Der olympische Gedanke ist längst passé. Er ist in einer Milliardenindustrie verschwunden, die hat ganz eigene Regeln. In diesem Kosmos der Sportfunktionäre herrscht vor allem eins: ein ausgeklügeltes System von Korruption
Für fairen Wettbewerb kann nicht einmal IOC-Chef Jacques Rogge sorgen, der sich offiziell dem Kampf gegen Korruption verschrieben hat. Denn Filz und Bestechung sind Kernbestandteile des olympischen Sportsystems, so elementar wie das Dopingproblem, das die Funktionäre gar nicht bekämpfen wollen. Sie wissen zu gut, was die immer fantastischeren Leistungen garantieren, die ihnen ein pralles First-Class-Leben als VIPs ermöglichen und bald auch in Peking zu bestaunen sein werden. Fairplay im Weltsport? Ein absurder Traum.
abei sind die Betrugsstrukturen im Spitzensport jedem Kriminologen vertraut: Bagatell- oder Gelegenheitskorruption, Ämterverquickung, Netzwerke, organisierte Kriminalität, Pression auf Abweichler, systematische Einflussnahme über Politiker, die sich wiederum gern im Abglanz der Athleten sonnen. Doch anders als die Wirtschaft entwickelt der Sport seine endemische Kriminalität ungestraft. Denn er genießt eine Autonomie, die ihm in früheren Zeiten eingeräumt wurde, als er von Amateuren und Ehrenamtlichen lebte, idealistisch und mittellos. Dank dieser längst nicht mehr zeitgemäßen gesellschaftlichen Sonderstellung konnte sich die moderne Milliardenindustrie Olympia in eine Parallelwelt verwandeln, die sich ihre Regeln selbst gibt. Ein wahr gewordener Traum für jede Wirtschaftskraft, die es ins IOC schafft.
Enorm sind auch schon die Kollateralkosten für Bewerbungen. Für Pyeongchang hatte Südkoreas Staatschef Roh die wichtigsten Konzernlenker auf die nationale Sache verpflichtet. So reisten Firmenemissäre nach Afrika und Lateinamerika und investierten in alles Mögliche, was der Sport gern mit Entwicklungshilfe umschreibt; gut 40 Millionen Dollar sollen geflossen sein. Insbesondere jene IOC-Mitglieder wollen ja umgarnt werden, die mit Wintersport eh nichts am Hut haben.
Doch an Putin scheiterten selbst die Südkoreaner, deren IOC-Mitglieder beste Korruptionserfahrung haben – alle drei wurden bereits der Korruption angeklagt. Versucht hatten sie alles, sogar einzelne Wintersportverbände mit Werbeverträgen geködert. Doch Sotschis Agenten hatten 100 Millionen Euro lockergemacht, hieß es in Bewerberkreisen. Und Ex-KGB-Zar Wladimir Putin ließ IOC-Chef Jacques Rogge den Energieriesen Gasprom als Topsponsor andienen, von sagenhaften Konditionen war die Rede.
Zur Kür in Guatemala flogen die Russen eine Antonow mit 70 Tonnen Material ein, um in den Tropen eine Freiluft-Eislauffläche zu installieren. Deren Besuch war den IOC-Mitgliedern per Ethik-Kodex verboten, doch nicht alle hielten sich daran. Schließlich lockten allabendlich Kaviar, Tanz und nette Mädels. Mit Putins Ankunft brachen die letzten Dämme: Er führte Funktionäre reihenweise aus, entgegen den Regeln. Kurz vor der Kür sah der Norweger Gerhard Heiberg das Bewerbungsprozedere „außer Kontrolle“, der IOC-Marketingchef geißelte korrupte Umtriebe. So fand das IOC acht Jahre nach der existenzbedrohenden Affäre um die Bestechungen von Salt Lake City 2002 endgültig in die alte Spur zurück.
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Konfuzius
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