Trader und Unternehmer Thomas Vittner
Freitag, 02.09.2016 13:55 von | Aufrufe: 3164

„Bauchgefühl hat an der Börse keinen Platz“

Trader und Unternehmer Thomas Vittner - © vittnerpartner.com

Mit Trading verbinden viele von uns die Aussicht, schnell reich zu werden. Eines Ihrer Bücher zum Thema trägt sogar den Untertitel „So werden Sie zum Gewinner“. Haben wir alle das Zeug zum erfolgreichen Trader?
Thomas Vittner: Diese Frage wird mir immer wieder gestellt, obwohl ich sie ehrlich gesagt etwas eigenartig finde. Wenn man bereit ist, den Börsenhandel zu lernen, wird man es an den Märkten genauso wie zum Beispiel in der Medizin schaffen. Niemand fragt, ob jeder das Zeug hat, um Arzt zu werden. Sicher ist das möglich, wenn einem der Beruf Spaß macht und man dabei seine Ausbildung ernst nimmt. An der Börse ist das nicht anders, auch wenn es hier keine schnellen Gewinne gibt. Zumindest keine nachhaltigen schnellen. Einen Glückstreffer kann man hingegen immer landen, aber das ist nicht duplizierbar. Und darauf kommt es letztlich an.

Trading sei von der fachlichen Seite her gar nicht kompliziert, behaupten Sie. Warum gibt es dann so viele Bücher und Seminare zu diesem Thema?
Vittner: Hier muss man ein wenig differenzieren. Simple Handelsansätze zu entwickeln, ist in der Tat nicht besonders schwierig. Um aber in der oberen Liga mitzuspielen und um nachhaltige Gewinne zu erzielen, braucht es ein statistisches und mathematisches Grundverständnis. Und diese Dinge besitzen durchaus eine gewisse Komplexität. Das lernt man nicht über Nacht.

Ihr Weg zum Börsenprofi war durchaus steinig und zunächst mit Verlusten verbunden. Warum hilft an der Börse theoretisches Wissen oft gar nicht so viel?
Vittner: Weil man selbst mit guten Systemen geneigt ist, diese in schlechten Zeiten aufgrund einer falschen Erwartungshaltung zu verwerfen. Dies liegt wiederum daran, dass der Börsenhandel mit der menschliche Psyche nicht gerade im Einklang steht. Nur so ist erklärbar, warum die Mehrheit der Markteilnehmer regelmäßig Geld an der Börse verliert. Lösen kann man das Problem auf zweierlei Arten: Erstens, in dem man gute Systeme entwickelt, die man zweitens automatisiert, um Emotionen zu minimieren. Dann klappt das auch mit den Gewinnen, wenn man die nötige Disziplin mitbringt.

Früher haben Sie für einen Versicherungskonzern gearbeitet. Heute leben Sie vom Trading – und schätzen dabei vor allem die gewonnene Freiheit. Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?
Vittner: Operativ kostet mich das Trading keine Arbeit, weil vom Systementwicklungsprozess selbst bis hin zur täglichen Orderexekution und dem Reporting alles zu 100 Prozent automatisiert läuft. Trotzdem ist mir nicht langweilig. Ich habe mit meinen Unternehmen moomoc und Vittner & Partner genug zu tun, wobei das eher in die Bereiche Marketing und Unternehmensführung fällt.

Zu moomoc komme ich gleich. Ersteinmal würde ich gern wissen: Womit handeln Sie selbst genau?
Vittner: Mit Aktien, wobei der Schwerpunkt auf den US amerikanischen Börsen liegt.

 

"Die fundamentalen Kennzahlen der
Unternehmen interessieren mich nicht"

 

Wonach wählen sie diese aus? Ist Ihnen das Wachstumspotenzial wichtig (Growth-Ansatz) oder eher ein stabiles Geschäft mit verlässlichen Gewinnen (Value-Ansatz)?
Vittner: Weder noch. Ich arbeite mit statistischen Handelsmodellen auf technischer Basis. Die fundamentalen Kennzahlen der Unternehmen interessieren mich nicht.

