Donnerstag, 16.08.2018 18:34 von Alexander Coenen | Aufrufe: 581

Deutsches Biotech mit großen Ambitionen

Formycon ist ein führender konzernunabhängiger Entwickler von qualitativ hochwertigen Nachfolgeprodukten biopharmazeutischer Arzneimittel, sogenannten Biosimilars. Dabei fokussiert sich das Unternehmen auf Therapien in der Ophthalmologie und Immunologie sowie auf weitere wichtige chronische Erkrankungen und deckt die gesamte Wertschöpfungskette von der technischen Entwicklung bis zur klinischen Phase III sowie der Erstellung der Zulassungsunterlagen ab. Mit seinen Biosimilars leistet Formycon einen bedeutenden Beitrag, um möglichst vielen Patienten den Zugang zu wichtigen und bezahlbaren Arzneimitteln zu ermöglichen. Derzeit hat Formycon vier Biosimilars in der Entwicklung.

Biosimilars sind Nachfolgeprodukte von biopharmazeutischen Arzneimitteln, deren Marktexklusivität ausgelaufen ist. Der Zulassungsprozess in den hoch regulierten Märkten wie EU, USA, Japan, Kanada und Australien folgt dabei strikten regulatorischen Anforderungen, die an der Vergleichbarkeit des Biosimilars mit dem Referenzprodukt ausgerichtet sind. Derzeit beträgt der weltweite Umsatz mit Biosimilars über fünf Milliarden Dollar. Bis 2025 könnte er nach Analystenschätzungen auf rund 30 Milliarden Dollar steigen.

 

Anbei die Fragen und Antworten des heutigen Vorstandsinterviews mit Dr. Nicolas Combé, CFO der Formycon AG:

 

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Können Sie uns als Laien den Unterschied zwischen Generika und Biosimilars erklären?

 

Dr. Nicolas Combé

Generika wie auch Biosimilars sind Nachfolgeprodukten von Arzneimitteln. Beide Produktklassen können dann vermarktet werden, wenn der gesetzliche Schutz der jeweiligen Referenzprodukte ausgelaufen ist. Der entscheidende Unterschied liegt darin, dass Generika Nachfolgeprodukte für kleine chemische Moleküle sind, die mit vergleichsweise geringem Aufwand und zu überschaubaren Kosten entwickelt werden können. Zudem gibt es einen klaren Bauplan der Referenzpräparate, so dass Generikafirmen 1-zu-1-Kopien erstellen können.

 

Biosimilars dagegen sind biopharmazeutische Arzneimittel, die mit Hilfe der Gentechnik aus lebenden Zellen hergestellt werden und eine sehr komplexe Molekülstruktur haben. Auch ihre Entwicklung und Produktion ist somit viel komplexer als dies bei Generika der Fall ist. Die Referenzprodukte, sogenannte Biopharmazeutika, haben die Medizin in den vergangenen zwei, drei Jahrzehnten revolutioniert. Viele therapeutische Durchbrüche waren nur mithilfe dieser Arzneimittel möglich. Allerdings zählen diese Produkte in der Regel auch zu den teuersten Arzneimitteln überhaupt, sie kosten teilweise einige hunderttausend Euro pro Patient und Behandlungsjahr. Biosimilars leisten bei erwiesener gleicher Wirksamkeit und Qualität einen wesentlichen Beitrag zur Versorgung einer größeren Anzahl von Patienten mit diesen wichtigen Arzneimitteln.

 

Dr. Nicolas Combé

Der Auswahl unserer Biosimilarkandidaten geht ein umfassender Evaluierungsprozess voraus. Wir möchten unseren Lizenz- und Entwicklungspartnern die Möglichkeit bieten, als einer der ersten Anbieter ein Biosimilar des korrespondierenden Referenzproduktes auf den Markt zu bringen. Aus diesem Grund ist es wichtig, rechtzeitig mit der Entwicklung zu beginnen. Dies insbesondere auch, weil es uns die Chance gibt, eine eigene Position für Schutzrechte und geistiges Eigentum aufzubauen. Grundsätzlich blicken wir auf Faktoren wie das zukünftige Marktpotenzial, Spezifika des Moleküls oder die patentrechtliche Situation der Referenzprodukte.

