11.07.2010
BP will Ölfontäne im Meer mit
neuem Zylinder stoppen
Mit einem neuen Deckel über der sprudelnden
Quelle im Golf von Mexiko soll erreicht werden, dass
der Ölaustritt ins Wasser aufhört.
Washington/London (dpa) - Es ist eine
Operation mit hohem Risiko. Bevor sich die
Ingenieure von BP daran machen, einen
neuen, riesigen Absaugzylinder über das Öl-
Leck zu stülpen, mussten sie erst einmal eine
alte "Kappe" entfernen. Daher strömt das
Rohöl seit Samstagmittag ungehindert ins
Meer.
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Bis der neue "Hut" richtig auf dem Leck sitzt und
fest abgedichtet ist, können vier bis sieben Tage
vergehen - ganz Amerika hält den Atem an. Auch
Präsident Barack verfolgt die Operation "Top Hat
10" genau.
Elf Wochen seit Beginn der schwersten Ölpest der
US-Geschichte gerät der verantwortliche britische
BP-Konzern wirtschaftlich immer mehr unter Druck:
So prüft der US-Konkurrent ExxonMobil offenbar
bereits ein Übernahmeangebot. Das Unternehmen
habe bei der Regierung in Washington um Erlaubnis
für eine solche Prüfung angefragt, berichtet die
britische Zeitung "Sunday Times" unter Berufung
auf Quellen in der Ölindustrie.
Zum neusten Rettungsversuch im Golf von Mexiko
äußerte sich BP- Top-Manager Kent Wells am
Sonntag lediglich zurückhaltend optimistisch. Zwar
laufe bisher alles nach Plan. "Wir hatten eine
erfolgreiche Nacht."
Doch auch Wells verweist auf das Risiko. Wie bei
etwa einem halben Dutzend gescheiterten Anläufen
zuvor, könnte etwas Unvorhergesehenes geschehen
und wieder einmal alle Hoffnungen
zunichtemachen. "Wir haben versucht, so viele
Macken wie möglich auszuschalten - die
Herausforderung kommt dann, wenn etwas
Unerwartetes passiert." Optimismus klingt anders.
Wenn alles gut geht, will BP in den nächsten Tagen
erreichen, dass "das ganze oder so gut wie das
ganze" ausströmende Öl von dem neuen, rund 30
Meter hohen und 100 Tonnen schweren Zylinder
aufgefangen und auf mehrere bereitstehende
Schiffe abgesaugt wird. Das wäre der erste
Lichtblick seit dem Unglück auf der Bohrinsel
"Deepwater Horizon", das am 22. April das Desaster
auslöste.
Seitdem fließen nach Schätzungen von
Regierungsbehörden Tag für Tag bis zu 8200
Tonnen Rohöl in den Golf von Mexiko - lediglich gut
2000 Tonnen werden bisher pro Tag abgepumpt.
Weite Teile der US-Küste sind verseucht, ökologisch
hochsensible Gebiete wie das Mississippi- Delta
sind verschmutzt, viele Fischer erst einmal
arbeitslos - es ist die größte Ölkatastrophe der US-
Geschichte.
Die Montage des neuen "Deckels" bringt nicht nur
ein erhebliches Risiko mit sich - sie ist auch höchst
kompliziert. Mit ferngesteuerten Robotern müssen
es die BP-Ingenieure bewerkstelligen, einen
Rohrstumpen mit zackigen Enden abzuschrauben,
der aus dem "Blowout Preventer" ragt und
verhinderte, dass der bisherige "Hut" fest genug
saß.
In den vergangenen Wochen scheiterten diverse
Anläufe, das ausströmende Öl in Stahlglocken
aufzufangen: Teilweise kristallisierte das Öl- und
Wassergemisch in der Kälte der Meerestiefe. Oder
die Kuppel saß nicht richtig auf dem Leck. Auch die
Anläufe, das ausgetretene Öl von der
Wasseroberfläche abzuschöpfen oder zu verbrennen
brachten lediglich kleine Erfolge.
Eile ist angesagt: Noch spielt das Wetter am Golf
von Mexiko mit, doch die Hurrikansaison hat
begonnen. Eine Schlechtwetterzone könnte alle
Rettungsversuche erst einmal verhindern. Erst
kürzlich hatte ein Hurrikan, der die Unglücksstelle
rund 60 Kilometer vor der Küste Louisianas lediglich
streifte, alle Rettungsarbeiten ruhen lassen.
Wegen der schweren finanziellen Belastung von BP
durch die Katastrophe - von 20 Milliarden Dollar
(15,8 Milliarden Euro) Schadensersatz ist die Rede -
machen seit Tagen Übernahmegerüchte die Runde.
Laut Medienberichten hatte BP vergangenen Woche
mit strategischen Investoren über eine Beteiligung
gesprochen, die einen Ausverkauf des
Unternehmens verhindern soll.
Experten halten es für wahrscheinlich, dass die
britische Regierung versucht, eine Übernahme des
Traditionsunternehmens zu verhindern. Es heißt, BP
erwäge, Teile des Unternehmens zu verkaufen, um
an Geld für die Schadensbeseitigung zu kommen.
Auch Obama setzt BP unter Druck. Der Präsident ist
über die geringeren Fortschritte der vergangenen
Wochen verärgert, erst kürzlich ermahnte er BP,
aufs Tempo zu drücken. Für Obama steht viel auf
dem Spiel - im Herbst sind Kongresswahlen. Bis
dahin muss auch er an der Ölfront Erfolge
vorweisen.
Quelle: dpa-info.com GmbH