Der deutsche Autobauer Mercedes-Benz sieht sich in China mit gleich mehreren Problemen konfrontiert. Neben anhaltend schwachen Umsätzen aufgrund der Konsumflaute muss der Konzern nun über 500.000 Fahrzeuge zurückrufen. Der Grund: Ein Defekt am Raddrehzahlsensor, der sicherheitsrelevante Systeme wie die Fahrdynamikregelung ESP und das Antiblockiersystem ABS beeinträchtigen kann.
Laut der chinesischen Behörde für Marktregulierung betrifft der Rückruf insgesamt fast 242.000 importierte Modelle der A-Klasse, B-Klasse, CLA und GLA, die zwischen August 2011 und April 2019 produziert wurden. Zusätzlich müssen rund 281.000 in China gefertigte GLA-Fahrzeuge, hergestellt zwischen März 2014 und Oktober 2019, überprüft werden. Ab dem 27. November 2024 beginnt die Rückrufaktion, welche auf Grundlage eines von Mercedes vorgelegten Plans durchgeführt wird.
Der Rückruf kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Erst kürzlich hatte Mercedes-Benz seine Gewinnprognose für das Jahr 2024 nach unten korrigiert. Das schwächelnde Chinageschäft spielt dabei eine zentrale Rolle. Die Aktie des Konzerns stürzte nach Bekanntgabe der Gewinnwarnung am Freitagmorgen auf den tiefsten Stand seit zwei Jahren. Mit einem Rückgang von zeitweise acht Prozent schlossen die Papiere auf einem Minus von 7,1 Prozent und notierten bei 54,83 Euro.
Hintergrund des schwachen Geschäfts in China ist die anhaltende Zurückhaltung wohlhabender Kunden, bedingt durch die Immobilienkrise im Land sowie die hohe Inflation und steigenden Zinsen. Diese Faktoren beeinträchtigen sowohl die Kaufkraft der Verbraucher als auch die Investitionsbereitschaft von Unternehmen.
Mercedes-CEO Ola Källenius äußerte sich kürzlich diplomatisch zur Lage und betonte, dass die chinesischen Kunden „sehr vorsichtig“ seien. Für Mercedes, dessen Top-End-Modelle traditionell einen großen Teil des Profits erwirtschaften, ist China jedoch der wichtigste Einzelmarkt. Branchenkenner wie Ferdinand Dudenhöffer, Experte beim Center Automotive Research (CAR), sehen in der schwachen Entwicklung des chinesischen Marktes eine große Herausforderung für alle deutschen Automobilhersteller. Besonders die fehlende Konkurrenzfähigkeit im Bereich der Elektrofahrzeuge sei ein Problem.
In China entfallen mittlerweile über 50 Prozent der Neuwagenverkäufe auf Elektrofahrzeuge (NEV: New Energy Vehicles). Deutsche Hersteller haben in diesem Segment jedoch den Anschluss verpasst. Dudenhöffer betonte, dass der Erfolg in China zunehmend von der Stärke im Elektrofahrzeug-Sektor abhängt und mahnte, dass deutsche Hersteller dringend mehr in Forschung und Produktion vor Ort investieren müssten.
Mercedes-Benz plant zwar, seine Aktivitäten im Bereich der Elektrofahrzeuge auszuweiten, doch Analysten sehen den Konzern in stürmischen Gewässern. Die gesenkte Gewinnprognose wirft zudem Fragen zur grundsätzlichen Profitabilität des Unternehmens auf. Der Analyst Patrick Hummel von UBS äußerte, dass Mercedes mit einem stärkeren Einschnitt als BMW konfrontiert sei. Das Ausmaß der Reduktion der Gewinnziele habe viele Marktbeobachter überrascht.
Die Gewinnwarnung von Mercedes-Benz hatte auch Auswirkungen auf den gesamten europäischen Automobilsektor. Die Aktien von BMW, Porsche und Volkswagen gerieten ebenfalls unter Druck. Im Sog der Mercedes-Verluste gab BMW um 3,2 Prozent nach, Porsche verlor 5,4 Prozent und Volkswagen 2,9 Prozent. Auch Zulieferer wie Continental und Infineon wurden von der negativen Entwicklung in der Branche mitgerissen.
Der europäische Automobilsektor, gemessen am Index Stoxx Europe 600 Automobiles & Parts, fiel deutlich zurück, nachdem er sich gerade erst von einem Tiefstand im Oktober 2023 erholt hatte. Analysten wie George Galliers von Goldman Sachs betonten, dass die niedrigen Bewertungen in der Branche bereits die Skepsis der Anleger widerspiegeln. Doch das Ausmaß der Prognosesenkung bei Mercedes sei überraschend, besonders angesichts der noch im Juli geäußerten Zuversicht des Unternehmens.
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Für Mercedes-Benz und den gesamten deutschen Automobilsektor ist die Situation in China eine enorme Belastungsprobe. Angesichts der rückläufigen Verkaufszahlen und der Herausforderungen im Elektrofahrzeugsektor sind umfangreiche Investitionen in neue Technologien und lokale Produktionskapazitäten unerlässlich. Besonders der Ausbau der Elektrofahrzeugproduktion in China könnte für die Zukunft entscheidend sein.
Branchenexperten gehen davon aus, dass der Druck auf deutsche Automobilhersteller in den kommenden Jahren weiter zunehmen wird. Sollten die Unternehmen es nicht schaffen, ihre Position im chinesischen Markt – insbesondere bei Elektrofahrzeugen – zu stärken, könnte dies langfristig erhebliche Auswirkungen auf ihre weltweite Marktstellung haben.
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