Der russische Öl-Konzern Yukos steht vor dem Aus. Der Konzern soll wegen nicht bezahlter Steuern zerschlagen werden. Am 22. November soll die Tochter Yuganskneftegaz versteigert werden, die über 60% der Ölproduktion von Yukos ausmacht. Auf der anderen Seite hat die Moskauer Börse durch den hohen Ölpreis weiterhin Rückenwind. Eine hochinteressante Konstellation.
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Analyst: Andreas Männicke
02. November 2004
Der RTS-Index schnitt – trotz anhaltenden Yukos-Krise - mit einem Plus von 15% seit Jahresbeginn weit besser ab als der DAX und andere Weltbörsen. Wie sich der Anleger jetzt verhalten soll, bespricht AC mit dem Russland-Experten Andreas Männicke, der ab diesem Monat den neuen Ostbörsenbrief EAST STOCK TRENDS herausgeben wird.. Männicke ist Geschäftsführer der ESI East Stock Informationsdienste GmbH, Veranstalter von Ostbörsen-Seminaren (z.B. am 23. November in Frankfurt/M siehe
www.eaststock.de), Berater von Investmentgesellschaften und Vermögensverwaltungen sowie Gründungs- und Aufsichtsratsmitglied der börsennotierten Beteiligungen im Baltikum AG (
www.baltikum.de, WKN
520420).
AC: Wann wird die Yukos-Saga den nun beendet sein? Geht Yukos Pleite?
Männicke: Das weiß im Moment noch keiner so genau. Fakt ist, daß Yukos in absehbarer Zeit seine restlichen Steuern zahlen muss und das sind alleine für die Jahre 2000/2001 noch etwa 4-5 Mrd. USD. Nur etwa 3 Mrd. USD hat Yukos bisher an Steuern gezahlt und damit noch nicht einmal die Steuernachforderung für das Jahr 2000 über 3,4 Mrd. USD. Weitere 4,1 Mrd. USD müssen noch für 2001 an Steuern nachgezahlt werden, für 2002 sind 6,7 Mrd. USD angefallen. In den nächsten Wochen wird zudem der Steuerbescheid für 2003 erwartet. Dann wird sich wohl die Steuerlast um weitere 2-3 Mrd. USD erhöhen. Da das Justizministerium einer Steuerstundung oder „Ratenzahlungen“ nicht zustimmen will, wird Yukos gezwungen, seine Assets zu veräußern.
AC: Yukos sollen aber doch auch Lizenzen entzogen werden?
Männicke: Das ist richtig, der Gesellschaft sollen zwar 21 Lizenzen entzogen werden, diese machen bisher aber nur 4-5% der Ölproduktion aus. Hier hat Yukos jetzt 3 bzw 6 Monate Zeit, den Anforderungen gerecht zu werden.
AC: Yukos ist also in einer Zeitfalle?
Männicke: Genau, daher soll nun zunächst das Filetstück Yuganskneftegaz (kurz: Yugansk) am 22. November versteigert werden. Hier kommt es sehr darauf an, welcher Versteigerungserlös erzielt wird, damit Yukos allen Steuernachzahlungen, die sich in der Summe auf 11 Mrd. USD belaufen werden, nachkommen kann. Yukos selbst hat seinerseits angedroht vorher in den Konkurs zu gehen, falls Yugansk zwangsweise versteigert werden soll.
AC: Und was erwarten Sie für einen Versteigerungserlös bei der Tochter Yugansk?
Männicke: Auch hier gehen die Meinungen sehr weit auseinander. Dresdner Kleinwort Wasserstein kommt selbst in seinen Gutachten zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Der faire Wert soll bei 15-17 Mrd. USD liegen. Wenn allerdings Steuern in hohem Umfang nicht gezahlt werden und Lizenzanforderungen nicht erfüllt werden, vermindert sich der Wert auf 10,4 Mrd USD. Dies hat nun das Justizministerium als fairen Wert bezeichnet, aber auch angekündigt, dass hiervon wiederum ein Abschlag von 60% angebracht sei, wenn Lizenzanforderungen nicht rechtzeitig erfüllt werden.
AC: Mit der Erfüllung von Lizenzanforderungen wird Yukos im Moment geradezu „bombardiert“, kann das nicht auch eine Kreml-Strategie sein?
Männicke: Durchaus, es gehen Gerüchte herum, dass der Versteigerungsgerlös im worst case sogar nur 4 Mrd. USD betragen könnte. Wäre dies der Fall, wäre Yukos in der Tat fast Pleite, denn dann würden die restlichen Vermögenswerte kaum ausreichen, um die restlichen Steuernachzahlungen begleichen zu können. Auf der anderen Seite haben westliche Investmentbanken und Fonds mit Klagen gedroht, falls Yugansk weit unter Wert verkauft wird. Yukos hat nun JPMorgan mit einem neuem Gutachten beauftragt. Der Fall Yukos wird uns wohl noch eine Weile beschäftigen.
