Welche Auswirkungen hat die Finanzkrise auf Asien? Kann sich der Kontinent vom Rest der Welt abkoppeln? Darüber diskutierten am Donnerstag Experten auf dem Weltbank-Forum in Frankfurt. Ihr Fazit: Der asiatische Drache lebt!
Fünf Tage nach dem Weltfinanzgipfel in Washington versammelten sich rund 500 Vertreter aus Politik, Banken und Unternehmen zu einem kleinen Asien-Gipfel in Frankfurt im Rahmen der Euro Finance Week. In mehreren Foren erörterten sie die Herausforderungen, die durch die Krise auf Asiens Wirtschaft zukommen. Zu den prominentesten Gästen zählten Weltbank-Präsident Robert B. Zoellick, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesbank-Präsident Axel Weber.
"21. Jahrhundert gehört Asien"
"Wir spüren die Krise", räumte Deepak S. Parekh, Chef der indischen Immobilienfirma Housing Development Finance Corp., ein. Das Wachstum habe sich abgeschwächt, die Kurse seien heftig eingebrochen und vielerorts zögen die ausländischen Anleger ab. Das Wachstum in der gesamten asiatischen Region werde 2009 auf zwei Prozent zurückgehen, prophezeite er. Dennoch zeigte sich Parekh optimistisch, dass "das 21. Jahrhundert Asien gehört". "Hier liegen die größten Außenhandelsreserven, die höchsten Exportwachstumsraten und das größte Potenzial an Arbeitskräften."
Auch Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz und Dresdner Bank, gab sich gelassen. Der dramatische Preisverfall bei den Rohstoffen werde vor allem den asiatischen Ländern helfen, sagte er gegenüber boerse.ARD.de. Kurzfristig werde der Boom zwar abgebremst und die Konvergenz der asiatischen Schwellenländer um ein bis zwei Jahre unterbrochen. Danach gehe es wieder aufwärts.
Indien und China bleiben der Wachstumsmotor
Vor allem Indien und China trauen die Experten am ehesten zu, der Krise zu trotzen. "Indien und China werden eine stärkere Rolle in der Weltwirtschaft spielen", zeigte sich Weltbank-Präsident Zoellick überzeugt. Zwar werde der Wachstumsmotor etwas abkühlen, doch in zwei Jahren werde es wieder deutlich anziehen, glaubt Analjit Singh, Vorstandschef von Max India.
Denn die fundamentalen Aspekte seien nach wie vor gut – besonders in Indien. "Wir haben ein nicht exportgetriebenes Wachstum, unsere Banken sind kapitalmäßig gut ausgestattet, und unsere Aufsichtsbehörden sind streng", erklärte Top-Manager Parekh.
Liquiditätskrise in Indien ist anders
Er gestand aber, dass die indischen Banken ebenfalls eine Liquiditätskrise hätten. Diese habe aber andere Ursachen als in den USA oder Europa. Da die Finanzdienstleister abhängig von den Kapitalmärkten seien, hätten sie unter dem Kurssturz und den kollabierten Börsengängen besonders gelitten.
Jean-Pascal Tranié, Mitgründer der französischen Private-Equity-Gesellschaft Aloe, klagte über den ausgetrockneten Kreditmarkt. "Die Banken in Indien vergeben derzeit so gut wie keine Kredite mehr", berichtete er. Falls doch, würden sie horrende Zinsen von beispielsweise 21 Prozent verlangen.
Alternative Vietnam?
Positiv äußerten sich die Experten zu Vietnam. "Apocalypse Not", übertitelte John Shrimpton von der Dragon Capital Group seinen Vortrag. Die Wirtschaft sei inzwischen wieder in guter Verfassung, nachdem sie sich überhitzt hatte, meinte er. Die Inflation gehe wieder langsam nach unten, das Handelsdefizit sinke, und die Währung stabilisiere sich. Mit 13 Prozent seien die Exporte Vietnams in den ersten zehn Monaten so stark gewachsen wie nirgendwo anders in Asien.
Besorgt zeigten sich Weltbank-Präsident Zoellick und Bundeskanzlerin Merkel über die ärmsten Länder. Sie bräuchten mehr Hilfe, um die Folgen der Finanzkrise zu bewältigen. Die derzeit rund 100 Milliarden Dollar Entwicklungshilfe pro Jahr seien verglichen mit den Rettungspaketen für die Banken einen heißen Tropfen auf den Stein, sagte Zoellick. Selbst Indien sei davon betroffen. Dort leben nach Schätzungen von Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) 200 Millionen Menschen in Armut. "Jeder Prozentpunkt weniger Wachstum führt 20 Millionen Menschen mehr in Armut."
"Wir müssen die Bösen sein"
Trotzdem würden die Asiaten cooler mit der Krise umgehen als die Europäer, fand Overbeck von der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft. Dort gebe es kein Gefühl der Verzweiflung. "Die Leute sagen sich, wir managen die Krise."
Wie das Krisen-Management konkret für Europa und die Welt aussehen könnte, ließen die versammelten Experten freilich offen. In der Diskussion um strengere Kontrollen für die Finanzbranche sprach sich Bundesbankpräsident Axel Weber gegen eine zentrale Aufsicht aus. Er könne sich nicht vorstellen, dass es eine
Institution in Europa oder gar weltweit geben könnte, die die Branche überwache. Er plädierte für "ein enges Netzwerk der Zusammenarbeit zwischen den Regulatoren". Die Aufsichtsbehörden müssten die Banken jedoch in guten Zeiten daran erinnern, "dass die schlechten Zeiten kommen werden", betonte Weber: "Wir sollten die Bösen sein, die sagen: Die Party ist vorbei." Dem pflichtete Welt-Bank-Manager und Chefvolkswirt Michael Klein bei. "Wir müssen eine Spaß-Grenze schaffen", forderte er. Das fand niemand zum Lachen.