BERLIN (dpa-AFX) - Neue Wendung im Ringen um bezahlbaren Wohnraum in der Berliner Karl-Marx-Allee: Das Landgericht stoppte am Dienstag per einstweiliger Verfügung den umstrittenen Verkauf von 675 Wohnungen in der einstigen DDR-Prachtstraße an den Immobilienkonzern Deutsche Wohnen
Der Senat argumentiert demnach, dass die Wohnungen in den 90er Jahren mit dem Ziel privatisiert worden seien, sie später womöglich an die Mieter weiterzuveräußern. Das sei nun durch den Verkauf an den börsennotierten Konzern in Gefahr. Erklärtes Ziel des Senats ist daher eine Rückabwicklung der 1993 und 1995 geschlossenen Verträge oder ein Vorkaufsrecht, wodurch alle Wohnungen in kommunale Hand zurückfallen und sozialverträgliche Mieten gesichert würden. Allerdings hat das Gericht in der Hauptsache noch keine Entscheidung getroffen. Wann das sein wird, ist unklar.
Die Mieter in der Karl-Marx-Allee machen seit Wochen gegen den Verkauf ihrer Wohnungen mobil, weil sie starke Mieterhöhungen befürchten. Insgesamt geht es um 755 Wohnungen und 68 Gewerbeeinheiten in vier Gebäuden. Eines dieser Gebäude mit 80 Wohnungen und 11 Gewerbeeinheiten befindet sich in einem sogenannten Milieuschutzgebiet zum Erhalt der dortigen Sozialstruktur. Hier hat der Bezirk ein Vorkaufsrecht, das er in Gestalt der kommunalen Wohnungsgesellschaft WBM auch ausüben will.
Für die anderen drei Gebäude mit 675 Wohnungen hat der Senat mit der Gerichtsentscheidung zumindest Zeit erkauft, um eine wie auch immer geartete Lösung für die Mieter zu finden. Die haben theoretisch ein Vorkaufsrecht für ihre Wohnungen, das sie bis zum 5. Januar geltend machen müssen. Da das Landgericht aber bis dahin nicht über die Gültigkeit der alten Privatisierungsverträge geurteilt haben dürfte, bleibt mehr Raum, um ein Hilfspaket für die Mieter umzusetzen, das der rot-rot-grüne Senat am Dienstag beschloss.
Dieses sieht im Kern zwei Varianten vor. Zum einen sollen Mieter, die ihre Wohnung kaufen wollen, mit einem zinsgünstigen Kredit der landeseigenen Investitionsbank IBB unterstützt werden.
Für diejenigen, die das nicht wollen oder können, beschloss der Senat eine zweite, kompliziertere Variante: Sie sollen einen Bevollmächtigten beauftragen, der ihr Vorkaufsrecht wahrnimmt und die Wohnung dann an die kommunale Wohnungsgesellschaft Gewobag veräußert. Diese wiederum würde die Wohnung dann an die bisherigen Bewohner vermieten. Mieter, die diesen Weg gehen, müssten neben üblichen Transaktionskosten wie Steuern zusätzliche Notarkosten in Kauf nehmen.
Unklar ist bei beiden Varianten, wie viele Mieter mitmachen. Ziel des Landes sei, möglichst viele Wohnungen in kommunale Hand zurückzubekommen, sagte Baustaatssekretär Sebastian Scheel (Linke). Um künftig zumindest mitgestalten zu können, müssten in allen drei Gebäuden jeweils mindestens 25,1 Prozent der Wohnungen von der Gewobag übernommen werden. Dies ist die sogenannte Sperrminorität.
Ob die Varianten nun indes überhaupt zum Tragen kommen, hängt vom Fortgang des juristischen Verfahrens vor dem Landgericht ab. Die Varianten eins und zwei bezeichnete Kollatz als "Verbandskasten", eine komplette Übernahme der Wohnungen - in dem Fall dann durch die WBM - mit Hilfe des Gerichts als "große Lösung". "Selbst wenn wir damit nicht obsiegen sollten, bleibt mehr Zeit und eine Ausweitung der heutigen Möglichkeiten der Mieterinnen und Mieter."/kr/DP/mis
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