AC: Wie soll sich der Anleger denn jetzt verhalten? Ist Yukos nach dem Kursverfall ein Kauf?
Männicke: Yukos bleibt aufgrund der unklaren Rechtslage ein Wert für Zocker, den ich (noch) meiden würde. Es gibt zwar einige westliche und russische Investmentbanken und Broker, die Yukos zum Kauf stellen; ich wäre da aber noch zurückhaltend. Beim russischen Brokerhaus Aton wird die Konkursmasse von Yukos auf 17 Mrd. USD geschätzt, das wären 8,5 USD pro Aktie, und damit mehr als eine glatte Kursverdoppelung. Die Aktie notiert zur Zeit in Moskau bei 3,2 USD und die ADR bei 10 €. Dennoch rät auch Aton seinen Anlegern, die Aktie im Moment nicht anzufassen. Es gibt bessere Alternativen.
AC : Welche?
Männicke: Man braucht sich nur Unternehmen anschauen, die in der Lage sind, die Yukos-Tochter Yugansk zu kaufen. Der Öl-Konzern Surgutneftegaz wäre zum Beispiel aufgrund der prall gefüllten Kriegskasse von 5 Mrd. USD dazu in der Lage. Es gibt aber auch Gerüchte, dass eine Gazprom-Tochter – möglicherweise sogar im Auftrag von E.ON – mitsteigern wird. Was im Moment bei Gazprom strategisch passiert, ist unabhängig davon ein ganz spannende Sache und auch ein interessantes Investmentthema. Gazprom will zu einem weltbedeutenden Energie-Konzern auf verschieden Ebenen avancieren. Neben dem dominierenden Gasgeschäft, das schon jetzt Nettogewinne von über 5 Mrd. USD erzielen lässt, soll das Ölgeschäft hinzukommen. Der Merger mit dem staatlichen Ölkonzern Rosneft – bitte nicht zu verwechseln mit dem dubiosen Pipelinekonstrukteur Rosneftegazstroy (RNGS) – wird gerade vorbereitet. Danach sollen auch die Originalaktien für Ausländer erhältlich sein, was bisher nach einem Jelzin-Dekret verboten war. Zudem kauft sich Gazprom jetzt ganz gezielt im Versorgungssektor ein – so zum Beispiel beim Monopolisten Unified Energy System (UES) mit 10% und beim Moskauer Versorger Mosenergo, um auch hier die Kontrolle von der Kostenseite her zu haben. Der Staat wird zwar nach dem Deal mit Rosneft die Kontrolle über den Konzern haben, was nicht jedem westlichen Portfolio-Manager schmecken wird. Dennoch glaube ich weiterhin an Gazprom – auch als Vehikel für die Altersversorgung aufgrund der strategischen Potentiale.
AC: Welche Einschätzung haben Sie zum Yukos Wettbewerber LUKoil?
Männicke: Auch LUKoil könnte bei der Yugansk-Auktion mitsteigern. LUKoil hat mit ConocoPhillips im Boot auch noch Potential im Irak. Kurzfristig rechne ich hier aber mit einer Korrektur durch fortgesetzte Gewinnmitnahmen. Gegen Jahresende könnte es aber wiederum zu einer Jahresend-Rallye kommen.
AC: Welche Sektoren sind noch interessant?
Männicke: Neben dem Rohstoffsektor, der weiterhin von hohen Rohstoffpreisen profitieren sollte, bleiben Telekomaktien vor allem im Mobilfunksektor aufgrund der hohen Wachstumsraten erste Wahl. Auch Konsumaktien, die mit Ausnahme von Sun Interbrew noch nicht so recht liefen, deutet sich für 2005 ein Turn around an. Schwer zu beurteilen und wenig kalkulierbar ist hingegen der Versorgungssektor, der in 2005 wegen der geplanten Umstrukturierung vor großen Herausforderungen steht. Die Assets sind zwar preiswert, die Aktien scheinen aber zum Spielball der russischen Rohstoffunternehmen und Oligarchen zu werden. So stieg der Kurs von Mosenergo in wenigen Tagen von 10 auf 19 €, weil angeblich sich Gazprom über den Markt an der Moskauer Börse MICEX eindecken wollte, um dann wieder auf 10 € einzubrechen. Hier mahne ich zur Vorsicht, weil westliche Minderheitsaktionäre im Rahmen der Umstrukturierung über den Tisch gezogen werden können. Vor einer ähnlichen Bewährungsprobe steht auch der Bankensektor, wobei die Sparkasse Sberbank als Marktführer von der bevorstehenden Konsolidierung eher profitieren sollte.
Das Gespräch führte Robert Burschik
man beachte drittletzte Frage!
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