Sonntag, 10.06.2018 11:00 von Klaus Stopp | Aufrufe: 230

Eine neue Krisenfeuerwehr für die Eurozone

Na, wenn er das sagt… Ausgerechnet Bundesbankpräsident Jens Weidmann, der an den Märkten großes Vertrauen genießt, schließt eine erweiterte Gemeinschaftshaftung in der Währungsunion nicht grundsätzlich aus. Die in Deutschland sehr skeptisch gesehene gemeinsame europäische Einlagensicherung könne einen Beitrag zu einem stabileren Finanzsystem leisten, da dann das Risiko einer Panik sinken würde. „Und auch hier liefert die gemeinsame Verantwortung für die Aufsicht gute Argumente für eine gemeinsame Haftung“, so der Bundesbankchef. Aber Weidmann wäre nicht Weidmann, würde er diesen erstmals von ihm lancierten Vorstoß nicht an Bedingungen knüpfen.

Vor der Einrichtung einer gemeinsamen Einlagensicherung müssten die Risiken abgebaut werden, die in nationaler Verantwortung entstanden seien, forderte er. Außerdem müsse der Einfluss der nationalen Politik auf die Bankbilanzen zurückgedrängt werden. Zu den Altrisiken zählt Weidmann dabei nicht nur die immer noch hohen Bestände an faulen Krediten, sondern auch den hohen Anteil an Staatsanleihen in den Bankbilanzen. Weidmann kritisierte, dass Letztere regulatorisch immer noch in ungerechtfertigtem Ausmaß privilegiert würden. Vor der Schaffung einer Einlagensicherung müssten die daraus resultierenden staatlichen Ausfallrisiken in den Bankbilanzen ebenso verringert werden wie die notleidenden Kredite.

Setzt Weidmann damit solch hohe Hürden, dass sie manche Länder wie Italien kaum werden überspringen können? Ist damit sein Plädoyer für eine Gemeinschaftshaftung unter bestimmten Bedingungen eine Chimäre? Nein, er macht nur die Verantwortlichkeiten klar, welche die Verursacher von Schulden und Wackelkrediten übernehmen müssen, um ihnen gleichzeitig ein Angebot für eine erstrebenswerte Zusammenarbeit zu machen, die eben nur nach bestimmten Regeln funktionieren kann. Damit sekundiert Weidmann auch indirekt Angela Merkel in ihrem zögerlichen Bemühen, Emmanuel Macron endlich auf seine europapolitischen Vorschläge zu antworten. Ohnehin hat der Bundesbankpräsident die Regierungen in Paris und Berlin zum Schulterschluss auf dem Weg zu Reformen der Euro-Zone aufgefordert.

Inzwischen plädiert die Kanzlerin unter anderem für die Schaffung eines Europäischen Währungsfonds (EWF), der über ähnliche Instrumente wie der Internationale Währungsfonds (IWF) verfügen soll. So ist zu erwarten, dass sich die europäischen Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfel Ende Juni im Kern auf einen EWF verständigen werden. Der Eurorettungsfonds ESM, der in der Schuldenkrise gegründet wurde, soll in diesem Zuge zum Währungsfonds ausgebaut werden.

Nach dem Vorbild des 1945 gegründeten Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington wollen die Eurostaaten eine eigene Krisenfeuerwehr schaffen – eine Idee, die übrigens vom früheren Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble stammt. Der EWF könnte mit Kreditlinien und Garantien Euro-Staaten in der Not helfen. Der Bundestag soll sein Mitspracherecht behalten, falls der Euro-Rettungsfonds ESM zu einem Europäischen Währungsfonds umgebaut wird. Denkbar wäre demnach beispielsweise, dass der EWF im Fall eines harten Brexits Irland mit einer Finanzspritze unterstützt.

Aber steht mit der Idee eines EWF nicht wieder das Geld der Steuerzahler im Feuer? Wenn aus dem Rettungsfonds ESM künftig der Europäische Währungsfonds wird, geht es um viel Geld. Der ESM hatte bei seiner Gründung ein Ausleihvolumen von 500 Mrd. € zur Verfügung, wovon aktuell 380 Mrd. € ungenutzt sind. Die Euroländer haften beim ESM nicht nur mit Garantien, sondern stellten ihm auch Bargeld zur Verfügung – im Fall von Deutschland waren das 22 Mrd. €. Ob mit der Schaffung des EWF neues Geld aufgebracht werden muss, hängt davon ab, wie strikt die Regeln des künftigen Währungsfonds sind. Und wie streng sie eingehalten werden.

Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: www.bondboard.de/Newsletter/Disclaimer


Über den Autor

RSS-Feed


Baader Bank AG
Klaus Stopp ist Head of Market Making Bonds bei der Baader Bank AG. Baader betreut an den Börsenplätzen Berlin, Frankfurt und München u.a. den Handel mit Anleihen und betreut Deutschlands führende Anleihen-Website Bondboard.
Sie wollen regelmäßig über die Rentenmärkte auf dem Laufenden bleiben? Abonnieren Sie kostenlos den Newsletter "Baader Bond Markets", ein wöchentlicher Überblick über die Bond-Märkte, mit Blick auf nationale & internationale Konjunktur, Corporate Bonds und Währungsanleihen, sowie interessante Neuemissionen.
Link zur aktuellen Ausgabe
Hier abonnieren
Werbung

Mehr Nachrichten kostenlos abonnieren

E-Mail-Adresse
Benachrichtigungen von ARIVA.DE
(Mit der Bestellung akzeptierst du die Datenschutzhinweise)

Hinweis: ARIVA.DE veröffentlicht in dieser Rubrik Analysen, Kolumnen und Nachrichten aus verschiedenen Quellen. Die ARIVA.DE AG ist nicht verantwortlich für Inhalte, die erkennbar von Dritten in den „News“-Bereich dieser Webseite eingestellt worden sind, und macht sich diese nicht zu Eigen. Diese Inhalte sind insbesondere durch eine entsprechende „von“-Kennzeichnung unterhalb der Artikelüberschrift und/oder durch den Link „Um den vollständigen Artikel zu lesen, klicken Sie bitte hier.“ erkennbar; verantwortlich für diese Inhalte ist allein der genannte Dritte.