Dienstag, 16.07.2019 16:07 von Frankfurter Börsenexperten | Aufrufe: 337

"Jüngst gehäufte Gewinnwarnungen ein Menetekel für den Markt?"

Roger Peeters gibt angesichts der ruckeligen Prognosen etlicher Unternehmen langfristig orientierten Investoren Tipps, wie sie ihr Depot gut über die Sommermonate bringen. Glatt stellen, also alles verkaufen oder hedgen gehört nicht dazu.

15. Juli 2019. FRANKFURT (pfp Advisroy). Angehende Urlauber kennen die Situation: Wenige Wochen vor einer Reise nimmt man die Zieldestination mit in die Wetter-App seines Vertrauens und schaut sicherheitshalber öfter mal drauf, was denn am baldigen Aufenthaltsort wettertechnisch so los ist. Jede Wolke, jeder Regenschauer und jedes Gewitter werden dabei mit Argwohn beobachtet. Eine massive Anhäufung kann die Frage aufwerfen, ob das Reiseziel gut gewählt war.

Was dem Touri sein Sommerurlaub, ist dem Investor seine (sogar quartalsweise vorkommende) Berichtssaison. Ein besonderes Event, das stets einige Zeit vorab seine Schatten voraus wirft. Und in Hinsicht auf die anstehende Berichtssaison zum Halbjahr 2019 wurden zuletzt einige ausgesprochen dunkle Schatten auf das Parkett geworfen.

Insbesondere zyklische Unternehmen mit einer größeren Konjunkturabhängigkeit erkannten nach Beendigung des zweiten Quartals, aber noch vor der Erstellung der umfassenden Reports, dass es bislang so unrund laufe und erklärten die ausgesprochenen Prognosen für das Gesamtjahr Makulatur. Von BASF über Krones, Fuchs Petrolub, Aumann oder Daimler bis hin zur Deutschen Beteiligungs AG – es kamen einige überraschende Stürme auf. Insbesondere im industriell geprägten SDAX gab es Schneisen der Verwüstung. Bei der (zuvor sehr stark gelaufenen) Aktie des Motorenherstellers Deutz etwa reichte ein Vorstandsinterview mit vorsichtigen Untertönen für 30 Prozent Kursverlust binnen weniger Tage.

Liegt nun ein Menetekel für den Gesamtmarkt im Sommer vor? Die Vorboten sind deutlich und häufig genug, dass man sie ernst nehmen kann und soll. Aber was mache langfristig orientierte Investoren mit diesem Unbehagen? Getreu dem Motto „Sell in May and go away“ das komplette Depot über den Sommer auszukehren, ist die radikale Variante, vergleichbar mit dem Stornieren des kompletten Urlaubs. Klar, erspare ich mir so sicher Regentage, aber möglicherweise auch schöne Zeiten. Aus meiner Sicht keine ernsthafte Alternative, auch in Hinsicht auf mitunter aus dem Nichts plötzlich haussierender Märkte wie zuletzt im Januar gesehen.

Der Einsatz von Derivaten kommt ungefähr dem nahe, wenn Urlauber Reisekrankheiten mit massiver Medikamenteneinnahme bekämpfen. Das kann alles funktionieren, führt aber mitunter auch zu heftigen und insbesondere vorab nicht ersichtlichen Nebenwirkungen. Und in jedem Fall kostet der Spaß erstmal, denn Derivate auf Rezept gibt es noch nicht. Auch diese Vorgehensweise ist diskutabel. 

Ein natürlich ebenfalls nicht „todsicherer“, aber durchaus sinnvoller Weg, ist die Gegensteuerung durch Aktienselektion. Wer es schafft, mit einer geschickt gewählten Route gefährliche Unwetter zu umschiffen, hat durchaus Chancen, einige Sonnenstunden abzubekommen. Es ist genauso unwahrscheinlich, dass alle Unternehmen mit vorsichtigeren Ausblicken um die Ecke kommen, wie dass es auf der ganzen Welt regnet.

Bei der Umsetzung dieses Ansatzes gibt es durchaus verschiedene Ansätze. Zwei konträre sind das antizyklische und das prozyklische Handeln. Im ersten Fall greifen Investoren genau dort zu, wo es schon zu schlechten Nachrichten kam. Noch mal mit der Metapher ausgeführt: Hat sich die Wolke ausgeregnet, kann man mutig ohne Schirm spazieren gehen. Prozyklische Investoren hingegen suchen sich die Orte aus, wo gerade besonders stark die Sonne scheint, auch wenn die Buchung in diese Region das Budget etwas stärker in Anspruch nimmt

Sicherlich gibt es für beide Wege gute Argumente. Sowohl in diesem Sommer als auch generell. Wir von pfp setzen aber entschieden und überzeugt auf den zweiten Weg. Die Erfahrung bestätigt immer wieder, dass auf einen Sonnentag eher ein weiterer Sonnentag folgt als auf einen Tag mit Unwettern. In diesem Sinne: Kommen Sie gut über die Urlaubs- und Reportingzeit.

von Roger Peeters,
© 15. Juli 2019, pfp Advisory

Roger Peeters ist geschäftsführender Gesellschafter der pfp Advisory GmbH. Gemeinsam mit seinem Partner Christoph Frank steuert der seit über 20 Jahren am deutschen Aktienmarkt aktive Experte den DWS Concept Platow Fonds (WKN DWSK62), einen 2006 aufgelegten und mehrfach ausgezeichneten Stock-Picking-Fonds. Weitere Infos unter www.pfp-advisory.de. Peeters ist weiterhin Mitglied des Vorstands der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) e.V.. Roger Peeters schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.


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