Welche Analyse-Tools nutzen Sie, um den vermeintlich richtigen Zeitpunkt für den Einstieg oder Ausstieg zu finden?
Vittner: Dazu verwenden wir bei uns im Haus entwickelte Backtesting- und Orderexecution- Algorithmen. Wie bereits erwähnt geschieht das alles vollautomatisiert. An den meisten Tagen weiß ich gar nicht, welche Werte ich im Depot habe. Alle Entscheidungen werden von Algorithmen regelbasiert getroffen. Bauchgefühl hat meiner Meinung nach an den Börsen keinen Platz. Vielmehr ist ein statistischer Zugang notwendig, denn Trading ist ein statistisches Problem.


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Sie haben unter der Adresse moomoc.com mit anderen Tradern ein Internetportal ins Leben gerufen, mit dem Sie Privatanlegern den Zugang zu verschiedenen Handelsmodellen ermöglichen wollen. Geht es dabei auch um Trading-Strategien oder um Investment-Strategien für den langfristigen Vermögensaufbau?
Vittner: Wir arbeiten mit Trading Strategien, die unsere Kunden für den langfristigen Vermögensaufbau nutzen sollen. Statistisch ist es nämlich zu belegen, dass die Art von Trading Ansätzen, die wir bevorzugen, klassischen Buy&Hold-Modellen überlegen sind.

Woher stammen die Handelssysteme und wie funktioniert das Portal?
Vittner: Die Handelssysteme wurden bei uns im Haus mit modernster Technik entwickelt. Dabei sprechen wir auf moomoc zwei Zielgruppen an. Zielgruppe eins sind aktive Trader, die die Systemen anhand unserer Signale auf ihrem eigenen Depot nachstellen können. Das ist wie bei „Malen nach Zahlen“, wenn Sie so wollen. Zielgruppe zwei sind normale Anleger. Diesen bieten wir in Zusammenarbeit mit einer Vermögensverwaltung automatisierte Investmentlösungen und eine innovative Online-Beratung an.

Wird bei moomoc stets in Aktien investiert oder setzen die Strategien auch auf andere Assetklassen oder andere Vehikel wie ETFs?
Vittner: Wir setzen rein auf Aktien, womit wir uns von anderen Anbietern deutlich unterscheiden. Viele der sogenannten Robo Advisern, zu denen ich moomoc übrigens nicht zähle, bündeln einfach ein paar ETFs nach Risikoklassen und verkaufen das dem Kunden als maßgeschneiderte Anlagelösung. Aber ich sehe genau genommen das Geschäftsmodell dieser Firmen nicht, denn ETF mischen kann ich als Anleger selber auch.

Geben Sie zu jedem System auch eine Benchmark an, anhand deren der Erfolg oder Misserfolg sichtbar wird?
Vittner: Nein. Weil es genau genommen keinen Sinn macht. Zunächst versuchen wir, unsere Strategien so zu entwickeln, dass die Korrelation zum Gesamtmarkt gering ist. Der Sinn solcher Systeme liegt ja nicht nur darin, die Märkte zu schlagen sondern vor allem darin, weniger Drawdown als der Gesamtmarkt auszuweisen. Zur Finanzkrise verlor der S&P 500 zum Beispiel mehr als 40 Prozent. Unsere Systeme machten damals im Durchschnitt 18 Prozent temporären Verlust. Des Weiteren finde ich das ständige Schielen auf eine Benchmark wie den DAX oder den Dow Jones sinnlos, denn was sagt das aus? Wir versuchen, in jeder Marktphase Geld zu verdienen. Natürlich gelingt das nicht in jedem Monat und auch nicht in jedem Quartal. Aber unter dem Strich ist das Chance/Risikoverhältnis bei einer Anlage mit moomoc weitaus besser als bei einem Investment in den Gesamtmarkt, egal, welchen Index Sie für den Vergleich heranziehen.