 

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Wenn man sich die aktuelle Pipeline der Formycon AG ansieht, so fällt auf, dass auch die Biosimilars klinische Testphasen durchlaufen müssen. Was sind denn hier die Vorteile in Punkto Zeit und Geld / Investition gegenüber dem traditionellen Zulassungsverfahren?

 

Dr. Nicolas Combé

Im Vergleich zu den Referenzprodukten ist bei Biosimilars das klinische Programm deutlich reduziert. Beispielsweise werden keine Phase-II-Studien verlangt, da Indikation und Dosierung durch die Referenzprodukte vorgegeben sind. Die klinische Entwicklung der Biosimilars dient der Bestätigung der Hypothese, dass man ein vergleichbares Molekül hat, was zuvor im Rahmen der technischen und präklinischen Entwicklung umfassend analytisch nachzuweisen ist. Im Normalfall reichen eine Phase-I-Studie, um pharmakodynamische und pharmakokinetische Äquivalenz zu zeigen, sowie eine Phase-III-Studie zum Nachweis vergleichbarer Wirksamkeit, Sicherheit und Immunogenität aus. Die Kosten für eine Biosimilarentwicklung bewegen sich so etwa in einem Bereich zwischen 100 und 150 Millionen Euro. Dies sind natürlich noch immer beachtliche Volumina; im Vergleich zu einer innovativen Arzneimittelentwicklung, die heute bis zu zwei Milliarden Euro kosten kann, sind aber deutliche Unterschiede erkennbar. Zudem sind Biosimilarprojekte zeitlich recht gut planbar, da die Entwicklung einem stringenten Prozess folgt. Hier ist von Entwicklungszeiten von sieben bis acht Jahren auszugehen.

 

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Die First Berlin Equity Research GmbH hat Anfang Juni eine Kaufstudie mit dem Kursziel 53,00 Euro für die Aktien der Formycon AG veröffentlicht. Der Analyst Simon Scholes geht hierbei von einem Umsatzrückgang von 35 Millionen Euro im laufenden Geschäftsjahr auf 24,2 Millionen Euro im kommenden Geschäftsjahr aus. Auf was ist dieser Umsatzrückgang zurückzuführen und wo liegt das Umsatzziel in drei- bis fünf Jahren?

 

Dr. Nicolas Combé

In der derzeitigen Unternehmensphase generieren wir Umsätze durch Entwicklungsleistungen, die wir für unsere auslizenzierten oder im Rahmen von Partnerschaften entwickelten Biosimilarprojekte erhalten. Abhängig von den jeweiligen Projektphasen bewegen sich diese in gewissen Schwankungsbreiten, so dass es durchaus auch einmal zu einem Umsatzrückgang kommen kann. Dies ist aus meiner Sicht aber in keiner Weise entscheidend für eine Bewertung des Unternehmens. Zentral für Formycon ist es, die laufenden Biosimilarprojekte erfolgreich zur Zulassung zu bringen.

Durch unsere Umsatzbeteiligungen in den auslizenzierten Projekten FYB201 und FYB203 sowie die direkte Beteiligung an dem Projekt FYB202 erwarten wir signifikante Zahlungsströme nach dem Vermarktungsstart der Produkte. Das kombinierte Marktvolumen der Referenzprojekte unserer drei Hauptprojekte sollte sich im Jahr 2018 jenseits von 13 Milliarden US-Dollar bewegen. Dies zeigt die Potenziale, die sich für unsere Partner und damit für uns ergeben.

 

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In dem zuvor erwähnten Research gibt es keine Peergroup-Bewertung, also keinen Vergleich mit börsennotierten Mitbewerbern. Mit welchen börsennotierten Gesellschaften ist die Formycon denn am ehesten zu vergleichen und wie sieht die aktuelle Bewertung der Formycon AG im Vergleich zu diesen Mitbewerbern aus? Ist sie eher ambitioniert oder unterbewertet?

