In Europa setzte sich die Talfahrt an den großen Börsen nahtlos fort. Nach den kräftigen Kursgewinnen der vergangenen Monate machten viele Investoren mit Aktien Kasse. Als sicheren Anlagehafen steuerten sie die als weniger riskant geltenden Staatsanleihen an. Der Deutsche Aktienindex verlor fast 3 Prozent auf 6.819,65 Punkte. Der MDax büßte 4,70 Prozent auf 9.787,10 Zähler ein, der TecDax sogar 6,25 Prozent auf 816,40 Punkte. "Die Investoren sind verunsichert und fürchten, in China könnte eine gewaltige Blase platzen", sagte ein Händler in Frankfurt.
Hans-Jörg Naumer von Allianz Global Investors beschwichtigte: "Das ist ein gesundes Durchatmen", meinte Kapitalmarkt-Analyst . "Der Markt hat nach Gründen gesucht, um die Gewinne der letzten Monate mitzunehmen. Er brauchte so eine Vorlage. Da schwingt auch etwas Höhenangst mit."
Thyssen-Krupp unter DruckErst am Montag hatte der Dax mit dem höchsten Stand seit November 2000 geglänzt und war auf 7.028,53 Punkte gestiegen. Bei der internationalen Talfahrt büßte der Index aber mehr als 200 Punkte ein. Besonders betroffen waren die Werte Henkel (minus 5,74 Prozent), Thyssen-Krupp (minus 5,02) und Eon (minus 4,51). Zu Thyssen-Krupp meinte ein Händler: "Wenn sich die chinesische Wirtschaft abkühlen sollte, dann drückt das natürlich auf den Stahlpreise."
Auch die Schweizer Börse sackte ab: Der Swiss Market Index (SMI) ausgesuchter Werte gab im Vergleich zum Vorabend zeitweise um bis zu 3,6 Prozent nach. Bei Handelsschluss stand er mit 8.909,9 Punkten noch 313 Zähler oder 3,4 Prozent niedriger als am Vorabend.
Die Londoner Börse wurde vor allem vom der Einbruch der Bergbauwerte belastet. Einige Minengesellschaften seien angesichts der Rohstoff-Hausse der vergangenen Jahre besonders stark von der Entwicklung in China abhängig. Die Aktien des weltgrößten Bergbaukonzerns BHP Billiton verloren rund fünf Prozent an Wert. "Eine Abkühlung der chinesischen Wirtschaft könnte eine geringere Nachfrage nach Basismetallen bedeuten", sagte Rohstoffexperte Peter Fertig von Dresdner Kleinwort.
Die internationalen Verluste wirkten sich auch auf den Handel in den USA aus: Die Wall Street erlebte bei hektischem Handel einen drastischen Kurseinbruch. Der Dow-Jones-Index fiel um 415,30 Zähler oder 3,29 Prozent auf 12 216,96 Punkte. Das war der schlimmste Kursverlust seit mehr als fünf Jahren. Der Dow war im Tagesverlauf zeitweise sogar um 546 Punkte oder 4,3 Prozent eingebrochen. Analysten sprachen von regelrechten Panikverkäufen.
Der Absturz wurde von Händlern weniger als Trendwende, denn als seit Wochen erwartete Korrektur bezeichnet. Neben dem Kursrutsch in Asien wurden auch schlechte Vorgaben aus den USA als Gründe angeführt. Selbst der frühere amerikanische Notenbankpräsident Alan Greenspan musste herhalten, weil er es als möglich bezeichnet hatte, dass die USA im Laufe des Jahres in eine Rezession geraten könnten. Auch Gewinnmitnahmen wurden als Begründung angeführt.
Händler konnten auch im Tagesverlauf keinen direkten Auslöser für den Ausverkauf in Schanghai ausmachen, außer dass die Investoren nach den rasanten Kursanstiegen der letzten Zeit zunehmend nervöser geworden seien und Kasse machen wollten. "Solch ein Furcht einflössender Fall bedeutet, dass der Markt abnormal geworden ist", sagte Analyst Chen Huiqin von Huatai Securities.
