Die Enttäuschung war freilich nicht so groß, dass sie Anlass zu einer grundlegenden Neueinschätzung der Fed-Erwartungen gegeben hätte. Zugegeben, der Markt erwartet nun vom Offenmarktausschuss (FOMC) der Fed für die kommende Woche mit hoher Wahrscheinlichkeit ((4,58-4,36)/0.25 = 88%25) einen Zinsschritt. Am Donnerstag lag diese Wahrscheinlichkeit lediglich bei 74%25. Doch weiterhin ist aus Marktsicht ein weiterer Zinsschritt im Januar relativ unwahrscheinlich ((4,58-4,29)/0,25-1 = 16%25).
Bin ich der einzige Beobachter, der mit dieser Sicht des Marktes Probleme hat? Das Szenario, welches der Markt hier unterstellt, ist folgendes: Die Fed startet mitten im US-Wahlkampf einen Zinssenkungs-Zyklus. Und zwar mit einem außergewöhnlich großen Schritt im September. Dem folgen zwei weitere Zinsschritte. Aber sobald der neue US-Präsident das Amt übernommen hat, hören die Zinssenkungen auf.
Müsste – wenn’s so kommt – nicht jedermann Verständnis dafür aufbringen, dass der nächste US-Präsident sich unfair behandelt fühlt? Würde aus seiner Sicht nicht alles dafür sprechen, dass die Fed eine politische Agenda verfolgt?
Nichts läge mir ferner, als den Verantwortlichen in der Fed solche Motive zu unterstellen. Sie blenden – das hat insbesondere Fed-Chair Jerome Powell stets glaubhaft erläutert – die politische Dimension aus und vollziehen eine Geldpolitik, die sich einzig an den gesetzlich vorgegebenen Zielen – insbesondere der Inflationssteuerung – orientiert. Dabei kommt (wenn’s so läuft, wie der Markt erwartet) halt zufällig ein Zinspfad heraus, den der kommende US-Präsident leicht missinterpretieren kann.
Ich frage mich freilich, ob die bisherige Haltung der Fed – das Ignorieren der Politik – klug, verantwortungsvoll und/oder durchhaltbar ist. Eines dürfte klar sein: Würde der zukünftige US-Präsident die Fed-Unabhängigkeit auf die eine oder andere Weise beschädigen und würde er Einfluss auf die Geldpolitik erlangen, würden wir nicht über 25 Basispunkte mehr oder weniger reden. Dann würde die Geldpolitik ganz deutlich lockerer und der US-Dollar ganz deutlich schwächer.
Will die Fed das verhindern, mag es klug sein, den Leitzins auch im Januar nochmal zu senken. Ein an sich nicht optimaler Zinsschritt, der aber schlimmeres verhindert, ist nicht die beste aller denkbaren Optionen, aber vielleicht die beste aller möglichen.
Mir ist schon klar, warum es Powell lieber ist, die Augen vor den politischen Konsequenzen seines Handelns zu verschließen. Weil er sich sonst auf ein Minenfeld begibt, auf dem er zwischen Beschädigung der Fed-Unabhängigkeit, vernünftiger Inflationssteuerung und einem unberechenbaren und nimmersatten US-Präsidenten hin- und her manövrieren muss. Vorallem aber: Er dürfte es als seine Pflicht ansehen, politisch unabhängig zu handeln.
Wenn Sie so wollen, ist’s ein uralter Konflikt der Ethik: Soll man das Richtige tun, oder soll man das tun, was Gutes bewirkt? Das ist keine leichte Frage. Die Ethik hat keine eindeutige Antwort. Immanuel Kant würde Herrn Powell etwas anderes raten als Jeremy Bentham.
Abgesehen davon, dass viele von Ihnen, liebe Leser, die Frage deshalb interessiert, weil Sie USD-Wechselkursrisiken managen müssen, ist’s auch ein zeitgenössisches Drama, welches sich vor unseren Augen entfaltet. Trotzdem (fast) zum Schluss ein eher praktischer Tipp: Eben weil wir nicht wissen können, wie’s ausgeht, ist die Sicherheit, mit der der Markt derzeit auf einen starken Dollar setzt, übertrieben.
Übrigens: Wer sich fragt, warum ich diesen Artikel gerade nach dem Wochenende schreibe, an dem der zukünftige US-Präsident geäußert hat, er würde nicht Jay Powell vor Ende seiner Amtszeit (Anfang 2026) ablösen, hat ein völlig anderes Verständnis von dem Herren als ich. Ich glaube nicht nur nicht, dass auf seine Aussagen Verlass ist. Ich glaube nicht einmal, dass sie so intendiert sind.