 

Dr. Nicolas Combé

Die Medikamentenklasse Biosimilars ist eine noch ziemlich junge, so dass es einfach nicht viele Peers gibt. Als konzernunabhängiger und relativ integrierter Biosimilarentwickler haben wir zumindest in Europa sicherlich eine Alleinstellung und sind daher schwer vergleichbar. Global betrachtet könnte man gewisse Anlehnungen an Unternehmen wie Coherus oder Celltrion vornehmen, wobei die strategische Positionierung jeweils eine andere ist. Zur Unternehmensbewertung möchte ich keine Einschätzung abgeben. Ich denke, die in der vorherigen Frage genannten, von unseren Partnern und uns adressierten Marktvolumina zeigen, welches Potenzial in Formycon steckt.

 

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Beschreiben Sie uns doch kurz die Produkte, die in der aktuellen Pipeline stecken und deren Markt- bzw. Umsatzpotential.

 

Dr. Nicolas Combé

Das am weitesten fortgeschrittene Produkt in unserer Pipeline ist FYB201, ein Biosimilar des ophthalmologischen Blockbusters Ranibizumab beziehungsweise des Referenzproduktes Lucentis®. Lucentis wird unter anderem bei Patienten mit neovaskulärer altersbedingter Makuladegeneration (nAMD) eingesetzt, eine Augenerkrankung, die unbehandelt bis zur Blindheit führen kann. In der globalen klinischen Phase-III-Studie mit FYB201 wurde Ende Juni wie geplant die Behandlung des letzten Patienten abgeschlossen. Bereits im Mai hatten wir nach einer Zwischenauswertung über die Erreichung des primären Endpunktes in der Studie informiert. Wir erwarten die abschließenden Ergebnisse der Studie in den kommenden Wochen, sind aber sehr optimistisch, was die Erreichung dieses wichtigen Meilensteins angeht.

 

Bei FYB203 handelt es sich um einen Biosimilar-Kandidaten für Eylea®. Wie Lucentis® wird Eylea® zur Behandlung der neovaskulären altersbedingten Makuladegeneration und anderer ernsthafter Augenerkrankungen eingesetzt, hat aber einen anderen Wirkmechanismus. Mit FYB201 und FYB203 umfasst unsere Entwicklungspipeline die beiden wichtigsten und umsatzstärksten Medikamente auf dem Gebiet der Ophthalmologie. FYB203 befindet sich in einer späten Phase der präklinischen Entwicklung.

 

FYB202 ist ein Biosimilar-Kandidat für Stelara® (Ustekinumab), ein humaner monoklonaler Antikörper. Seit 2009 wird das Arzneimittel zur Behandlung verschiedener schwerwiegender inflammatorischer Erkrankungen wie mittelschwerer bis schwerer Psoriasis (Schuppenflechte) eingesetzt. 2016 folgte eine Indikationserweiterung, mit welcher Ustekinumab auch für die Behandlung von Morbus Crohn zugelassen wurde. Ustekinumab adressiert ein großes Patientenpotenzial, setzte im vergangenen Jahr rund vier Milliarden Dollar um und hat ein weiteres erhebliches Wachstumspotenzial. FYB202 befindet sich ebenfalls in einer späten Phase der präklinischen Entwicklung. Schließlich haben wir mit FYB205 ein Projekt in unserer Pipeline, welches sich in einem frühen Stadium befindet, zu dem wir bislang aber noch keine näheren Angaben gemacht haben.

 

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Welche Produkte sollen zusätzlich zu der bestehenden Pipeline entwickelt werden? Denken Sie hier an eigene Entwicklungen oder eher an den Zukauf bestehender Biosimilars in Testphasen von Mitbewerbern?

 

Dr. Nicolas Combé

Unser primäres Ziel ist es, auch in Zukunft aussichtsreiche Biosimilar-Kandidaten zu identifizieren, deren Entwicklung zu beginnen und damit unsere Pipeline sukzessive auszubauen. Welche Projekte wir dabei aufnehmen werden, hängt wie erwähnt von einer Vielzahl von Kriterien ab, die wir genau bewerten. Grundsätzlich streben wir an, bei künftigen Projekten unsere Beteiligung an den Projektrechten sukzessive zu erhöhen.

