Und plötzlich soll der Knoten geplatzt sein? Nachdem EU und Großbritannien seit Monaten erfolglos um ein Brexit-Austrittsabkommen streiten, hält nun Chef-Unterhändler Michel Barnier eine baldige Einigung in zwei Monaten für möglich. Voraussetzung ist allerdings, dass beide Seiten beim Thema Grenzkontrollen eine Lösung finden. Denn Streitpunkt bleibt vor allem die Frage, wie die Grenze zwischen Irland und Nordirland offengehalten werden kann.
Die Gründe für die neue Zuversicht auf einen Deal beim Brexit liegen sowohl in der britischen Innenpolitik als auch bei der EU, die Barnier mehr Beinfreiheit geben will. So ist die EU bestrebt, ihrem Verhandlungsführer auf dem EU-Gipfel in Salzburg am 20. September mehr Spielraum zu verschaffen, damit das Austrittsabkommen mit Großbritannien endlich beschlossen werden kann. Des Weiteren profitiert May in London von der Zerstrittenheit ihrer gegnerischen Hardliner, der sogenannten Brexiteers. So wie es aussieht, könnte sie ihren bisherigen Verhandlungserfolg, der das Land wesentlich enger an die EU binden würde als dies den Hardlinern lieb wäre, auf dem Parteitag der Torys am 30. September durchbringen. Einen ernsthaften Gegenentwurf zu Mays Plan können die Brexiteers jedenfalls nicht bieten. Damit wäre es für das Parlament in Westminster zu riskant, das mit der EU ausgehandelte Austrittsabkommen abzulehnen, wenn May es Ende des Jahres vorstellt.
Mays Plan kommt der EU sehr entgegen
Im Kern geht es erstens um den Austrittsvertrag, der die Zahlungsverpflichtungen der Briten für die Vergangenheit und die Modalitäten des Austritts regelt. Und zweitens müssen die künftigen Beziehungen Großbritanniens zur EU geregelt werden. Mays sogenannter Chequers-Plan sieht hier folgendes vor: ein Handelsabkommen, eine Regelung enger Zusammenarbeit und Kooperation in Bereichen wie Flugverkehr oder Forschung, eine Vereinbarung über die enge Kooperation in Sicherheitsfragen wie Europol und dem Europäischen Haftbefehl sowie ein viertes Paket enger Zusammenarbeit in militärischen Fragen. Dieser Plan von May kommt den Vorstellungen der EU sehr entgegen, weshalb Barnier Chequers auch als brauchbare Basis für ein zukünftiges Abkommen ansieht.
Bei allem Unsinn, den die Brexiteers zu dem EU-Austritt verbreitet hatten, könnte mit einer solchen Regelung, wie sie sich jetzt andeutet, womöglich das Schlimmste verhindert werden, so dass auch künftig halbwegs geregelte Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und Großbritannien aufrechterhalten werden können. Gleichzeitig hätte die EU ihre Interessen gewahrt und eine Rosinenpickerei seitens Großbritanniens verhindert.
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