Healthcare-Sektor: Trotz und wegen Corona interessant

Dienstag, 23.06.2020 12:27 von GodmodeTrader - Aufrufe: 232

Die Aktien des Gesundheitswesens haben sich in diesem Jahr bis Anfang Mai deutlich besser entwickelt als alle anderen Sektoren. Während der MSCI World Index in diesem Zeitraum um über 15 Prozent gefallen ist, gab der Gesundheitssektor hingegen nur um 3,4 Prozent nach. Die Sektoren mit der schlechtesten Performance, wie Finanzen und Energie, fielen gar um 29,5 Prozent respektive 39,7 Prozent. So zeigte sich der defensive Sektor der Gesundheitsaktien wieder einmal als sicherer Hafen in einem stürmischen Marktumfeld.

Auswirkungen von Covid-19 werden erst im 2. Quartal 2020 spürbar

Das erste Quartal war geprägt von überdurchschnittlich vielen Bestellungen seitens Apotheken und Krankenhäusern, die dazu dienten, den Lagerbestand an Medikamenten und medizinischen Produkten vorsorglich zu erhöhen. Ähnliches konnte man in anderen Bereichen beobachten. Man denke an die prominenten Hamsterkäufe bei Nahrungsmitteln und Hygieneartikeln.

Auf der anderen Seite mussten die im Gesundheitswesen tätigen Dienstleister zum Teil erhebliche wirtschaftliche Einbußen hinnehmen: Dies betraf Einrichtungen sowohl des ambulanten als auch des stationären Bereichs. Ursächlich waren dafür unter anderem geringeres Patientenaufkommen und weniger Vorsorgemaßnahmen. Verantwortlich dafür waren organisatorische Umstrukturierungen in Krankenhäusern, um Kapazitäten für den Fall übermäßig vieler Covid-19-Erkrankter zu schaffen. Aber auch die Zurückhaltung von Patienten beim Aufsuchen medizinischer Einrichtungen aus Angst vor Infektionen war ein wesentlicher Grund. Der Lockdown verstärkte diesen Effekt zudem.

Es hat sich gezeigt, dass auch Pharma- und Biotechnologieunternehmen nicht immun gegen Covid-19 sind. So mussten medizinische Studien mit Probanden unter anderem bedingt durch die Gefahr einer Covid-19-Infektion um mehrere Monate verschoben werden. Zeitgleich haben als Antwort auf den weltweiten Ruf nach einem antiviralen Medikament und einem Impfstoff die großen Pharmakonzerne die medizinischen Forschungsarbeiten fokussiert. Hierbei spielten neben politischem und gesellschaftlichem Druck sowie einer auch vorhandenen gesamtgesellschaftlichen Verantwortung natürlich auch die Aussicht auf entsprechende Reputation und letztlich pekuniärem Erfolg eine Rolle.

Corona-Pandemie erzwingt Branchenwandel

Unabhängig von den konkreten Forschungsbemühungen auf der Suche nach einem Impfstoff wirkt die Covid-19 Pandemie als Trigger für weitreichende und langfristige Veränderungen im Gesundheitssektor. Zum einen hat sie großen Einfluss auf die Etablierung und Akzeptanz von Telemedizin: Bislang ein Nischendasein führend, in der Pandemie dann als Notlösung beworben, haben Ärzte und andere medizinische Dienstleister sowie insbesondere Patienten diese neue Option der Kommunikation kennen und schätzen gelernt. Es kann dadurch eine Win-Win-Situation für alle entstehen. Beispiele hierfür sind eine effektivere Betreuung von Patienten sowie die Zeitersparnis für diese - Stichwort: Wegstrecke und Wartezeit – durch eine an die Arbeitszeit angepasste Versorgungsmöglichkeit, etwa abends. Zum anderen ist aus Ärztesicht eine erhöhte Anzahl neuer Patienten zu erwarten, also jener, die bislang aus Zeitgründen nur selten einen Arzt aufsuchten. Mediziner können dabei aber auch Ressourcen schonen, indem sie verschiedene Subspezialisten einbinden.

