In der Downing Street in London residieren die englischen Premierminister.
Mittwoch, 14.11.2018 19:07 von | Aufrufe: 670

ROUNDUP: Brexit-Endspiel: May kämpft um ihr Austrittsabkommen

In der Downing Street in London residieren die englischen Premierminister. pixabay.com

LONDON/BRÜSSEL (dpa-AFX) - Brexit-Endspiel in London: Die britische Regierung hat am Mittwoch bis in den Abend hinein über den umstrittenen Entwurf des Brexit-Abkommens beraten. Berichten zufolge wurde die ursprünglich auf drei Stunden angesetzte Kabinettssitzung zunächst auf bis zu fünf Stunden verlängert. Nach dem Treffen wolle Premierministerin Theresa May vor die Presse treten, berichteten britische Medien.

Die Nerven liegen blank. Denn es geht nicht nur um den Austritt aus der Europäischen Union, sondern auch um das Schicksal von Mays Regierung. Einige britische Minister sollen "große Vorbehalte" gegen den Entwurf haben. Medien spekulierten über mögliche Rücktritte.

Für May könnte das gefährlich werden - vor allem, wenn wichtige Kabinettsmitglieder wie Handelsminister Liam Fox oder Brexit-Minister Dominic Raab abspringen sollten. Doch auch ein Rücktritt von Arbeitsministerin Esther McVey oder Entwicklungshilfeministerin Penny Mordaunt wäre ein Rückschlag für die Regierungschefin.

Umstritten an dem Entwurfsdokument dürfte vor allem die Passage zur Lösung der Irland-Frage in dem Entwurf sein. Dabei geht es darum, wie Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland nach dem Brexit verhindert werden können.

Was genau die Unterhändler dazu vereinbart haben, war zunächst nicht bekannt. Doch die Brexit-Hardliner in Mays Konservativer Partei und auch die Abgeordneten der nordirischen DUP, auf deren Stimmen Mays Minderheitsregierung angewiesen ist, liefen sofort dagegen Sturm.

Bei einer Fragestunde im Parlament verteidigte May das Abkommen. Es sei ein "guter Deal" für Großbritannien, sagte sie. Mays Parteifreund und Erz-Brexiteer Peter Bone warnte hingegen, sie werde "die Unterstützung vieler Konservativer Abgeordneter und Millionen von Wählern verlieren".

Zeitgleich mit dem britischen Kabinett tagten in Brüssel die Botschafter der 27 verbliebenen EU-Staaten und ließen sich von der EU-Kommission über den Verhandlungsstand informieren. Öffentlich sagte ein Kommissionssprecher nur, dass sich die Brexit-Unterhändler auf "die Elemente" eines Austrittsabkommens geeinigt hätten. Er wollte mit Blick auf den "laufenden Prozess" keine Einzelheiten nennen.

May, die von einem Endspiel spricht, hatte ihren Kabinettsmitgliedern am Dienstagabend einen kurzen Einblick in das etwa 500 Seiten starke Brexit-Dokument gewährt. Einer nach dem anderen betrat Mays Amtssitz in der Downing Street, wurde empfangen und trat nach einer halben Stunde mit betretener Miene wieder heraus.

Die EU besteht auf einer Garantie, dass es keine Kontrollen auf der irischen Insel geben wird. Der sogenannte Backstop stößt aber auf heftigen Widerstand bei den Brexit-Hardlinern in Mays Konservativer Partei und der DUP. Der nun ausgehandelte Kompromiss sieht Medienberichten zufolge vor, dass ganz Großbritannien im Notfall in der Europäischen Zollunion bleiben soll. Für Nordirland sollen demnach aber "tiefergehende" Bestimmungen gelten.


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Im Parlament in London dürfte der Kompromiss nur schwer durchzusetzen sein. Die Brexit-Hardliner bei den Konservativen fordern, dass der Backstop nur für eine begrenzte Zeit gelten dürfe. Die DUP sträubt sich gegen jegliche Sonderbehandlung Nordirlands. Beide drohen damit, das Abkommen durchfallen zu lassen. Zu alem Übel kündigten am Mittwoch auch noch die schottischen Abgeordneten in Mays Konservativer Regierung Widerstand an, sollte Großbritannien nicht die alleinige Entscheidung über die Fischfangrechte in seinen Küstengewässer zurückerhalten.

Die Regierung hofft offenbar auf eine sich verstärkende Dynamik, sobald der Deal erst einmal auf Regierungsebene abgesegnet sein sollte. Auf Unterstützung aus der Opposition darf May kaum hoffen.

Sollte der Kompromiss im Parlament in Westminster keine Mehrheit finden, droht ein Austritt ohne Abkommen - mit schweren Folgen für alle Lebensbereiche. Zuerst würde ein solches Szenario aber wohl das Ende der Regierung May bedeuten. Auch eine Neuwahl oder ein zweites Brexit-Referendum werden für diesen Fall nicht ausgeschlossen. Großbritannien wird die Staatengemeinschaft am 29. März 2019 verlassen.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) warnte Großbritannien energisch vor einem ungeordneten Brexit. Der EU-Austritt sei das größte Risiko für die britische Wirtschaft, wenn auch bei weitem nicht das einzige Problem. Auch die deutsche Wirtschaft warnt vor großen Risiken. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Eric Schweitzer, kommentierte: "Der Brexit wird zwar so oder so zu hohen Kosten für die Unternehmen führen, sei es wegen drohender Zölle oder zusätzlicher Brexit-Bürokratie. Ein ungeregelter Brexit wäre allerdings ein Desaster."

Das sich abzeichnende Brexit-Abkommen könnte aus Sicht der Grünen das reibungslose Funktionieren des EU-Binnenmarkts beeinträchtigen. Wenn die Lösung sei, dass Großbritannien in der Zollunion bleibe, "dann muss die EU sicherstellen, dass ihre Standards nicht unterminiert werden", betonte die Sprecherin für Europapolitik im Bundestag, Franziska Brantner. Die Grünen-Fraktionschefin im Europaparlament, Ska Keller, sagte dem SWR, sie hoffe auf grünes Licht im Kabinett May. "Wir brauchen einen Deal, wir brauchen eine Einigung. Wenn das ein No-Deal-Szenario wäre, wäre das das schlechteste Szenario für alle."/cmy/DP/tos

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