 

"Ich würde nie etwas traden,
das ich vorher nicht testen konnte."

 

Die Handelssysteme wurden allesamt anhand historischer Daten optimiert. Das erinnert mich an Strategiezertifikate, die auch oft in der Rückrechnung des Emittenten gut aussehen, dann aber in der Praxis eher enttäuschen. Was macht Sie so optimistisch, dass die auf moomoc.com angebotenen Strategien auch in der Praxis funktionieren?
Vittner: Hier muss ich etwas ausholen. Quantitatives Trading, also Backtesting oder wie Sie es nennen „Rückrechnen“, steht oft in der Schusslinie. Teilweise zu Recht, teilweise aber auch zu Unrecht. Zunächst gibt es die Diskussion, ob Backtesting überhaupt funktioniert oder ob das nicht alles Hokuspokus ist. Wenn man an Backtesting nicht glaubt, frage ich mich, was die Alternative dazu ist? Herumraten? Glauben? Auf Gurus hoffen? Genau dadurch entstehen Emotionen, die man aber aus dem Trading heraushalten muss. Ich würde daher nie etwas traden, das ich vorher nicht testen konnte. Denn wie weiß ich sonst, ob das überhaupt funktioniert hätte? Selbstverständlich bleibt die Zukunft ungewiss, aber es geht um mathematische abgeleitete Wahrscheinlichkeiten. Natürlich ist auch ein statistisches, quantitatives Handelsmodell keine Gelddruckmaschine. Das größte Problem ist es, die Überoptimierung zu vermeiden. Obwohl das Problem den meisten Entwicklern bekannt ist, sind die dagegen getroffenen Maßnahmen vielfach nicht ausreichend. Das liegt daran, das die meisten Entwickler solche Strategien zwar programmieren können, sie aber keine tieferen Kenntnisse in Mathematik und Statistik besitzen. Nicht jeder, der gut programmieren kann, ist also ein guter Systementwickler. Bei moomoc arbeiten Mathematiker und Physiker, die neuartige Ansätze gefunden haben und den Entwicklungsprozess komplett anders angehen, als man es üblicherweise tut. Wir entwickeln sehr behutsam und konservativ und tun alles, um die Systeme nicht überzuoptimieren. Daher bin ich optimistisch, dass unsere Strategien, die bei Vittner & Partner übrigens teilweise seit 2014 erfolgreich laufen, auch weiterhin gute Renditen erwirtschaften werden.

Wer Verluste begrenzen will, kommt um das Setzen und Nachziehen von Stopps nicht umhin. Bekommen Nutzer bei moomoc auch in diesem Punkt Tipps?
Vittner: Wer sagt, dass man klassische Stopps verwenden muss? Wenn man ohne Hebel agiert, was ich empfehle, ist es statistisch nachweisbar, dass ein Stopp Loss die Performance verschlechtert. Zumindest ist das beim Handel von Reversionssystemen auf US Aktien der Fall, was ja unser Schwerpunkt ist. Ein Stopp wird gerne mit einem Risikomanagement verwechselt, hat damit aber überhaupt nichts zu tun.

Ein vernünftiger Umgang mit dem Risiko ist in der Tat wichtig beim Investieren. Welchen Fehler sollten Anleger in diesem Zusammenhang unbedingt vermeiden?
Vittner: Man darf nicht zu rasch zu viel wollen, denn dadurch vergisst man gerne, seine Investments mit Bedacht zu wählen, Geduld zu üben und geeignete Maßnahmen für das Risikomanagement zu treffen. An der Börse wird man nicht über Nacht reich. Mein Appell lautet daher: Achten Sie auf vernünftiges Risikomanagement. Wenn Sie Ihr Risiko mit Erfolg kontrollieren, kommen die Gewinne letztlich von ganz alleine.

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