Mittwoch, 01.08.2018 07:55 von Sven Vogel | Aufrufe: 483

Spotify vs. Netflix: Exklusive Inhalte sind teuer, wirtschaftlich aber unverzichtbar

In Spotify, dem Musik-Streaming-Dienst, der seit diesem Jahr an der Börse ist, sehen einige eine zweite Chance, ein neues Netflix zu entdecken und großartige Renditen zu erzielen. Investoren sollten aber den großen Unterschied zwischen beiden Unternehmen nicht übersehen, der das Potential von Spotify heute stark beschränkt.


Der große Unterschied zwischen Netflix und Spotify

Nach einer Studie des Marktforschungsunternehmens eMarketer hat der durchschnittliche chinesische Video-Dienst-Abonnent nicht ein Abo von einem Service, sondern von 1,97 Services. Wer exklusive Inhalte von mehreren Anbietern sehen will, muss eben auch das entsprechende Abo unterschreiben.

Bei Musik-Streaming-Diensten ist die Situation etwas anders. Die Inhalte der Anbieter haben eine sehr große Überschneidung und es gibt, wenn überhaupt, nur sehr wenige exklusive Inhalte. Im Zeitalter der digitalen Musik sind die Verdienstmöglichkeiten für den Großteil der Künstler bei Live-Veranstaltungen einfach deutlich lukrativer – insbesondere für die bekanntesten Künstler.

Künstler sind weit mehr auf maximale Bekanntheit und Einnahmen aus Konzerten und Tourneen angewiesen als auf die Einnahmen, die man mit Streaming-Diensten erzielen kann. Es macht also wohl wenig Sinn, sich durch exklusive Verträge mit einem Musik-Streaming-Anbieter auf ein deutlich kleineres Publikum zu begrenzen. Streaming-Dienste sind für Künstler daher eher Plattformen, um die eigene Bekanntheit zu steigern, als damit ihr Haupteinkommen zu erzielen. Einige sehr bekannte Künstler, die darauf nicht angewiesen sind, leisten es sich gar, ihre Musik überhaupt nicht auf Spotify anzubieten.

Netflix ist also in einer deutlich stärkeren Marktposition als Spotify. Das zeigt sich natürlich auch in der wirtschaftlichen Entwicklung.

Während Netflix seinen Umsatz pro zahlendem Abonnenten in der jüngsten Vergangenheit von Quartal zu Quartal in aller Regel steigern konnte, ist diese Kennzahl bei Spotify rückläufig. Während Netflix mit viel Geld eigene Inhalte erzeugt, verlässt sich Spotify auf Künstler, die pro gehörtem Song Gebühren kassieren. Während das Geschäftsmodell von Netflix bei der vergleichbaren Anzahl zahlender Abonnenten wie heute Spotify im Jahr 2016 bereits Bruttomargen von knapp über 30 % verdiente, kommt Spotify mit seinen heute rund 80 Millionen zahlenden Nutzern lediglich auf Bruttomargen von um die 25 %. Derzeit hat Netflix übrigens eine Bruttomarge von 41 % und 124 Millionen zahlende Abonnenten. Und während Netflix bereits mit deutlich weniger als 40 Millionen Nutzern unterm Strich Gewinn machte, ist Spotify davon noch sehr weit entfernt.

Natürlich, die dokumentierte Historie bei Spotify ist bei weitem nicht derart lang wie bei Netflix. Und fairerweise muss man Spotify zugutehalten, dass es bereits jetzt einen positiven operativen und freien Cashflow erwirtschaftet. Aufgrund der wahnsinnigen Ausgaben für eigene Inhalte – die in der Gewinn- und Verlustrechnung nicht direkt auftauchen – hat Netflix das bisher nicht erreicht.


Kann Spotify irgendwann eine ähnlich starke Marktposition aufbauen wie Netflix?

Ich glaube eher nicht. Denn dafür wären exklusive Verträge mit sehr vielen Künstlern erforderlich. Oder Spotify müsste eigene Künstler hervorbringen und diese mit langfristigen Verträgen an sich binden. Das würde dann natürlich auch die Vermarktung dieser Künstler mit einbeziehen. Also Konzerte und Tourneen organisieren, Merchandising-Artikel auf den Markt bringen und vieles mehr. Nur so könnte sich die Exklusivität von Spotify gegenüber anderen Streaming-Diensten erhöhen.

Heute würden sich Künstler darauf wohl eher nicht einlassen. Es sei denn, es wäre deutlich attraktiver. Für Spotify wäre das allerdings eine sehr teure Angelegenheit. Vielleicht teurer als die eigenen Inhalte, die Netflix produziert. Zudem können Künstler vertraglich nicht lebenslänglich an Spotify gebunden werden. Spotify wäre also immer dem Risiko ausgesetzt, dass ein erfolgreicher Künstler nach Vertragsende zu einem anderen Streaming-Dienst abwandert.

Aber wer weiß, vielleicht überrascht uns Spotify mit einer kreativen Lösung für dieses Problem. Vielleicht versucht es Spotify bald mit exklusiven Songs, die von einer künstlichen Intelligenz erstellt wurden. Diese exklusiven Inhalte würden zumindest sehr wenig Geld kosten. Aber ob man damit die Massen begeistern kann?


Offenlegung: Sven besitzt keine der genannten Aktien. The Motley Fool empfiehlt und besitzt Aktien von Netflix.

Über den Autor

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Motley Fool Deutschland
Sven ist nun bereits beinahe ein Jahrzehnt ein leidenschaftlicher Investor. Seit 2015 ist er als Freiberufler für The Motley Fool tätig und seit 2017 mit Deutschland-Premiere von Rule Breakers – Unternehmen, die die Welt verändern der verantwortliche Chefredakteur für diesen Service. In seiner Freizeit treib er viel Sport, kocht und isst gerne mediterran und liest meist irgendetwas, was im weitesten Sinne mit Wirtschaft, Börse und Finanzen zu tun hat.
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