Donnerstag, 21.06.2018 11:08 von Sven Weisenhaus | Aufrufe: 456

Handelskonflikte mit den USA weiten sich aus

Nahezu jeden Tag erreichen uns neue Meldungen über neue Handelszölle, die den Mainstream-Medien zufolge für die jüngsten Kursverluste an den Aktienmärkten verantwortlich zu machen sind. Dabei wird insbesondere der amerikanisch-chinesische Handelsstreit in den Blickpunkt gerückt. Hier stellt sich mir aber die Frage, wieso der DAX deutlich stärker und nachhaltiger Punkte verloren hat als die US-Indizes? Schließlich sind die deutschen Firmen nur indirekt von den Zöllen zwischen China und den USA betroffen – wenn überhaupt. Es scheint also eine Unstimmigkeit zu geben bei der Argumentation der Medien.

Zwischen Tatsache und Drohung bleibt ein Unterschied

Das es Auswirkungen auf die Aktienkurse gibt, will ich gar nicht bestreiten, aber es handelt sich bei ihnen bislang nur um verbale Absichtserklärungen, genau wie bei den jüngsten Entscheidungen der Europäischen Zentralbank. Im Rahmen des Streits um die Zölle, könnte man vielleicht sogar von Drohungen sprechen mit einem rein taktischen Charakter. An den Märkten kommt es schlussendlich aber auf die Tatsachen an - wie zum Beispiel die Zinsanhebung der Fed. Dementsprechend sehe ich eher die erneute Zinsanhebung der US-Notenbank bzw. die Positionierung der FOMC-Mitglieder in Richtung einer vierten Zinsanhebung im laufenden Jahr als Auslöser für die jüngsten Kursverluste. Der folgende Chart des Dow Jones untermauert meines Erachtens diese Haltung.

Dow Jones - Chartanalyse

Man sieht wie die jüngste Abwärtsbewegung unmittelbar nach der Fed-Zinsentscheidung in Gang kam, genauso wie auch schon bei der Zinsanhebung im März. Diese bekam dann durch die Ankündigung neuer Zölle lediglich weiteren Treibstoff. Nichtsdestotrotz gilt es die Entwicklungen der Zölle weiter genau zu beobachten. Schließlich sieht es so aus, als würden die Ereignisse so langsam eskalieren.

Trump erhöht Zollvolumen auf 200 Mrd. Dollar

In erster Reihe steht natürlich US-Präsident Donald Trump, der neue Zölle auf chinesische Waren im Volumen von 200 Milliarden Dollar verhängen möchte. Bis dato ging es „nur“ um Zölle im Wert von 100 Milliarden Dollar, falls China mit Gegenmaßnahmen reagieren sollte. Die neuen Zölle sollten nach dem Abschluss des juristischen Prozesses dann umgesetzt werden, wenn China sich weigert, etwas an seinen Praktiken zu ändern und zudem selber seine jüngst angekündigten Gegenzölle in Kraft treten lässt.

Am vergangenen Freitag erhob Trump Strafzölle von 25 Prozent auf 1.102 Produkte aus China im Wert von 50 Milliarden US-Dollar. China will mit Vergeltungszöllen auf amerikanische Waren im Wert von ebenfalls 50 Milliarden Dollar reagieren.

EU-Staaten sind einstimmig für Gegenzölle

Die USA haben sich aber nicht nur in einen Streit mit China begeben, sondern bestreiten gleich noch mit einigen anderen Ländern einen Handelsstreit. Erst am vergangenen Donnerstag beschlossen die EU-Staaten „einstimmig“ als Gegenreaktion Zölle auf US-Waren im Wert von 2,8 Milliarden Euro. Diese wurden dann gestern noch formell von den EU-Kommissaren abgesegnet und treten somit am kommenden Freitag, den 22. Juni, in Kraft.

Nach den WTO-Regeln war gestern auch der früheste Termin, an dem diese Zölle in Kraft treten dürften. Die EU hatte schon vor Wochen ihre Gegenzölle in Höhe von 25 % bei der Welthandelsorganisation eingereicht.

Zudem ist die zweite Stufe von Strafzöllen bereits in Vorbereitung. Demnach werden ab 2021 weitere US-Produkte im Wert von 3,6 Milliarden Euro mit Zöllen belegt. Damit ergibt sich aufsummiert ein Wert von 6,4 Milliarden Euro. Dies entspricht dem Wert, mit dem die USA Stahl und Aluminium aus Europa mit Zöllen belegten. Die US-Zölle sollen dabei nicht mit den Regeln der WTO im Einklang stehen.

