Freitag, 02.11.2018 18:00 von Klaus Stopp | Aufrufe: 157

Rom und die magische Kraft des Faktischen

Es gibt Dinge im Leben, die sind nicht wegzuleugnen – sie basieren auf der magischen Kraft des Faktischen. Dazu gehört etwa der kausale Zusammenhang, dass der Schuldendienst eines Landes teurer wird, wenn die Risikoaufschläge (Spreads) auf seine Staatsanleihen steigen - so wie man es jüngst bei italienischen Staatspapieren beobachten konnte. Das erkennt Italiens Finanzminister, der parteilose Giovanni Tria, auch an. Er gibt allerdings zu bedenken, dass ein Spread in dieser Höhe, wie sie italienische Staatsanleihen mittlerweile erreicht haben, schädlich sei und niemand könne das Gegenteil behaupten. Die Frage sei nun, wie bringe man den Spread wieder runter, merkte Tria an.

Finanzminister Tria kritisiert die eigene Regierung

Diese Frage ist eigentlich nicht schwer zu beantworten. Ein Haushalt mit einer geringeren Schuldenaufnahme, wie den geplanten 2,4% des BIPs, wäre sicher hilfreich, den Spread zu drücken. Soweit will der Finanzminister in Rom freilich nicht gehen. Nicht die Fundamente der Wirtschaft oder die Zahlen im Haushalt seien der Grund für die herrschende Unruhe, sondern die „politische Unsicherheit, wohin das Land geht". Als entscheidend sieht Tria daher die Frage an, wie sich die Regierung in Rom, bestehend aus der linkspopulistischen Fünf-Sterne-Bewegung und der rechtsnationalen Lega, gegenüber Europa und dem Euro positioniert. Damit kritisiert Tria klar das Liebäugeln der Regierungsparteien mit einem Ausstieg aus dem Euro und einer Rückkehr zur Lira.

Schuldenmachen für Rom bleibt teuer

Nachdem die Rendite für zehnjährige italienische Staatsanleihen am 30.10. wieder auf fast 3,5% gestiegen war, gab es zum Wochenschluss eine leichte Entspannung auf ca. 3,32%. Dennoch bleibt das Schuldenmachen für Rom damit teuer. Gegenüber zehnjährigen Bundespapieren liegt der Renditespread immer noch bei ca. 290 Basispunkten (BP). Das heißt, Italien zahlt fast 3% mehr als die Bundesrepublik für die eigenen 10-jährigen Schulden. Ob aus dieser magischen Kraft des Faktischen die Regierung in Rom die richtigen Schlüsse ziehen wird, darf bezweifelt werden.

Denn deren Vertreter zeigten sich bisher unbeirrt. Mit den Worten „Wir machen weiter“ hatte Sterne-Chef Luigi Di Maio auf die jüngsten Reaktionen der Ratingagenturen reagiert. Zuvor hatte Standard & Poor's Italien mit der Herabstufung seiner Bonität gedroht und den Ausblick von „stabil" auf „negativ" gesetzt. Die Bonitätsnote bleibe aber zunächst weiter bei „BBB", was zwei Stufen über dem Ramschniveau für hochspekulative Anlagen ist. Diese Art von Bestätigung der Kreditwürdigkeit Italiens durch S&P sorgte für die genannte leichte Entspannung an den Finanzmärkten.

Salvini übt sich in Schönrednerei

Der Innenminister und Vize-Premier Di Maio sowie der Lega-Chef Matteo Salvini, üben sich freilich eher im Gesundbeten und im Schönreden als in Realismus. Letzterer betonte, dass in Italien weder Banken noch Unternehmen in die Luft gehen. Jedoch im Zweifel nicht aus eigener Kraft, denn Italiens Banken halten heimische Staatsanleihen in Höhe von rund 375 Mrd. €, die aufgrund der aktuellen Entwicklung an Wert verlieren und somit Verlustpotential für die Institute beinhalten. Laut „Corriere della Sera" ist Rom bereit, die Banken mit Krediten, Staatsgarantien und weiteren Maßnahmen zu unterstützen, sollte der Renditespread auf ein nicht mehr tragbares Niveau steigen – wann immer das auch sein mag.

Tria springt Draghi bei

Dass nun auch noch der Italiener und EZB-Chef Mario Draghi, der mit seiner expansiven Geldpolitik gerade der römischen Regierung viel Zeit für Reformen „erkauft“ hat, in die Schusslinie von Di Maio und Salvini gerät, zeugt von dem fehlenden wirtschaftspolitischen Sachverstand der beiden. Nachdem Draghi gesagt hatte, Rom solle sich im Ton gegenüber der EU mäßigen, wenn die Regierung italienische Banken stützen wolle, konterte Di Maio, er sei überrascht, dass ausgerechnet „ein Italiener die Atmosphäre auf diese Art und Weise weiter vergiftet“. Tria sprang Draghi indessen bei. Der EZB-Chef habe die Wahrheit gesagt, so der parteilose Finanzminister in Rom.

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Baader Bank AG
Klaus Stopp ist Head of Market Making Bonds bei der Baader Bank AG. Baader betreut an den Börsenplätzen Berlin, Frankfurt und München u.a. den Handel mit Anleihen und betreut Deutschlands führende Anleihen-Website Bondboard.
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