Sonntag, 29.01.2023 20:16 von dpa-AFX | Aufrufe: 330

ROUNDUP 3: SPD fordert Milliarden für Pflege - 'Belastungsgrenze überschritten'

Flaggen der SPD bei einer Demonstration. © SilviaJansen / iStock Unreleased / Getty Images Plus / Getty Images http://www.gettyimages.de

(neu: Lindner skeptisch)

BERLIN (dpa-AFX) - Angesichts wachsenden Drucks in der Altenpflege pocht die SPD bei Finanzminister Christian Lindner (FDP) auf frische Steuermilliarden für Reformen. Die fünf Millionen Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen erwarteten, dass die Koalition auch in schwierigen Zeiten an ihrer Seite stehe, sagte Vize-Fraktionschefin Dagmar Schmidt der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Dazu gehören eine stabile Finanzierung, auch aus Steuermitteln, ebenso wie die Anpassung der Leistungen an die Bedürfnisse der Betroffenen." Die Pflegebevollmächtigte der Regierung, Claudia Moll (SPD), sieht die Belastungsgrenze der Betroffenen "schon lange überschritten".

Die häusliche und professionelle Pflege müsse gestärkt werden, sagte Moll der "Bild am Sonntag". "Vor allem aber benötigen wir einen klaren Zeitplan. Die Menschen müssen wissen, was auf sie zukommt." Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte Reformen für die Altenpflege angekündigt.

Lindner reagierte skeptisch. Aus der SPD seien an ihn als Finanzminister aktuell Forderungen nach immer mehr Geld gekommen, sagte er am Sonntagabend im ARD-"Bericht aus Berlin". "Die Frage, wo kommt es her, wird da nicht beantwortet."

Die pflegepolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Heike Baehrens, hält Entlastungen bei der häuslichen Pflege für äußerst dringlich. "Das muss schnell auf den Weg gebracht werden und dazu brauchen wir die notwendigen Mittel vom Bundesfinanzminister", sagte sie der "Bild am Sonntag". Schmidt sagte, die Angehörigen leisteten Großartiges. "Wir müssen sie dabei unterstützen und ihnen das Leben leichter machen." Die Vorstellungen im Koalitionsvertrag müssten jetzt umgesetzt werden.

Auch die Pflegekassen pochen auf mehr Steuergeld. "Zu einer fairen Pflege-Finanzierung gehört auch, dass die versicherungsfremden Leistungen, die die Pflegeversicherung an Stelle und im Auftrag des Bundes übernimmt, voll gegenfinanziert werden", sagte Gernot Kiefer vom Vorstand des GKV-Spitzenverbandes am Sonntag der dpa. Er verwies auf die rund 3,3 Milliarden Euro, die die Pflegeversicherung jedes Jahr für Sozialversicherungsbeiträge von Angehörigen zahlt. "Davon müsste der Pflegeversicherung künftig jeder Cent über einen verlässlichen und dynamisierten Bundeszuschuss refinanziert werden." 3,3 Milliarden Euro sind der Betrag, den die Pflegekassen durch 0,2 Beitragssatzpunkte bekommen.

Streit um Milliarden längst im Gange:

Schon länger wird über mehr Steuern für die Pflege diskutiert. Zum 1. Januar 2022 war ein dauerhafter Bundeszuschuss von einer Milliarde Euro pro Jahr für die Pflegeversicherung eingeführt worden. Dabei sind auch steigende Pflegebeiträge bereits absehbar. Lauterbach hatte eingeräumt, um steigende Beiträge werde man nicht umhin können. Seit Anfang 2022 liegt der Pflegebeitrag bei 3,05 Prozent des Bruttolohns, 3,4 Prozent für Kinderlose.

Hinter den Kulissen hat das Ringen über die Pflegefinanzierung längst begonnen. Reformvorschläge Lauterbachs würden "weitere Leistungsausweitungen in Milliardenhöhe" bringen, hieß es im Finanzministerium laut einem Bericht des "Handelsblatts" vom Donnerstag. Da bestehe noch "erheblicher Beratungsbedarf". FDP-Pflegeexpertin Nicole Westig forderte in der "Bild am Sonntag", dass medizinische Behandlungspflege in Heimen künftig aus der Krankenversicherung bezahlt wird und so Eigenanteile reduziert werden.

Hilfe wegen der Inflation:

Der Vorstand der Deutsche Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, warf Lindner vor, den Koalitionsvertrag brechen zu wollen. "Denn einen angemessenen Bundeszuschuss aus den sprudelnden Haushaltsmitteln für die Hilfsbedürftigen lehnt Christian Lindner ab", sagte Brysch der dpa. "Das Zögern der Bundesregierung bei der Unterstützung der Pflegebedürftigen muss ein Ende haben." Jeder Betroffene brauche ab sofort 300 Euro monatlich mehr. Auch ein Inflationsausgleich sei "unverzüglich einzuführen".

Zusätzliche Hilfe für die Pflege wegen der aktuellen Inflation- und Energiepreiskrise forderte auch der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). Es sei "beschämend, dass der Bund ambulante Pflegeeinrichtungen bei den Hilfen zur Energiekrise nicht bedacht hat". Die Vorsitzende des Sozialverbandes Deutschland, Michaela Engelmeier, sagte: "Die Leute überlegen sich: Kann ich mir eine Minute Hilfe mehr leisten? Oder kaufe ich mir stattdessen einen Laib Brot? Dann bucht man eben nur die kleine Körperwäsche."

Nach einer Studie des Wissenschaftlichen Instituts der Privaten Krankenversicherung könnte die Zahl der Pflegebedürftigen von knapp 5 Millionen bis 2025 auf knapp 5,5 steigen./bw/DP/stw

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