für den Medienmogul ist das, zumal aus Kanzlermund, offenbar eine Neuheit. So macht er schließlich den lautstark geforderten Rückzieher und schleicht reumütig auf den 19-Uhr-Sendeplatz zurück.

Nr. 10: Rudolf Scharping trägt jetzt den Beinamen "Bin Baden": Seine Plansch-Bilder mit Gräfin Pilati erscheinen just zu dem Zeitpunkt, als Bundeswehr-Soldaten sich darauf vorbereiten, den Rebellen der albanischen UCK die Waffen abzuknöpfen. In Berliner Polit-Pool schlägt das mehr als nur kleine Wellen. Mehr...

Nr. 11: So kann man auch um einen Rabatt bitten: Die Firma Karstadt lässt ihre Sortimentslieferanten wissen, dass sie ihnen nunmehr 2,5 Prozent weniger bezahlen werde - schließlich sei man ein guter Kunde. Der Zentralverband der Elektrotechnik- und Elektronikindustrie sieht das anders und erwirkt eine einstweilige Verfügung. Die endgültige Entscheidung der Richter steht noch aus, doch angesichts der Berichte in den Medien schießt Karstadt ein klassisches Eigentor.

Nr. 12: Sportstars wie Greene, Jones, Dragila und Schumann sollen Journalisten zu einer PR-Veranstaltung des Sportartikel-Herstellers Nike locken. Nur kritische Fragen sollen draußen bleiben, wie etwa solche nach Doping. Draußen bleiben im Übrigen auch alle Pressevertreter, die nicht einen der 15 Sitzplätze ergattern konnten. Die Presse berichtet dennoch über das Ereignis - allerdings in erster Linie über die Form und nicht den von Nike geplanten Inhalt der Veranstaltung.

Nr. 13: Die Pünktlichkeits-Kampagne der Deutschen Bahn AG lässt Fahrgäste sich ratlos am Kopf kratzen: Weit über 90 Prozent aller Prozent aller Züge sollen pünktlich sein? Die Stiftung Warentest prüfte nach. Ihr Fazit: "Die Bahn kommt. Oft genug gar nicht mehr." Mehr...

Nr. 14: Als fünfter Netzbetreiber tritt Quam in den deutschen Mobilfunkmarkt ein. Allerdings hat der Neuling zu spät mit den D1- und D2-Betreiber gesprochen, so dass die Quam-Kunden aus diesen Netzen heraus monatelang nicht erreichbar sind. Am 11. Dezember schießt Quam endgültig den Marketing-Vogel ab: Aus Protest gegen das Vorgehen der Konkurrenz zieht sich die Firma in den Schmollwinkel zurück, stellt den Verkauf aus Protest ein und katapultiert sich so selbst aus dem Weihnachtsgeschäft.

Nr. 15: Die Tankstellenkette Jet geht in der Werbung einen Schritt zu weit, was durchaus bildlich zu verstehen ist: Ein Träger teurer Designer-Schuhe steht auf einem Fenstersims und schaut in eine Straßenschlucht. "In Internet-Aktien investiert?" fragt das Plakat süffisant. Und empfiehlt, bei Jet zu tanken - "bevor Sie einen Schritt machen, den Sie Ihr Leben lang bereuen."

Nr. 16: Der Pranger am Pranger: Die "Bild"-Zeitung fingiert ein Foto von Jürgen Trittin, das den Eindruck erweckt, der Umweltminister habe zusammen mit gewaltbereiten Autonomen demonstriert. Schlagstock und Bolzenschneider aber entpuppen sich als Seil und Handschuh. "Bild" muss den publizistischen Gang nach Canossa antreten. Mehr...

Nr. 17: Die Werbegemeinschaft Mülheimer Innenstadt verspricht vollmundig, City-Geschäfte hätten an fünf Samstagen vor Weihnachten bis 18 Uhr geöffnet. Vielleicht hätten die Marketing-Experten vorher die Geschäftsinhaber fragen sollen - denn die haben keine Lust und öffnen nur bis 16 Uhr.

Nr. 18: Die Plattenfirma Mercury Records legt den Soundtrack-CDs zum Film "Schokolade zum Frühstück" ein Formular für ein Preisausschreiben bei. Zu gewinnen ist unter anderem: ein Filmsoundtrack für "Schokolade zum Frühstück".

Nr. 19: Einen Schnellschuss gibt die Frankfurter Börse mit der so genannten "Penny-Stock-Regelung" ab: Unternehmen, deren Aktion 30 Börsentage lang unter einem Euro wert sind, sollen aus dem Neuen Markt entfernt werden. Das Vorhaben wird aber im Juli angekündigt und soll bereits im Oktober greifen - was unter potenziell betroffenen Firmen einen Proteststurm entfacht und zahlreiche Anträge auf einstweilige Verfügungen nach sich zieht.

Nr. 20: VW benennt sein neues Luxusauto ausgerechnet nach Phaeton, dem Sohn des griechischen Sonnengottes Helios. Der Sohnemann lieh sich Papis Wagen aus, fuhr ihn prompt zu Schrott und setzte nebenbei die Welt in Brand.

Gruß
Happy End


Börsenforum - Gesamtforum - Antwort einfügen - zum ersten Beitrag springen
--button_text--