 

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Die Formycon AG hat derzeit rund 15 Millionen Euro liquide Mittel in der Bilanz. Reichen diese Reserven aus oder sind eine Kapitalerhöhung bzw. die Ausgabe einer Anleihe denkbar oder schon in Vorbereitung?

 

Dr. Nicolas Combé

Die Entwicklungskosten von FYB201 und FYB203 werden von unseren jeweiligen Lizenzpartnern getragen. Bei FYB202 beträgt unser Anteil am Entwicklungsbudget knapp 25 Prozent. Mit unserer aktuellen Liquidität, mit der wir auch gewisse Arbeiten vorfinanzieren, sollten wir also über ausreichend Mittel zur Entwicklung der bestehenden Pipeline verfügen. Eventuelle Kapitalmaßnahmen sind dann denkbar, wenn sich daraus ein strategischer Mehrwert für unser Unternehmen ergibt. 

 

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Wenn man sich die Aktionärsstruktur der Formycon AG ansieht, dann sind dort vornehmlich Investoren aus dem deutschsprachigen Raum zu finden. Steht die Formycon AG noch nicht auf dem Radar internationaler Investoren und wenn dem so ist, gibt es keine Bestrebungen dies zu ändern?

 

Dr. Nicolas Combé

Wir fühlen uns mit unserer aktuellen Aktionärsstruktur sehr wohl. Es handelt sich durchweg um Anteilseigner, die sich auf lange Sicht engagieren und das langfristige Potenzial von Formycon sehen. Damit sind wir sehr stabil aufgestellt. Darüber hinaus sind wir immer wieder mit einer Vielzahl potenzieller neuer Investoren im Gespräch, auch aus dem angelsächsischen Raum. Das Interesse ist hier sehr groß, und bereits im Jahr 2015 haben wir eine Kapitalmaßnahme durchgeführt, die zum Großteil von US-Investoren gezeichnet wurde. Insgesamt arbeiten wir daran, die Aktionärsstruktur der Formycon weiter zu institutionalisieren.

 

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Aktuell notieren die Aktien der Formycon AG im Auswahlsegment „Scale“ der Deutschen Börse. Dabei ist der Börsenwert der Gesellschaft mit rund 330 Millionen Euro fast ein wenig zu hoch dafür. Könnten sie sich vorstellen in ein anderes Segment zu wechseln und würde so ein Wechsel nicht auch die Aufmerksamkeit institutioneller Investoren deutlich stimulieren?

 

Dr. Nicolas Combé

Wir bereiten uns intern auf verschiedene Optionen vor. Dazu gehört sicher auch, die Voraussetzungen zu schaffen, um in ein höheres Börsensegment zu wechseln. Allerdings haben wir aufgrund unserer Finanzierungssituation keinen großen Handlungsdruck. Der Wechsel in ein höheres Börsensegment wäre als Teil einer strategischen Weiterentwicklung des Unternehmens zu sehen und wäre wahrscheinlich auch durch diese getrieben.

 

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Nennen Sie uns doch abschließend noch drei gute Gründe für ein Investment in die Aktien der Formycon AG.

 

Dr. Nicolas Combé

Dass Biosimilars in Zukunft einen wesentlichen Anteil an der Versorgung von Patienten mit biopharmazeutischen Arzneimitteln haben werden, ist unstrittig. Damit bewegen wir uns in einem der interessantesten und dynamischsten Teilbereiche des globalen Pharmamarktes.

Wir sind in diesem Markt als unabhängiger Entwickler sehr aussichtsreich positioniert, verfügen über ein fokussiertes Team mit großer Expertise und weitreichendem Expertenwissen und haben bereits nachgewiesen, dass wir erfolgreich komplexe Entwicklungsprogramme umsetzen können.

Die Potentiale unserer Pipeline sind sehr vielversprechend, und wir verfügen über Partner, die wissen, wie man solche Produkte erfolgreich im Markt positioniert.

 

 

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Capital Lounge GmbH
Alexander Coenen begann seine Karriere im Bereich der Unternehmensbewertung. Namhafte Anlegermagazine kürten ihn mehrfach zum Small-Cap-Experten Deutschlands. Heute ist er im Bereich der Aktienanalyse und der Durchführung von Börsengängen tätig.
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