Aus der FTD vom 13.1.2004 www.ftd.de/infineon
Siemens versilbert Infineon für weitere Zukäufe
Von Alexandra Borchardt, München und Thorsten Kramer, Frankfurt
Der Technologiekonzern Siemens hat seinen Anteil am Halbleiter-Hersteller Infineon um mehr als die Hälfte auf rund 19 Prozent reduziert und sich so weitere Finanzreserven für Zukäufe gesichert. Siemens wird mit diesem Schritt unabhängiger vom stark zyklischen Geschäftsverlauf in der Chip-Branche.
Der Verkauf der 150 Millionen Aktien soll dem Konzern einen Buchgewinn von rund 600 Mio. Euro einbringen. Die mit dem Geschäft beauftragte Citigroup hat bei der Platzierung der Aktien allerdings Geld verloren. Am Freitag war die Aktie bei 12,44 Euro aus dem Handel gegangen; am Montag verlor sie gleich zu Beginn rund fünf Prozent. Die Citigroup musste daraufhin die Preisspanne um 25 Cent auf 11,75 bis 12 Euro senken. Den Preis legte die Bank schließlich am unteren Ende der Preisspanne fest. Aus Bankenkreisen verlautete, die Emission sei nicht signifikant überzeichnet gewesen.
Siemens hatte sich wie in solchen Fällen üblich einen Abnahmepreis garantieren lassen, so dass das Risiko bei der Bank lag. Die Einbuße für die Citigroup schätzten Marktkreise auf etwa 37,5 Mio. Euro.
"Die Infineon-Aktie ist in den letzten Tagen auf einem beträchtlichen Höhenflug gewesen, das wollte Siemens nutzen", sagte ein Konzernsprecher. Allein seit Weihnachten hatte sich der Wert um 20 Prozent erhöht. Analysten sagten, Siemens habe einen günstigen Zeitpunkt für den Verkauf gewählt.
Erleichterung bei Infineon
Bei Infineon dürfte der Verkauf für Erleichterung sorgen, da er lange erwartet worden war und daraus folgende Gerüchte den Aktienkurs immer wieder belastet hatten.
Siemens wird sich in diesem Jahr beträchtliche Finanzmittel sichern, die der Konzern auch für Zukäufe verwenden will. Schon derzeit verfügt Siemens über ein Finanzpolster von etwa 12 Mrd. Euro, so dass der durch den Anteilsverkauf entstehende Buchgewinn eher als Tropfen auf den heißen Stein gewertet werden kann. Auf der Hauptversammlung am 22. Januar will sich Siemens zudem die Ausgabe von Wandelanleihen mit einem Volumen von 11,25 Mrd. Euro bis Anfang 2009 genehmigen lassen.
Der Konzern kann in diversen seiner 13 Geschäftsbereiche Verstärkung gebrauchen. Unter anderem peilt er in der Medizintechnik, in der Informations- und Kommunikationstechnik und im Automatisierungsgeschäft Zukäufe an. Außerdem hatte Siemens mehrfach Interesse an weiteren Teilen der französischen Alstom bekundet.
Für 2004 setzte sich der Konzern zum Ziel, beim Umsatz nach einem Rückgang im abgelaufenen Jahr einstellig und beim Nettogewinn zweistellig zu wachsen. Ein Konzernsprecher sagte allerdings, der Buchgewinn aus dem Verkauf der Infineon-Anteile werde nicht in diese Rechnung einfließen.
Großteil geht an Hedge Funds
Ein weiterer Vorteil für Siemens ist, dass das verbleibende Infineon -Paket nun unter der 20-Prozent-Schwelle liegt und damit nicht mehr in die Gewinn- und Verlustrechnung einfließt. Dies müsse allerdings noch mit den Wirtschaftsprüfern und der amerikanischen Börsenaufsicht SEC abgestimmt werden.
Nach Angaben aus Kreisen kauften den Großteil der Aktien Hedge Funds, die auf eine positive Gewinnentwicklung im Hightech-Sektor setzen. Jeweils ein Fünftel der Papiere gingen an institutionelle Investoren in Deutschland und im Ausland.
Auf Kritik einiger Marktteilnehmer, die Citigroup habe die Auswirkungen der Platzierung falsch eingeschätzt, reagierte Vorstand Paul Lerbinger pragmatisch. "Man kann nicht oberhalb des Marktes preisen", sagte er der FTD.
Der Bank kam offensichtlich eine Studie der Investmentbank Morgan Stanley in die Quere. Morgan Stanley kürzte ihre Gewinnschätzung für Infineon für dieses Jahr um fast 30 Prozent. Solche Nachrichten drücken in der Regel stark auf den Kursverlauf einer Aktie.