Bedingt durch Corona ist auch ein Wandel der pharmazeutischen Marketingstrategie zu erkennen: Durch die Kontaktbeschränkungen entfielen die bislang üblichen Praxis-/ Krankenhausbesuche von Außendienstmitarbeitern der Pharmafirmen. Sie wurden vielfach durch virtuelle Meetings ersetzt. Auch hier lassen sich die unterschiedlichen Interessen gut miteinander vereinen: Die medizinischen Ansprechpartner werden im Tagesgeschäft nicht unterbrochen und können die virtuellen Kontakte nach ihren Zeitvorgaben flexibler festlegen. Die Pharmafirmen registrieren neben einer zunehmenden Akzeptanz auch die Tatsache, dass trotz ausgebliebenem persönlichen Besuch die Verordnungszahlen nicht eingebrochen sind und die zum Teil erheblichen Reise- und Personalkosten reduziert werden.

Darüber hinaus könnte sich auch die Kongresslandschaft sowohl von der eigentlichen Pharmaindustrie als auch von Fachgesellschaften grundlegend verändern. Dies würde dann vor allem Anbieter wie Messen, Hotels oder Fluggesellschaften treffen. Schon jetzt registriert man eine deutliche höhere Zahl an Webseminaren.

Profiteure der Coronakrise: Diagnostik-Anbieter

Natürlich stehen momentan Firmen mit Forschungen nach einem Medikament oder Impfstoff wegen Covid-19 im öffentlichen Fokus. Aktuell gibt es über 100 unterschiedliche Impfstoffkandidaten. Jede noch so kleine, häufig dann auch vorübergehende Erfolgsmeldung führt zu medialer und Börsenkurs-wirksamer Aufmerksamkeit. Sicherlich wird jenes Unternehmen, welches den Impfstoff gegen Covid-19 entwickelt, der große Gewinner sein – auch wenn Vermarktungschancen und Profitabilität insgesamt extrem ungewiss sein könnten. Letztlich wetten manche Firmen und Anleger, die darauf spekulieren, auf ein rein binäres Ereignis.

Spannend – und weniger binär – ist die Diagnostik. Auch wenn die Frage der Immunität bei positivem Nachweis noch nicht endgültig geklärt ist, sind marktbreit einsetzbare Antikörpersuchtests auf Covid-19 wichtig. Von der Frage einer allgemeinen Bevölkerungsimmunität über Beschäftigung in sensiblen Bereichen bis hin zur gezielten Auswahl von Impfpatienten: Neben den medizinischen Aspekten hat dies alles erhebliche gesamtwirtschaftliche Konsequenzen, insbesondere auch zur Vermeidung eines zweiten Lockdowns. Das Marktpotenzial könnte groß sein, aber gegebenenfalls nur von kurzer Dauer. Wichtig sind sowohl hohe Sensitivität als auch Spezifität.

Auch hier wird diese Pandemie zu einem Umdenken führen: Unter Berücksichtigung von Effizienz und Ressourcenschonung werden Politik und Kostenträger realisieren, dass entsprechende Diagnostik für 60 Prozent aller medizinischen Entscheidungen verantwortlich ist, aber nur 8 Prozent aller Gesundheitskosten verursacht.

Gute Bilanzen und hohe freie Cash Flow-Renditen stützen Dividendenzahlungen

Mit gesunden Bilanzen und hohen freien Cash Flows können auch die größten Pharmaunternehmen der Welt in einem schwierigeren Marktumfeld ein Anker sein. So erwirtschafteten Johnson & Johnson und Roche im Jahr 2019 zusammen knapp 40 Mrd. US-Dollar freien Cash Flow. Zum Vergleich: Mehr als 60 Prozent der 30 Dax-Unternehmen haben noch nicht mal eine Marktkapitalisierung von 40 Mrd. US-Dollar.

