Herr Heibel vom gleichnamigen Börsenbrief sieht das ganze inzwischen etwas entspannter:
www.heibel-ticker.de/home/index. Aber er bleibt auch erst mal noch an der Seitenlinie, will erst aufspringen, wenn der Zug an Fahrt gewonnen hat:
WIRECARD BLEIBT IN DEN SCHLAGZEILEN
Immer wieder ist die Wirecard in die Schlagzeilen geraten. Seit den Vorwürfen der Financial Times London gegenüber dem Unternehmen ist die Aktie von 170 auf 100 Euro eingebrochen. Zwischenzeitlich hat sich die Aktie wieder auf 135 Euro erholt, doch am Freitag sackte der Kurs erneut unter 105 Euro.
Die Financial Times hat Informationen über eine betrügerische Buchung in Singapur, mit der der lokale Umsatz künstlich aufgebläht wurde. Der Vorwurf lautet nun, dass der Wirecard-Konzern systematisch und mit Wissen des besten Managements (Gründer & CEO Braun) seinen Umsatz aufgebläht haben könnte.
Wirecard hat eine interne Ermittlung durchgeführt, einen Mitarbeiter beurlaubt und keine weiteren "Fehlbuchungen" gefunden. Derzeit läuft noch eine von Wirecard beauftragte externe Ermittlung, deren Ergebnis kurzfristig veröffentlicht werden soll.
Es gibt nun drei mögliche Ausgänge dieser Ermittlungen: Entweder die Financial Times lügt, oder sie hat Recht, oder aber sie hat aus einer Mücke einen Elefanten gemacht. Ich glaube an die Mücke.
Wirecard ist ein schnell wachsendes Unternehmen und hat es binnen weniger Jahre in den DAX geschafft. Bei schnell wachsenden Unternehmen gibt es in der Regel Wachstumsprobleme. Ich kann mir gut vorstellen, dass es in Singapur einen Mitarbeiter gibt, der sein persönliches Umsatzziel durch das Verbuchen von Luftnummern künstlich erreicht hat. Sicherlich ist das auch nicht der einzige Fehler, der im Wirecard-Konzern in den vergangenen Jahren erfolgte. Wenn lange genug gesucht wird, dürften weitere Problemfälle zu Tage treten. Doch daraus einen systematischen Betrugsfall abzuleiten, halte ich für über das Ziel hinaus geschossen.
Wusste CEO Braun davon? Nun, das ist in solchen Fällen und insbesondere, wenn der Fall so stark hochgekocht wird wie hier, nicht die relevante Frage. Es wird irgendwann gefragt, ob er es hätte wissen müssen. Und da wird es schwer für ihn, eine weiße Weste vorzuweisen. Doch es ist das eine, beim Aufbau des internen Kontrollsystems einen Fehler gemacht zu haben, als wenn er davon tatsächlich wusste und die Buchung toleriert hat. Das kann ich mir nur schwer vorstellen.
Nun ist Wirecard vor ein paar Jahren nach Indien expandiert, hat dort ein Unternehmen aufgekauft. Bei dieser Transaktion sollen einige Millionenbeträge in windigen Kanälen verschwunden sein. Am Freitag meldete die verantwortliche Behörde aus Singapur, die indischen Behörden über diesen Vorgang informiert zu haben. Die Ermittlungen würden sogar auf weitere Länder ausgeweitet, Indonesien, Malaysia, die Philippinen und Hongkong wurden genannt.
Bereits vor einer Woche hat die deutsche Finanzaufsicht BaFin ein Leerverkaufsverbot für Wirecard-Aktien verhängt. Damit reagierte die Behörde einem Artikel der Süddeutschen von heute früh zufolge auf ein FAX, in dem Wirecard zu einer Ausgleichszahlung erpresst werden sollte: wenn das Unternehmen nicht einen bestimmten Betrag bezahlen würde, gebe es eine weitere Short-Attacke.
Das Ganze nimmt inzwischen immer abenteuerlichere Formen an. Bei Wirecard werden die 30% Umsatzwachstum mit einem KGV 2020e von nur noch 18 bewertet. Damit ist schon ein Bewertungsniveau erreicht, das auch fundamental orientierten Anlegern als langfristiges Einstiegsniveau dienen kann. Sie werden allerdings starke Nerven benötigen, denn ich gehe davon aus, dass die nunmehr auf eine ganze Reihe asiatischer Länder ausgeweiteten Ermittlungen weitere "Fehler" aufdecken werden. Die Financial Times wird das natürlich stets "Betrug" nennen und entsprechend könnte der Aktienkurs der Wirecard noch eine Weile unter Druck bleiben.
Für eine kurzfristige Spekulation ist mir die Geschichte noch zu beweglich. Grundsätzlich bin ich geneigt, eher der Version von Wirecard zu glauben, zumal sich die BaFin klar auf die Seite von Wirecard gestellt hat. Auf der anderen Seite fällt es mir schwer zu glauben, dass die Financial Times hier ihren ?guten? Ruf mit einer ausgedachten oder schlecht recherchierten Story riskiert. Wenn Elefanten streiten, leidet das Gras. Vielleicht ist es besser, vorerst noch abzuwarten, denn wir sind keine Elefanten.