Dienstag, 08.10.2019 13:08 von Frankfurter Börsenexperten | Aufrufe: 330

Langfristige Rendite mit Hebel-ETFs

Das ETF Magazin erläutert eine Strategie, mit der Hebel-ETFs in Kombination mit Cash-Bestand langfristig unschlagbar sein sollen und damit "viel mehr sind als nur ein Instrument für risikofreudige Spekulationen."

8. Oktober 2019. MÜNCHEN (ETF Magazin). Achtung, dieses System ist nichts für risikoscheue Anleger oder Buy-and-hold-Verfechter. Diese im Folgenden vorgestellte Anlagestrategie ist nur etwas für Renditejäger, die zweistellige Gewinne pro Jahr wollen und dafür auch mal größere Kursschwankungen in Kauf nehmen. Das System basiert auf Berechnungen der Investment-Beratungsagentur PensionPartners. In ihrem Aufsatz „Leverage For the Long Run – A Systematic Approach to Managing Risk and Magnifying Returns in Stocks“ erläutern die Börsenprofis eine ausgesprochen lukrative Hebel-ETF-Strategie. In der Rückrechnung seit 1928 hätte der Ansatz durchschnittlich knapp 27 Prozent Rendite pro Jahr eingebracht. Aus 10.000 US-Dollar Startkapital wären bis zum Jahr 2015 9 Billionen US-Dollar geworden.

200 Tage entscheiden

Die Durchführung der Strategie ist kein Hexenwerk – es braucht lediglich einen gehebelten ETF und ein Tagesgeldkonto. In der Originalstudie wurden der S&P-500-Index und Treasury Bills verwendet. Das Anlagekapital wird dabei immer komplett in eines der beiden Instrumente investiert. Es gibt nur eine Regel: Schließt der S&P-500 über der 200-Tage-Linie, investiert die Strategie in den gehebelten ETF. Fällt der Index jedoch unter die 200-Tage-Linie, wird das gesamte Kapital auf dem Tagesgeldkonto geparkt. Im Schnitt war fünfmal im Jahr eine solche Umschichtung nötig.

Die Autoren der Studie, Michael Gayed und Charles Bilello, verweisen darauf, dass ihre Strategie auch mit ETFs funktioniert, die nicht gehebelt sind. Damit hätten Investoren den Markt ebenfalls geschlagen, jedoch nicht ganz so spektakulär wie mit den Hebel-ETFs. Beim Einsatz eines „normalen“, ungehebelten ETF hätte die Überrendite bei durchschnittlich 2 Prozent im Jahr gelegen. Das ist gut, aber deutlich weniger, als gehebelte ETFs gebracht hätten.

Wieso funktioniert die Timing-Strategie so zuverlässig? Wie kommt die Überrendite zu Stande und wieso fällt sie bei gehebelten ETFs weitaus größer aus? Um diese Fragen zu beantworten, unterteilten Gayed und Bilello im ersten Schritt die US-amerikanische Börsengeschichte in zwei Phasen: die Zeit, während der der S&P-500 über dem 200-Tage-Durchschnitt stand, und umgekehrt. Dabei stellten die Experten signifikante Unterschiede fest – insbesondere bei der Volatilität und bei der Rendite. So lag die annualisierte Volatilität in Zeiten über der 200-Tage-Linie bei durchschnittlich 14,7 Prozent. Lag der Index unter dem Durchschnitt, stieg die Volatilität im Schnitt auf 26,5 Prozent. Bei der jährlichen Rendite liegen die Phasen über der 200-Tage-Linie bei 14,1 Prozent – in Zeiten unter dem Durchschnitt steht ein Verlust von 2,3 Prozent zu Buche.

„Befindet sich der Aktienmarkt über der 200-Tage-Linie, entsteht ein Umfeld, das weniger volatil ist und höhere Renditen wahrscheinlicher macht“, urteilen Gayed und Bilello. Die Fakten geben ihnen Recht: In mehreren Studien unterschiedlicher Finanzforscher wurde eine signifikante Verbesserung des Rendite-Risiko-Verhältnisses mit Hilfe einer solchen Timing-Strategie nachgewiesen. Gayed und Bilello gehen in ihrer Forschung allerdings noch einen Schritt weiter und identifizieren „eine Tendenz zu positiven Rendite-Läufen“, die bei einem Kurs oberhalb der 200-Tage-Linie eintritt.

Konkret: Die Wahrscheinlichkeit, dass der S&P-500 die nächsten zwei aufeinanderfolgenden Tage mit einem Plus abschließt, liegt oberhalb der 200-Tage-Linie bei 31 Prozent. Liegt er darunter, reduziert sich diese Wahrscheinlichkeit auf 24 Prozent. Kurzum: Anleger, die eine solche Timing-Strategie verfolgen, nutzen in den meisten Fällen das positive Umfeld, das oberhalb der 200-Tage-Linie entsteht, und flüchten, wenn Volatilität und drohende Kursverfälle wahrscheinlicher werden – und genau da kommt der Hebel ins Spiel.

„Diese grundlegenden Erkenntnisse zur 200-Tage-Linie sind von elementarer Relevanz, wenn wir über Hebel-Strategien diskutieren“, unterstreichen die beiden Experten in ihrer Studie und sprechen dabei den größten Streitpunkt an, der beim Thema Hebelprodukte immer wieder heiß diskutiert wird. Skeptiker behaupten, dass Hebel-ETFs niemals für längere Halteperioden taugen, und sprechen von einer „tickenden Zeitbombe“ im Portfolio. Gayed und Bilello hingegen haben solche Hebel-ETFs in ihrer Rückrechnung gegen den S&P-500 laufen lassen und kommen zu einem weitaus differenzierteren Ergebnis: „Die Behauptung, dass alle Hebel-ETFs irgendwann bei Null enden, ist ein großer Mythos. Auch über einen langen Zeitraum lassen sich mit dem Buy-and-hold-Ansatz deutliche Überrenditen zum Markt erzielen. Das bedeutet aber nicht, dass Hebel-ETFs ohne Risiko sind – im Gegenteil. Die Ursache hierfür finden wir jedoch in der Kombination aus hoher Volatilität und täglichem Hebeln“, skizzieren die Experten die sogenannte dauerhafte Hebelfalle.