Die Dividendenkontinuität ist besonders bei den großen Schwergewichten sehr wahrscheinlich, da sie durch die hohe freie Cash Flow-Rendite mehr als abgedeckt ist. So erhöht Johnson & Johnson nun bereits im 58sten Jahr in Folge die Dividende. Der geringe Verschuldungsgrad der größten Pharmaunternehmen – berechnet nach Nettofinanzverbindlichkeiten im Verhältnis zum EBITDA – ist zudem ein Garant für die finanzielle Stabilität dieser Unternehmen. Zum Teil sind einige Unternehmen in der Netto-Kasse und damit auch in einer guten Situation, um in Zeiten von Covid-19 günstigere Zukäufe tätigen zu können.

Pharma- weiterhin deutlich günstiger als große Basiskonsumgüter-Unternehmen

Pharmaunternehmen weisen nicht nur eine sehr gesunde Bilanz auf, sondern sind zudem auch weiterhin deutlich günstiger als die großen Basiskonsumgüter-Unternehmen. Im Durchschnitt liegt die Bewertung der größten Pharmaunternehmen sowohl beim Kurs-Gewinn-Verhältnis als auch bei EV/EBITDA-Multiple über 25 Prozent unter der Bewertung der größten Basiskonsumgüterunternehmen. Und das, obwohl die Verschuldungsquote niedriger, das organische Wachstum höher und die Dividendenrendite sogar attraktiver sind. Des Weiteren ist der klassische Burggraben sowohl bei Pharmaunternehmen als auch bei Medizintechnikunternehmen durch Patente zum Teil deutlich höher als bei klassischen Basiskonsumgüter-Unternehmen. Hinzu kommt, dass die Auswahl und Einnahme von Medikamenten weniger durch das Spar- und Konsumverhalten des Patienten/Kunden beeinflusst wird.

Krisensicherer dank zweitem Standbein

Die großen Pharmakonzerne sind auch in Zeiten von Covid-19 ein wichtiger defensiver Anker in vielen DJE-Fonds. Sie überzeugen mit nachhaltigem Wachstum und einer attraktiven Dividendenrendite, die als sehr verlässlich gilt. Darunter fällt auch ein Schweizer Pharmakonzern, der zu den TOP-15 der größten Unternehmen der Welt zählt. Dieser hat mit dem Bereich Diagnostik (unter anderem: Corona-Tests) ein zusätzliches Standbein und gehört hier, wie bei den Medikamenten, zu den Weltmarkführern.

Fazit: Demografischer Wandel und Innovation gepaart mit soliden Fundamentaldaten

Auch wenn aktuell alle Augen, auch die der Anleger, auf die Covid-19-Pandemie und ihre Folgen gerichtet sind und auch die Beurteilungen von Healthcare-Aktien ebenfalls darauf fokussiert ist, lohnt sich gerade auch beim Gesundheitssektor ein langfristiger Blick über die kurzfristigen Corona-Scheuklappen hinaus: Weltweit wird die Bevölkerung älter, der Lebensstandard erhöht sich und damit nicht nur das Gesundheitsbewusstsein, sondern auch zivilisatorische Erkrankungen wie Diabetes mellitus und Adipositas. Hier besteht patientenindividuell, aber auch gesamtgesellschaftlich und wirtschaftlich ein erheblicher Behandlungsdruck. Der Gesundheitssektor mit seiner Innovationskraft und seinen stabilen Bilanzen ist weiterhin vor allem in turbulenten Zeiten eine defensive Investitionsmöglichkeit für jeden Anleger. Neue Medikamente und Diagnosen haben viel Potenzial, das sich weitgehend unabhängig von konjunkturellen Zyklen entfaltet. Sicherlich dürften bei einer schnellen V-Erholung defensive Healthcare-Aktien (zunächst) schwächer performen, dies ändert aber nichts an der langfristig guten Perspektive.

Innerhalb der Branche wird es Corona-Pandemie bedingt zu Umbrüchen kommen mit spannenden Gelegenheiten, Stichworte: Digitalisierung, Diagnostik, Biotech. Bei aller aktuell verständlichen Fokussierung auf Covid-19 gehört zu einer verantwortungsvollen und umsichtigen Auswahlstrategie für Gesundheitsaktien mehr als die binäre Vorhersage wissenschaftlicher Durchbrüche. An erster Stelle stehen solide Fundamentaldaten wie gesunde Bilanzen und dauerhafte Wettbewerbsvorteile.

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