Mal wieder eine Einschätzung von mir, die ich eigentlich schon gestern Abend hatte schreiben wollen, aber da ist mir DEOL zuvor gekommen und seinen Ausführungen hätte ich nur wenig hinzuzufügen gehabt. Auch ich war bis heute der Ansicht, dass der Steinhoff-Kurs bis Jahresende zwischen 10 und maximal 25 Cent herumdümpeln würde. Mit den üblichen Schwindsucht-Tendenzen bei Mini-Umsätzen. Nun muss ich meine bisherige Einschätzung aber kritisch hinterfragen. Also los:
Die beiden Hauptprobleme des Steinhoff-Aktienkurses sind nach wie vor die gleichen: Es gibt KEINE testierte Bilanz und die PwC-Untersuchung zum aufgedeckten Bilanzskandal läuft immer noch und kann jederzeit(!) neue(!) Unerfreulichkeiten zutage fördern. Kein Investor mit Millionenbudget geht in so einen Wert hinein und so ist der Kurs den emotionalen Wallungen von Klein- und Kleinstinvestoren, (Day-)Tradern, sonstigen Hochrisiko-Händlern und kleineren Leerverkäufern schutzlos ausgeliefert. Und weil das rettende Ufer (= testierte Bilanz und PwC-Abschlussbericht) noch in so weiter Ferne ist, tendiert der Kurs zur Schwindsucht, getrieben von Panik, fehlendem Vertrauen, Angst, gerissenen Stopp-Loss-Kursen, haarsträubender Medienberichterstattung und fehlender kommunikativer Kurspflege seitens Steinhoff selbst.
Heute jedoch könnte ein Wendepunkt erreicht worden sein. Warum? Nun, zuallererst einmal deswegen, weil Wendepunkte sich nicht ankündigen. Wenn alle glauben, dass ein Ereignis ein Wendepunkt ist, dann ist es niemals einer (Veröffentlichung untestierter Zahlen, LUA-Abschluss, Trading Updates usw.). Hatte einer von euch die heutige Unternehmensmeldung als potenziellen Wendepunkt für den zukünftigen Kursverlauf auf dem Radar? Kaum einer? Merkt ihr was? Die meisten wussten ja noch nicht einmal, dass heute überhaupt etwas kommen könnte oder hatten das sogar bezweifelt. Das sind also gute Voraussetzungen, um ein Wendepunkt zu sein. Aber das ist zugegeben ein philosophisches Argument.
Kommen wir daher zu etwas Handfesterem: Allen Miesepetern, Absichtlich-alles-falsch-Verstehern, Finanztrends-"Journalisten", Schwarzmalern und Borderline-Gestörten sei es nochmal direkt unter die Nase gerieben: Der Steinhoff-Konzern, um dessen Aktie es hier geht, ist nicht insolvent! Und wird es mindestens die nächsten 3 Jahre auch nicht sein. Punkt. Das ist lediglich ein bösartiger Wunschtraum eurerseits, der sich absehbar nicht erfüllen wird. An eurer Stelle würde ich mir ganz eilig einen neuen Fetisch suchen! Etliche Arivaner hier und auch die in letzter Zeit vielgeschmähte Aktienflüsterin haben schon vor Monaten und Quartalen immer wieder darauf hingewiesen, dass der zeitliche Ablauf der Ereignisse einfach nicht zu einer Insolvenz der obersten Konzerngesellschaft passt, dass der Konzern insgesamt viel zu viel Substanz hat, in beachtlichen Teilen viel zu gut da steht und als südafrikanisches Nationalheiligtum viel zu wichtig ist als einfach mal so unterzugehen.
Allerdings, und das immer wieder im Gedächtnis zu behalten sei allen Mahnern und Pessimisten hier hoch anzurechnen: Steinhoff ist kein gut strukturierter, gut geführter und profitabler Konzern sondern im Gegenteil ein riesengroßer Saftladen, in dem jede Tochterfirma eigenständig und unbeaufsichtigt vor sich hin wurschtelt und sich vor unangenehmen Sanierungen drückt, weil der Mutterkonzern ja immer brav Geld und Liquidität reinbuttert - Und ich hoffe sehr, dass dieser Schlendrian endlich ein Ende findet!
Wir halten also fest: Der Steinhoff-Konzern ist nicht insolvent, muss sich aber noch einer rosskurartigen Sanierung unterziehen, um wieder wettbewerbsfähig zu sein. Und ein Blick in die heutige Unternehmensmeldung zeigt, dass genau die vom Management nun in Gang gesetzt wurde. Es stimmt, ein Großteil der Meldung gibt bereits Bekanntes wieder, aber wir erfahren auch:
- Die Restrukturierung der Immobilientochter Hemisphere ist "... progressing well". Das sind doch genau die Infos, die wir zurecht immer vom Management lesen wollten, als wir monatelang(!) nichts aber auch gar nichts zum Stand der Dinge erfahren haben. Noch nichts Konkretes, aber ein deutliches Signal, dass die Dinge voran gehen, und zwar in die richtige Richtung!
- Die kürzlich noch insolvenzbedrohten Töchter "... working closely with the various creditor advisers". Das heißt, man ist gemeinsam dabei, die Karre aus dem Dreck zu ziehen. Keine Blockade! Keine Animositäten! Keine Pokerei! Man arbeitet den vereinbarten Sanierungsplan ab und jeder funktioniert in seiner zugedachten Rolle. Und das bei der Vielzahl an Gläubigern. Prima!