Mexiko und Russland reagieren ebenfalls

Und auch die Mexikanische Regierung verhängte vor einigen Tagen Einfuhrzölle in Höhe von 20 % auf Schweinefleisch aus den USA. Dabei handelt es sich um einen Teil der Vergeltungsmaßnahmen für die von US-Präsident Donald Trump verhängten Zölle auf Stahl und Aluminium aus Mexiko. Das Volumen liegt bei etwa einer Milliarde Dollar im Jahr und macht 90 % der Schweinefleischimporte aus den USA aus.

Zudem gab Russland vorgestern bekannt, ebenfalls auf die amerikanischen Stahl- und Aluminiumzölle reagieren zu wollen. So berief sich Wirtschaftsminister Maxim Oreschkin dazu bereits auf Russlands Rechte als Mitglied der Welthandelsorganisation WTO.

China reduziert bereits einige Importzölle

Dabei gibt es durchaus schon erste Ergebnisse aus dem Handelsstreit. So kündigte China eine Senkung der Importzölle auf fast 1.500 Konsumgüter an - von Kosmetik bis zu Haushaltsgeräten. Der durchschnittliche Zollsatz soll von aktuell 15,7 % auf 6,9 % sinken, was eine Reduktion von 60 % entsprechen würde. Doch schon bevor die neue Regelung am 1. Juli in Kraft tritt, fielen die Zölle auf knapp 200 Produkte wie Lebensmittel, Pharmaartikel und Bekleidung von 17,3 % auf 7,7 %. Zudem machte China kürzlich ein Angebot zum Kauf von US-Gütern im Wert von knapp 70 Milliarden Dollar. Dadurch würden die US-Exporte nach China um 53,8 % im Vergleich zu 2017 steigen.

Nicht genug für Trump

Dies schien Trump aber nicht gereicht zu haben. Er hat ein Problem mit dem hohen Handelsdefizit seines Landes mit China, welches im vergangenen Jahr nach US-Angaben bei gut 375 Milliarden Dollar lag. Inwieweit aber neue Zölle die richtige Lösung für dieses Problem sind, werden wir unter anderem in Zukunft in den Handelsbilanzen der Länder sehen.

Zölle sorgen für anhaltende Belastung

Ganz klar ist jedoch, dass diese Maßnahmen Gift für die Aktienkurse sind. Jedoch eines, worauf man sich vorbereiten kann. So wurden bislang sehr viele Zölle beschlossen, aber wirklich verhängt nur relativ wenige. Auch wenn nun Gegenmaßnahme auf Gegenmaßnahme folgt, dreht sich die Eskalationsspirale trotzdem nur langsam weiter.

Deshalb wird sich der Handelsstreit nicht plötzlich und dramatisch auf die Aktienkurse auswirken, sondern die Kurse eher über einen längeren Zeitraum belasten, genauso wie die zunehmend restriktivere Geldpolitik der Notenbanken. Dieses Szenario passt außerdem zu meiner Einschätzung, dass es eine länger anhaltende Seitwärtsbewegung der Aktienmärkte auf hohem Niveau geben wird. Der jüngste Kursrutsch im Dow Jones deutet dies ebenfalls bereits an (gelbes Rechteck im Chart oben).

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage

Ihr
Sven Weisenhaus

(Quelle: www.stockstreet.de)


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Stockstreet GmbH
Sven Weisenhaus ist Trader und Börsenanalyst. Seine Erfahrungen und Analysen zu den Themen Geldanlage, Börse und Finanzen veröffentlicht er als Redakteur in verschiedenen Publikationen. Er schrieb z.B. über mehrere Jahre einen auf die Elliott-Wellen-Theorie spezialisierten Börsendienst. Seit 2012 veröffentlicht er als Chefanalyst und inzwischen Geschäftsführer einen renommierten Börsennewsletter. Seit einigen Jahren gehört er zum Team von Stockstreet.de und schreibt dort unter anderem die Analysen des „Target-Trend-Spezial“ - einem börsentäglichen Dienst, der unter anderem den DAX nach der Target-Trend-Methode analysiert. Sven Weisenhaus hat auch die Redaktion des bekannten Newsletters "Börse-Intern" übernommen. Für mehr Information: https://www.stockstreet.de/
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