Die Börse in der chinesischen Wirtschaftsmetropole hatte vergangenes Jahr 130 Prozent gewonnen und seit Beginn 2006 nochmals 14 Prozent zugelegt. Die Investoren seien angesichts der hohen Bewertungen mittlerweile sehr zittrig geworden, sagte ein Marktteilnehmer. Dazu gesellten sich noch eine Reihe von Gerüchten etwa über eine bevorstehende Leitzinserhöhung oder eine Pause bei den Wirtschaftsreformen, die die negative Stimmung nochmals verstärkten.
Doch nicht alle Experten fürchten bereits das Platzen einer Spekulationsblase: Bei dem heutigen Einbruch handelt es sich wohl eher um eine markttechnische Korrektur. Der Markt ist durch die vergleichsweise geringen Handelsvolumina immer noch sehr volatil. Wenn Gewinne an einem Markt wie der Schanghaier Börse mitgenommen werden, kommt es da schnell zu sehr starken Preiskorrekturen", sagt Hans Schniewind, Leiter der Dresdner Bank-Niederlassung in Schanghai gegenüber dem Handelsblatt.
Dass es zu "einschneidenden Korrekturen" kommt hält Schniewind allerdings für unwahrscheinlich. Mit 75prozentiger Wahrscheinlichkeiten würden sich die Kurse in den nächsten Wochen wieder stabilisieren und weiter stark bleiben. "Es gibt durchaus gute Gründe für die deutlichen Anstiege im vergangenen Jahr. In vielen chinesischen Unternehmen hat sich ein realer Reformprozess vollzogen, das ist keine Propaganda." Die chinesischen Aktienkurse seien im Vergleich zu denen im konkurrierenden Entwicklungsland Indien vergleichsweise immer noch billiger bewertet.
Unsicherheit über die weitere Konjunkturentwicklung in den USA - der weltgrößten Volkswirtschaft - belastete vor allem auch den Dollar-Kurs. Der frühere US-Notenbankchef Greenspan, der vor einem Jahr nach fast zwei Jahrzehnten an der Spitze der US-Notenbank Fed von Ben Bernanke abgelöst worden war, hatte am Vortag einem Agenturbericht zufolge erklärt, es sei möglich, dass die US-Wirtschaft gegen Ende des Jahres in die Rezession rutsche.
Der Euro stieg um einen halben US-Cent auf ein Zwei-Monatshoch von 1,3230 Dollar. Gleichzeitig legte der Yen zu den meisten Währungen kräftig zu, da einige Anleger ihre so genannten Carry Trades auflösten: Sie hatten niedrig verzinste Yen-Kredite aufgenommen und dieses Geld in höher verzinsten Währungen wie dem Dollar angelegt. In Japan liegt der Leitzins bei 0,5 Prozent, in den USA bei 5,25 Prozent. Sollten nun aber die US-Zinsen fallen, könnte dieser Zinsvorteil schmelzen.
Analysten messen vor allem der Entwicklung am US-Immobilienmarkt große Bedeutung bei. Sollten dort die Preise zu stark und zu schnell abstürzen, würde dies die gesamte Wirtschaft des Landes in Mitleidenschaft ziehen, fürchten sie auf Grund der engen Verzahnung von Konsum und Wirtschaftsleistung. Viele US-Verbraucher haben ihre Ausgaben über Hypotheken finanziert.
Anleihen - mit dem Ruf des sicheren Hafens ausgestattet - boten vielen Anlegern eine Zuflucht. Die zehnjährige Bundesanleihe stieg um bis zu 30 Ticks auf 98,22 Punkte. Vor allem der Konflikt um das iranische Atomprogramm verunsicherte die Anleger. Der britische Premierminister Tony Blair warnte am Dienstag den Iran davor, die Forderungen der Vereinten Nationen nach einer Einstellung des Atomprogramms zu ignorieren. "Ich denke, der Iran macht einen großen Fehler", sagte Blair.
Quelle: Handelsblatt.com
Servus, J.B.
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