Donnerstag, 24.05.2018 18:00 von Klaus Stopp | Aufrufe: 376

Italien provoziert neue Krise für die Eurozone

Für Clemens Fuest ist die Sache klar. Der Eurozone droht nach Überzeugung des Chefs des Münchner Ifo-Instituts eine neue Krise. Stellt doch die künftige italienische Koalitionsregierung aus Fünf-Sterne-Bewegung und der fremdenfeindlichen Lega für ihn die Grundlagen der Eurozone in Frage. Die EZB solle daher überprüfen, ob sie weiterhin italienische Staatsanleihen kaufen könne, fordert Fuest.  Wieso sollte sie auch noch? Die mehr oder weniger unverblümte Forderung der Regierungsparteien in spe, die EZB möge Italien doch bitteschön möglichst 250 Mrd. € an Staatsschulden erlassen, wirkt wie ein Affront gegenüber den anderen Mitgliedern der europäischen Gemeinschaft. Und man darf gespannt sein, wen der politische Neuling Guiseppe Conte, dem am gestrigen Abend das Mandat zur Regierungsbildung erteilt wurde, als Kabinettsmitglieder aufstellen wird.

Mit dem Schuldenerlass würde auch das bisher geltende Verbot der Staatsfinanzierung durch die als unabhängig geltende Notenbank über Bord geworfen werden. Dass es überhaupt zu einer solchen Forderung kommen konnte, war nur durch den Ankauf von europäischen Staatsanleihen durch die EZB möglich. Diese Maßnahme ist bekanntlich deshalb nicht unumstritten, weil sie bereits als verdeckte Staatsfinanzierung gewertet werden kann.

Insgesamt hat die EZB auf diese Weise italienische Staatsanleihen über rund 425 Mrd. € in ihre Bücher genommen, von denen laut der Gedankenspiele von Fünf Sterne und Lega eben nun mal kurzerhand Titel im Volumen von 250 Mrd. € dem Land erlassen werden sollen. Zwar ruderte man beim angedachten Schuldenerlass durch die EZB prompt wieder zurück. Aber dass solche Szenarien überhaupt entworfen werden zeigt, wie salonfähig der Gedanke, Schulden mit einem einfachen Pinselstrich zu streichen, in Rom geworden ist. Dabei will man die Schulden eben gerade nicht durch einen allgemeinen Haircut reduzieren, da zwei Drittel der italienischen Schulden von den heimischen Banken und der eigenen Bevölkerung gehalten werden. Müssten diese einen allgemeinen Schuldenschnitt mittragen, so würden die Fünf-Sterne-Bewegung und die Lega ihre eigene Wählerklientel treffen.

Während andere Länder wie Spanien und Portugal die Zeit der Niedrigzinsen genutzt haben, ihre Schulden abzubauen, wurde dies in Italien versäumt. Dies sorgt für Druck auf den Italiener Mario Draghi an der Spitze der EZB beim weiteren Vorgehen in der Geldpolitik. Zwar wird an den Finanzmärkten noch in diesem Jahr mit einem Ende der Anleihekäufe gerechnet, aber nun könnte der Druck aus Rom dazu führen, dass Draghi am Ende womöglich versucht wäre, die expansive Geldpolitik noch beizubehalten.

Die Rolle der EZB wird aber schon jetzt an den relativ geringen Risikoprämien für italienische Staatsanleihen, die aus abwicklungstechnischen Gründen an keiner deutschen Börse gehandelt werden, deutlich. Zwar erhöhte sich der Renditespread zweijähriger italienischer Schuldentitel gegenüber Bundesanleihen bis auf ca. 0,90  Prozentpunkte (PP) und zehnjährige Bonds aus Rom rentierten zwischenzeitlich sogar rund 1,90 PP höher als vergleichbare Titel aus Berlin. Dennoch ist der Risikoaufschlag, den Italien demnach bezahlen muss, nicht so hoch, wie man ihn vielleicht erwarten könnte. Immerhin, 2011 nach der Finanzkrise lag der Spread in der Spitze bei über 5 Punkten! Das Vertrauen in den Rettungsanker namens EZB ist an den Märkten also bereits berücksichtigt, aber noch ist nicht aller Tage Abend. Aktuell haben sich die Renditespreads wieder bei ca. 0,80 PP bzw. 1,84 PP eingependelt.

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Baader Bank AG
Klaus Stopp ist Head of Market Making Bonds bei der Baader Bank AG. Baader betreut an den Börsenplätzen Berlin, Frankfurt und München u.a. den Handel mit Anleihen und betreut Deutschlands führende Anleihen-Website Bondboard.
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