WKN | Typ | Basiswert | Merkmale |
---|---|---|---|
SH19ZZ | Call | EUR/USD | Hebel: 7,2 |
SD991V | Put | EUR/USD | Hebel: 7,1 |
Worauf ich mit Blick auf die EZB gespannt bin
Am Donnerstag gibt’s die Zinssenkung der EZB. Das scheint ausgemachte Sache zu sein. Es ist die übliche Logik: Der Markt und die Analysten erwarten den Zinsschritt mit sehr hoher Sicherheit. Hätte die EZB etwas anderes vor als eine 25-Basispunkte-Senkung, wüsste sie, dass der Markt davon massiv überrascht würde. Üblicherweise haben Zentralbanken nichts von solch einer Überraschung, weshalb sie, wenn der Markt total falsch liegt, durch Äußerungen ihrer Offiziellen im Vorfeld die Markterwartungen in Richtung der intendierten Entscheidung ändern würden.
Deshalb, und nicht, weil Zentralbanken dem Markt hinterherrennen, sind Markterwartungen in aller Regel sich selbst erfüllende Prophezeiungen.
Aber genauso stimmt auch, dass Zinssenkungen, auch wenn sie vom Markt antizipiert wurden, häufig die jeweilige Währung belasten. Ich denke, der Grund dafür liegt vorallem darin, dass Zentralbanker, die eine Zinssenkung der Öffentlichkeit erklären müssen, natürlicherweise eher taubenhaft klingen als falkenhaft. Weil taubenhafte Äußerungen aber die mittelfristigen Zinserwartungen des Marktes weiter drücken, kommt’s häufig zu einer negativen Reaktion der betroffenen Währung, obwohl am jeweiligen Tag die Zentralbank nichts anderes gemacht hat, als jedermann erwartet hatte.
Wenn mir Gesprächspartner also erklären, sie würden erwarten, dass die Zinssenkung am Donnerstag den Euro weiter schwächen würde, haben sie entweder ein sehr, sehr seltsames Verständnis vom Funktionieren des Marktes. Dann sollte man das Gespräch rasch abbrechen. Oder sie meinen, dass relativ taubenhafte Äußerungen von EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf der Pressekonferenz am Donnerstag wahrscheinlich seien. Dann verspricht’s ein spannendes Gespräch zu werden.
Selbst in letzterem Fall ist’s – so meine ich – komplizierter als das eindimensionale Tauben-Falken-Schema erfassen kann. Solange Lagarde den Markt davon überzeugen kann, dass sie und ihre Kollegen datenabhängig handeln, solange Zinssenkungen also mit einem Rückgang des Inflationsdrucks Hand in Hand gehen, sind sie weitaus weniger schädlich, als Zinssenkungen “auf Autopilot”. Solch ein “Autopilot” (von Zentralbankern auch gerne als “forward guidance“ betitelt) würde die Gefahr in sich bergen, dass die EZB mal wieder viel zu lange eine mögliche Kursänderung im Inflationsprozess verpennen würde. Und für diese Gefahr müsste der Euro am Devisenmarkt blechen.
Also: Achten Sie vor allem darauf, ob die EZB-Chefin nach “Autopilot” klingt oder ob sie weiterhin überzeugend die “Datenabhängigkeit” betont.
WKN | Typ | Basiswert | Merkmale |
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SN004V | Long | EUR/USD | Faktor: 10 |
SN005U | Short | EUR/USD | Faktor: -10 |
Deutsche Autoindustrie: Zwischen Schleudertrauma und Einstiegschance
»Made in Germany« ist in der Autoindustrie seit jeher weltweit ein Qualitätssiegel. Doch zurzeit zwickt es mächtig in der Branche. Volumenhersteller Volkswagen droht aufgrund von Absatzproblemen mit Werksschließungen, und die beiden Premiumanbieter BMW und Mercedes-Benz schicken mit Gewinnwarnungen Schockwellen durch den Sektor. Das sorgt am Kapitalmarkt für eine deutliche Underperformance zum Beispiel im Vergleich zum DAX. Inzwischen notieren die PS-Titel aber auf einem derart niedrigen Niveau, dass ein Blick auf die Branche durchaus Sinn ergibt. Mehr erfahren Sie hier.
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