Na, wenn er das sagt… Ausgerechnet Bundesbankpräsident Jens Weidmann, der an den Märkten großes Vertrauen genießt, schließt eine erweiterte Gemeinschaftshaftung in der Währungsunion nicht grundsätzlich aus. Die in Deutschland sehr skeptisch gesehene gemeinsame europäische Einlagensicherung könne einen Beitrag zu einem stabileren Finanzsystem leisten, da dann das Risiko einer Panik sinken würde. „Und auch hier liefert die gemeinsame Verantwortung für die Aufsicht gute Argumente für eine gemeinsame Haftung“, so der Bundesbankchef. Aber Weidmann wäre nicht Weidmann, würde er diesen erstmals von ihm lancierten Vorstoß nicht an Bedingungen knüpfen.
Vor der Einrichtung einer gemeinsamen Einlagensicherung müssten die Risiken abgebaut werden, die in nationaler Verantwortung entstanden seien, forderte er. Außerdem müsse der Einfluss der nationalen Politik auf die Bankbilanzen zurückgedrängt werden. Zu den Altrisiken zählt Weidmann dabei nicht nur die immer noch hohen Bestände an faulen Krediten, sondern auch den hohen Anteil an Staatsanleihen in den Bankbilanzen. Weidmann kritisierte, dass Letztere regulatorisch immer noch in ungerechtfertigtem Ausmaß privilegiert würden. Vor der Schaffung einer Einlagensicherung müssten die daraus resultierenden staatlichen Ausfallrisiken in den Bankbilanzen ebenso verringert werden wie die notleidenden Kredite.
Setzt Weidmann damit solch hohe Hürden, dass sie manche Länder wie Italien kaum werden überspringen können? Ist damit sein Plädoyer für eine Gemeinschaftshaftung unter bestimmten Bedingungen eine Chimäre? Nein, er macht nur die Verantwortlichkeiten klar, welche die Verursacher von Schulden und Wackelkrediten übernehmen müssen, um ihnen gleichzeitig ein Angebot für eine erstrebenswerte Zusammenarbeit zu machen, die eben nur nach bestimmten Regeln funktionieren kann. Damit sekundiert Weidmann auch indirekt Angela Merkel in ihrem zögerlichen Bemühen, Emmanuel Macron endlich auf seine europapolitischen Vorschläge zu antworten. Ohnehin hat der Bundesbankpräsident die Regierungen in Paris und Berlin zum Schulterschluss auf dem Weg zu Reformen der Euro-Zone aufgefordert.
Inzwischen plädiert die Kanzlerin unter anderem für die Schaffung eines Europäischen Währungsfonds (EWF), der über ähnliche Instrumente wie der Internationale Währungsfonds (IWF) verfügen soll. So ist zu erwarten, dass sich die europäischen Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfel Ende Juni im Kern auf einen EWF verständigen werden. Der Eurorettungsfonds ESM, der in der Schuldenkrise gegründet wurde, soll in diesem Zuge zum Währungsfonds ausgebaut werden.
Nach dem Vorbild des 1945 gegründeten Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington wollen die Eurostaaten eine eigene Krisenfeuerwehr schaffen – eine Idee, die übrigens vom früheren Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble stammt. Der EWF könnte mit Kreditlinien und Garantien Euro-Staaten in der Not helfen. Der Bundestag soll sein Mitspracherecht behalten, falls der Euro-Rettungsfonds ESM zu einem Europäischen Währungsfonds umgebaut wird. Denkbar wäre demnach beispielsweise, dass der EWF im Fall eines harten Brexits Irland mit einer Finanzspritze unterstützt.
Aber steht mit der Idee eines EWF nicht wieder das Geld der Steuerzahler im Feuer? Wenn aus dem Rettungsfonds ESM künftig der Europäische Währungsfonds wird, geht es um viel Geld. Der ESM hatte bei seiner Gründung ein Ausleihvolumen von 500 Mrd. € zur Verfügung, wovon aktuell 380 Mrd. € ungenutzt sind. Die Euroländer haften beim ESM nicht nur mit Garantien, sondern stellten ihm auch Bargeld zur Verfügung – im Fall von Deutschland waren das 22 Mrd. €. Ob mit der Schaffung des EWF neues Geld aufgebracht werden muss, hängt davon ab, wie strikt die Regeln des künftigen Währungsfonds sind. Und wie streng sie eingehalten werden.
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