15.08.2007 18:06 Uhr | Drucken | Versenden | Kontakt |
|
Kommentar Die gute Krise Die große Krise die Weltfinanzmärkte hat Anzeichen eines Bankenkrachs. Das ist gefährlich, aber auch notwendig und, wenn alle Beteiligten die Nerven behalten, überaus heilsam. Von Nikolaus Piper |
Wer weiß heute noch, was ein Bankenkrach ist? Verzweifelte Kunden stürmen die Schalter, weil sie glauben, dass die Bank nicht mehr zahlen kann - und zerstören mit ihrer Panik die letzten Chancen auf Rettung der Bank. Im schlimmsten Fall kann so ein Krach auch gesunde Institute mit in den Abgrund ziehen.
Den letzten derartigen Sturm erlebte die Bundesrepublik im Juni 1974 beim Zusammenbruch der Herstatt-Bank. Seither sind Gehalts- und Sparkonten bei deutschen Kreditinstituten versichert; wenn eine Bank zusammenbricht, wie die Hofer Schmidt-Bank 2001, dann tun sich andere Institute zusammen, um das Schlimmste zu verhindern. Bankenkräche sind eine Sache der Vergangenheit.
So schien es jedenfalls bis zu diesem Sommer. Doch nun sucht eine große Krise die Weltfinanzmärkte heim, und diese Krise hat alle Anzeichen eines Bankenkrachs, selbst wenn es einen Sturm auf die Geldautomaten nicht gibt und auch nicht geben wird. Banken sind davon als Institutionen direkt auch gar nicht betroffen, sie sind es nur indirekt als Emittenten von Wertpapieren und als Manager hochriskanter Investmentfonds.
Doch in dieser Eigenschaft sehen sie sich jetzt dem massiven Druck ihrer Kunden ausgesetzt; Investoren fordern ihr Geld zurück, Kreditgeber verweigern sich und die Stimmung ist so nervös, dass manche schon eine Bedrohung für das Weltfinanzsystems sehen.
Was die gegenwärtige Krise von früheren, echten Bankenkrächen unterscheidet - und was sie mit ihnen verbindet -, zeigt sich am klarsten dort, wo alles seinen Anfang nahm: im amerikanischen Immobilienmarkt. Wie überall auf der Welt finanzieren amerikanische Familien ihr Eigenheim in der Regel durch einen Hypothekenkredit. In früheren Zeiten behielten die Banken diese Kredite jedoch in ihren Büchern, das Risiko blieb bei ihnen und ihren Geldgebern hängen, was insgesamt die Vorsicht förderte.
Heute gibt es diese Grenzen nicht mehr. Banken können die Kredite bequem in zum Teil hochkomplexe Wertpapiere umwandeln und an Anleger weltweit verkaufen, zum Beispiel an Hedgefonds, die damit viel Geld verdienen - oder verlieren können. Dadurch werden die Risiken breiter gestreut und die Verleiher können nachlässiger mit dem Geld umgehen. Zum Beispiel dadurch, dass sie massenhaft Hypothekenkredite an ärmere Familien verkaufen, die sich das eigentlich gar nicht leisten können.
Was zunächst wie ein Segen aussah - billiges Geld -, wurde so zum Fluch, und zwar für die gesamte Wirtschaft. Die Kreditschwemme ermutigte Firmenaufkäufer zu immer gewagteren Deals, Investoren verteilten ihr Geld in Volkswirtschaften mit zweifelhaften Aussichten, so als gäbe es keine Risiken mehr.
Doch nun, da die Spekulation geplatzt ist, zeigt sich der wahre Preis des Geldes. Die Risiken sind zwar aus den Bankbilanzen verschwunden, sie tauchen aber bei riesigen Hedgefonds wieder auf, die jetzt ins Taumeln geraten. Die Summen, um die es geht, sind schwindelerregend; beim Zusammenbruch eines oder mehrerer dieser Fonds droht eine plötzliche Verknappung von Krediten - mit unabsehbaren Folgen für das Weltfinanzsystem.
Die jetzige Krise ist daher sehr gefährlich, sie ist aber auch notwendig und, wenn alle Beteiligten die Nerven behalten, überaus heilsam. Wie bei Bankenkrächen früherer Zeiten geht es darum, Risiken wieder korrekt zu bewerten, unseriöse Praktiken zu bestrafen und für Disziplin zu sorgen. Bis jetzt wurde auch die Realwirtschaft - noch - nicht in Mitleidenschaft gezogen. Einige wichtige Mitspieler haben sich verantwortungsbewusst gezeigt. Die Investmentbank Goldman Sachs etwa steckte massiv eigenes Geld in einen gefährdeten Fonds.
Der Schlüssel zur Lösung der Krise liegt bei den großen Notenbanken, der Fed in Washington und der Europäischen Zentralbank. Sie haben bisher die Finanzmärkte beruhigt, indem sie viele Milliarden Dollar und Euro ins System einspeisten. Das war vermutlich notwendig, um eine Panik zu verhindern. Aber die Notenbanken sollten sich nicht dazu verleiten lassen, jetzt auch noch die Zinsen zu senken.
Das würde ein verheerendes Signal an die Spekulanten setzen: Wenn die Fehler, die sie begehen, nur groß genug sind, dann kommt der Staat als Retter. Spekulanten werden, wie andere leichtsinnige Menschen, nur durch Schaden klug. Im Interesse der Weltwirtschaft darf dieser Lernprozess nicht behindert werden. In der Vergangenheit hat besonders die US-Notenbank den Leichtsinn zu oft durch eine Politik des billigen Geldes gefördert.
Mit der Krise werden einige Exzesse an den Finanzmärkten hoffentlich beseitigt. Notwendig ist aber auch eine bessere Regulierung der Finanzmärkte. Anders als deutsche Debatten um "Heuschrecken" und Ähnliches nahe legen, darf es dabei nicht darum gehen, Hedgefonds oder Finanzinvestoren zu behindern.
Die Anleger, die ihr Geld solchen Institutionen geben, sind sehr reich, sie wissen, was sie tun und brauchen keinen besonderen Schutz. Notwendig sind aber wirksame Sicherungen für das Gesamtsystem. Sie müssen verhindern, dass aus dem Zusammenbruch eines Fonds eine globale Krise wird. Bis jetzt ist diese Gefahr noch nicht ausgeräumt.
(SZ vom 16.8.2007)
Das Siechtum geht unter starker Vola weiter.
Viel Glück