- Und es wird noch besser: "... as well as to identify opportunities to rationalise the Group's European structure" sowie "Reviewing opportunities to rationalise the Group's structure ...". Endlich ist man dabei, den Konzern zu sanieren, nachdem man mehrere Quartale nur mit Suche und Entschärfung der diversen Bilanzbomben und der Löschung von Liquiditäts-Großbränden verbracht hat. Und eine Rationalisierung bedeutet, dass hinterher schneller, transparenter, fehlerärmer und vor allem profitabler gewirtschaftet wird als zuvor! Und das ist meiner Erinnerung nach das erste Mal, dass wir von offizieller Seite konkret lesen, dass der Konzern rationalisiert wird. Endlich geht es los! Endlich passiert was! Endlich werden die Hausaufgaben angepackt!
- Und für die, die immer noch nicht begreifen wollen, dass es keine Insolvenz geben wird: "Liquidity has been further strengthened ..." sowie "The South African business remains self-funding whilst the Pepkor Europe (including Poundland) business continues to benefit from strong levels of liquidity". Super!
Und das sind nur die Punkte, die ich besonders erwähnenswert finde. In Summe bleibt festzuhalten: Die heute Meldung besteht aus bereits Bekanntem und Unbekanntem. Das Unbekannte ist ein Sammelsurium diverser Kleinigkeiten und kleinen Schritte rund um die in Gang gesetzte Sanierung des Konzerns. Und jeder einzelne dieser Schritte ist positiv. Die Meldung enthält meiner Einschätzung nach keine einzige negative News. Und das, obwohl seit Abschluss des LUA weniger als 1 Monat vergangen ist! Der Sprung des Aktienkurses ist in meinen Augen somit fundamental gerechtfertigt.
Zurück zum Thema Wendepunkt: Gute Nachrichten gab es von Steinhoff in den vergangenen knapp 2 Monaten schon so einige. Trotzdem ist der Kurs heute Abend deutlich niedriger gewesen als nach Abschluss des LUA. Warum sollte in den kommenden Wochen nicht wieder das gleiche passieren? Heute ein Sprung von 10 Cent auf 15 Cent und dann wieder Abbröckeln bis hinunter zum ATL. Kann natürlich passieren und würde Steinhoff auch ähnlich sehen, aber der Nachrichtenkalender der kommenden Wochen sieht so aus:
- Meldung zur Hemisphere-Restrukturierung schon in den nächsten Tagen (wurde in der heutigen Meldung angekündigt). Negatives Überraschungspotenzial sehe ich da keines, ein kleines bis mittleres positives Überraschungspotenzial hingegen schon.
- Meldung zur APAC-Refinanzierung vermutlich auch irgendwann in den nächsten Wochen (wurde in der heutigen Meldung angekündigt). Negatives Überraschungspotenzial sehe ich da keines, ein kleines bis mittleres positives Überraschungspotenzial hingegen schon.
- in den kommenden Wochen teilweise Veröffentlichung von Unterlagen des anstehenden Gläubigertreffens anstelle des Monatsberichts September (wurde in der heutigen Meldung angekündigt). Hier ist das Überraschungspotenzial schwer einzuschätzen. Es kann negative wie auch positive Überraschungen gleichzeitig beinhalten, in Summe wird es mMn aber positiv oder wenigstens neutral sein
- nicht zu vergessen das Tradinguptade vom 31.08. Es wurde bereits scharfsinnig geschlussfolgert, dass die "strong levels of liquidity" von "Pepkor Europe (including Poundland)" angesichts fehlender News zu Unternehmensverkäufen und neuen Kreditlinien dieser Töchter eigentlich nur aus starken Umsätzen dieser Töchter kommen können. Gleiches gilt für das "self-funding" "South African business". Und auch APAC scheint nicht schlecht zu laufen, wenn sie mit lokalen Banken über Kreditlinien im dreistelligen AUD-Millionenbereich verhandeln. Hier sehe ich mittleres positives Überraschungspotenzial!
Mit anderen Worten: In den kommenden 4-5 Wochen sind mindestens 4 Meldungen zu erwarten, die jede für sich ein kleines bis mittleres positives Überraschungspotenzial beinhalten kann. Wann genau diese Meldungen kommen, ist größtenteils unklar - Ich täte da keine Short-Position aufbauen oder kurzfristig entnervt hinschmeißen wollen! Und nach Ablauf der nächsten 4-5 Wochen taucht auch schon langsam die dritte LUA-Wasserstandsmeldung am Horizont auf, die irgendwann um den 20. Oktober zu erwarten ist. Außerdem kann durch die nun endlich in Gang gesetzte Sanierung jederzeit eine News eintrudeln, die wir noch gar nicht auf dem Schirm haben.
Was kann andererseits an Negativem passieren? Die Lage von Mattress ist unklar. Die Drohung mit CH11 ist sicherlich kein bloßes Gerücht, wenngleich ich es bisher eher als Bluff in den Verhandlungen um Ladenschließungen sehe. Dennoch besteht hier erhebliches Unsicherheitspotenzial, das den Kurs belastet. Außerdem kann nach wie vor jederzeit eine neue böse Überraschung der PwC-Untersuchung ans Licht kommen, auch wenn mit jedem Tag, der verstreicht, die Chance dafür kleiner wird. Weitere konkrete Risiken für böse Überraschungen sehe ich nicht. Die angekündigten Milliardenklagen belasten natürlich, aber dass die kommen würden, war von Anfang an klar. Nun sind sie konkret angekündigt. Weitere Klagen sehe ich erst einmal nicht, kann mich da aber natürlich täuschen.
Alles in allem sehe ich den kommenden Wochen also ein wildes Auf und Ab des Aktienkurses, die Tendenz sollte aber nach oben zeigen, denn eine angefangene Sanierung bei gebannter Insolvenzgefahr produziert meiner Börsenerfahrung nach viel wahrscheinlicher gute als schlechte Nachrichten - Vielleicht war heute ja doch der Wendepunkt. :-)