Das Gesetz des Hebels

Werden beispielsweise 100 Euro in einen zweifach gehebelten ETF investiert, muss er sich zusätzlich 100 Euro leihen – dies geschieht durch Swaps, Optionen und Futures. Da die Kurse aber schwanken, muss der Fonds täglich Aktien kaufen oder verkaufen, um die Leverage-Quote von mal 2 aufrechtzuerhalten. Fallen die Kurse, steigt logischerweise auch der Verschuldungsgrad, weshalb Assets verkauft werden müssen. Steigt der Index, korrigiert der Hebel-ETF in die andere Richtung.

Das Problem: In einem volatilen Umfeld ist das „mathematisch destruktiv“ – Abwärtsbewegungen schmerzen zweifach, während darauffolgende Aufschwünge auf Grund der reduzierten Basis an Assets die Verluste nicht kompensieren können. Noch einfacher: Wenn Index A bei 100 Punkten steht und am ersten Tag um 10 Prozent steigt und am zweiten Tag wieder um 10 Prozent fällt, steht er am Ende bei 99 Punkten. Wird diese Wertentwicklung allerdings täglich zweifach gehebelt, rangiert der Index am Ende bei 96. Der Verlust ist somit nicht doppelt, sondern viermal so hoch.

„Volatilität ist der größte Feind von Hebeln. In schwankungsarmen Phasen mit stetigen Gewinntagen kommen Hebel-ETFs allerdings bestens zur Geltung“, fassen die Experten zusammen. Kurz gesagt: Hebel-ETFs bieten extreme Chancen und extreme Risiken. Erst in Kombination mit der 200-Tage-Timing-Strategie zeigen sie sich von ihrer besten Seite. So kommt die Strategie mit einem zweifach gehebelten ETF auf den S&P-500 seit 1928 nicht nur auf eine durchschnittliche Rendite von 19,1 Prozent, sondern ist mit einer jährlichen Durchschnittsvolatilität von 24,9 Prozent nur geringfügig volatiler als eine Buy-and-hold-Strategie auf den S&P-500 (18,9 Prozent) und deutlich schwankungsärmer als ein vergleichbarer Hebel-ETF ohne Timing-Ansatz (37,8 Prozent).

Das Beste aus zwei Welten

Das sind Zahlen, die bereits vermuten lassen, dass die 200-Tage-Linie ziemlich zuverlässige Signale liefert, um das Kapital schnellstmöglich auf das sichere Tagesgeldkonto umzuschichten, wenn stürmische Zeiten drohen. Um das zu überprüfen, haben Gayed und Bilello die vier schlimmsten Bärenmärkte in der US-amerikanischen Börsenhistorie überprüft und kommen zu einem klaren Ergebnis: Die 200-Tage-Timing-Strategie konnte in jedem Bärenmarkt den maximalen Drawdown im Vergleich zum US-amerikanischen Aktienmarkt signifikant reduzieren. Selbst mit einem sehr aggressiven Dreifachhebel fielen die maximalen Verluste so in jeder der vier Perioden deutlich geringer aus.

Dieser Kapitalschutz macht sich vor allem mit der Zeit bemerkbar. Während der S&P-500 beispielsweise nach seiner Krise 1929 circa 16,5 Jahre brauchte, um den alten Höchststand zu durchbrechen, waren Anleger mit einer zweifach gehebelten ETF-Strategie zehn Jahre schneller an dem Punkt. „Die Ergebnisse zeigen, dass es durchaus möglich ist, mit systematischen Regeln den Markt langfristig und konstant zu schlagen“, bilanzieren die zwei Urheber der Forschungspapiere. Wichtig sei lediglich zu verstehen, was Hebelprodukten schade und was ihnen gut tue.

Wer hierzulande die beschriebene Long-Strategie mit Hebel-ETFs umsetzen will, kann nicht unter allzu vielen Produkten wählen. Angeboten werden nur ETFs mit doppeltem Hebel. Für den US-Markt hat die DWS (Xtrackers) einen Long-Hebel-ETF auf den S&P-500-Index im Angebot, ebenso wie einen Short-ETF für diesen Index. Lyxor und Comstage bieten Long- und Short-Hebel-ETFs für den Euro-Stoxx-50 an. Bei Com-stage gibt es auch gehebelte ETFs für den Dax.

Sollen noch größere Hebel zum Einsatz kommen, bleiben noch nur Futures oder börsengehandelte Zertifikate, sogenannte Exchange Traded Notes (ETN). Zur Verfügung gestellt werden sie vom britischen Anbieter Boost und der Commerzbank-Tochter Comstage. Eine Übersicht über diese ETNs findet sich in der ETF-Datenbank am Ende des ETF Magazins ab Seite 57 (siehe Link unten).

von Sinan Krieger
© September 2019 ETF Magazin

Dieser Artikel stammt aus dem aktuellen ETF Magazin. Das ETF Magazin erscheint quartalsweise in Zusammenarbeit mit Focus Money und richtet sich an Berater, Vermögensverwalter und Portfoliomanager, ist aber sicher auch für informierte Anleger interessant.

Sie können sich das Magazin als PDF herunterladen: www.boerse-frankfurt.de/etfmagazin


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