Theresa May während der Münchener Sicherheitskonferenz 2018.
Sonntag, 24.03.2019 16:19 von | Aufrufe: 1153

ROUNDUP 2: May steht Schicksalswoche bevor - Riesen-Demo in London gegen Brexit

Theresa May während der Münchener Sicherheitskonferenz 2018. Foto: Kuhlmann / MSC (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Theresa_May_MSC_2018.jpg), „Theresa May MSC 2018“, Zuschnitt von ARIVA.DE, https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/de/legalcode

(Neu: Stellungnahme Lidington, Hammond, Petition hat über fünf Millionen Unterzeichner)

LONDON/BRÜSSEL (dpa-AFX) - Im Brexit-Chaos gerät Premierministerin Theresa May immer stärker unter Druck. Sie könnte schon bald von ihrem Kabinett zum Rücktritt gezwungen werden, wie britische Medien am Sonntag berichteten. Demnach steht May vor einer Schicksalswoche. Ihr mit Brüssel ausgehandeltes Abkommen zum EU-Austritt wird bei einer Abstimmung im dritten Anlauf im Unterhaus wohl wieder durchfallen.

Eine Regierungssprecherin bezeichnete am Sonntag die Berichte über einen möglichen Rücktritt als "Spekulationen". Nach einem Bericht der "Times" gibt es Überlegungen, dass der EU-freundliche Vize-Premier David Lidington als Interimsregierungschef einspringen könnte. Er solle einen neuen Kurs für den EU-Austritt ausloten und im Herbst für einen dauerhaften Premierminister Platz machen. Die Zeitung berief sich auf elf ungenannte Regierungsmitglieder, die May stürzen wollen.

Lidington hat nach eigenen Angaben aber kein Interesse an dem Amt. Er glaube nicht, dass er Mays Posten übernehmen wolle. "Sie macht einen fantastischen Job", sagte er. Lidington ist seit Januar 2018 Mays Kabinettschef. Zuvor war er unter anderem Justizminister und Staatssekretär im Außenministerium. Er agierte unauffällig und zeigte sich May gegenüber loyal. Britischen Medien zufolge hat er den Spitznamen "Mr Europa" und gilt als "Mann ohne Feinde im Unterhaus".

Der "Daily Mail" zufolge hat auch der gut vernetzte Umweltminister Michael Gove seinen Hut als Nachfolger von May in den Ring geworfen. Nach dem Brexit-Referendum im Jahr 2016 unterstützte er zunächst Boris Johnson bei seiner Kandidatur für das Amt des Premierministers. Im letzten Moment entschied sich der Brexit-Anhänger, selbst zu kandidieren - damals hatte es nicht geklappt. Der frühere Journalist gilt als ehrgeizig. Er war unter anderem Justizminister.

Für den EU-Austritt ist der Ausgang des politischen Bebens in London von entscheidender Bedeutung. Die EU hatte vorige Woche einem Aufschub des Brexits bis mindestens 12. April zugestimmt. Sollte ein harter Brexit-Befürworter May stürzen, würde ein baldiger chaotischer Austritt ohne Vertrag wahrscheinlich - womöglich doch schon Ende dieser Woche. Denn das Unterhaus muss die Abmachung mit der EU, das bisherige Austrittsdatum 29. März zu verschieben, in den nächsten Tagen noch formal in britischem Recht verankern.

Würde indes ein gemäßigter Konservativer wie Lidington May ersetzen, könnten die Chancen eines geregelten Ausscheidens oder einer langen Verschiebung des Brexits steigen. Die EU kann nach den Beschlüssen beim Gipfel vorige Woche nun nur zuschauen, wie es in Brüssel heißt.

May könnte das mit der EU ausgehandelte Austrittsabkommen diese Woche zum dritten Mal zur Abstimmung stellen - und nach krachenden Niederlagen Mitte Januar und Mitte März wohl zum dritten Mal scheitern. Finanzminister Philip Hammond räumte im Sender Sky News am Sonntag ein, dass immer noch keine Mehrheit in Sicht sei.

May versuchte, mit einem Brief Druck auf ihre Abgeordneten aufzubauen. Darin drohte sie, die dritte Abstimmung ausfallen zu lassen, wenn sich nicht ausreichend Unterstützung abzeichne. Dann müsse Großbritannien in Brüssel um einen weiteren Aufschub bitten, was aber eine Teilnahme an der Europawahl bedeuten würde. Wenn es doch zu dem Votum kommen sollte, gilt Dienstag als möglicher Termin. Zunächst wird am Montag über das weitere Vorgehen debattiert. Für Mittwoch oder Donnerstag könnte die Entscheidung über die Streichung des 29. März als Austrittsdatum angesetzt werden.


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Der Widerstand der Brexit-Gegner im Land nimmt auch auf der Straße weiter zu. An einer Anti-Brexit-Demo in London beteiligten sich am Samstag nach Angaben des Veranstalters People's Vote mehr als eine Million Menschen aus allen Teilen Großbritanniens. Es sei eine der größten Demonstrationen in der Geschichte des Landes gewesen. Die Polizei gab dazu keine Schätzungen ab. Brexit-Hardliner zweifelten die Angaben über die hohe Teilnehmerzahl an.

Auf einer Kundgebung zum Abschluss des Marsches vor dem Parlament hagelte es Kritik an May. "Premierministerin, Sie haben die Kontrolle über diesen Prozess verloren. Sie stürzen das Land in ein Chaos; lassen Sie das Volk die Kontrolle übernehmen", sagte der stellvertretende Chef der oppositionellen Labour-Partei, Tom Watson.

Die Organisatoren fordern ein zweites Referendum, bei dem die Bürger über den endgültigen Brexit-Deal abstimmen dürfen. Viele Demonstranten hatten während des Marsches bei gutem Wetter blaugelbe Europa-Fahnen dabei und waren in diesen Farben gekleidet. An dem Protest nahmen auch Familien teil. "Ich bin sieben Jahre alt und demonstriere für meine Zukunft", stand auf dem Schild eines Kindes.

Ein Rosenmontagswagen des Düsseldorfer Künstlers Jacques Tilly war ebenfalls zu sehen. Der Motivwagen zeigt May, die mit einer langen Lügennase die britische Wirtschaft aufspießt. "Es ist schön, dass die Düsseldorfer Rosenmontagswagen auch ein Stück Weltgeschichte kommentieren", sagte Tilly der Deutschen Presse-Agentur.

Zu den Teilnehmern an der Veranstaltung gehörten Schauspieler wie Lena Headey ("Game of Thrones"), Musiker, der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan und Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon.

Eine Online-Petition für den Verbleib Großbritanniens in der EU hat inzwischen über fünf Millionen Unterzeichner - ein Rekord im Land. Zeitweise war die Webseite wegen des Ansturms lahmgelegt. Das Parlament muss den Inhalt jeder Petition mit mehr als 100 000 Unterzeichnern für eine Debatte berücksichtigen./si/DP/mis

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