Opec will Ölpreis auf 75 $ treiben
Förderkürzungen wird es nicht geben - zumindest vorerst. Aber das Ölkartell wagt sich nach langer Zeit wieder, einen Zielpreis für den wichtigsten Rohstoff der Welt zu nennen.
Das Krisentreffen der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) ist ohne die Ankündigung weiterer Förderkürzungen zu Ende gegangen. Das Kartell werde bis zum nächsten regulären Treffen am 17. Dezember in Wien warten, um über die künftige Fördermenge zu entscheiden, sagte Generalsekretär Chakib Khelil am Samstag in Kairo. Bis dahin würden sie eine Einschätzung treffen, wie Angebot und Nachfrage auf dem Ölmarkt in Einklang zu bringen seien. Und ob die jüngste Kürzung der Fördermenge um 1,5 Millionen Barrel (je 159 Liter) am Tag ausreiche. Erste Daten deuteten darauf hin, dass sich die Mitgliedsstaaten an die Vereinbarung hielten, ergänzte Khelil.
Dennoch wagte sich das Kartell bei seinem Treffen in der ägyptischen Hauptstadt aus der Deckung: Der Ölminister des wichtigsten Opec-Landes Saudi-Arabien, Ali al-Naimi, sagte, es gebe "gute Gründe für einen preis von 75 $ je Barrel". Er verwies vor allem auf kleinere Förderländer, die Unterhalb dieser Notierung ihren Ausstoß zurückfahren und Investitionen kürzen könnten. Die Welt brauche aber den Öl aus allen möglichen Quellen, um auch mittel- und langfristig die Nachfrage zu befriedigen. Bereits zuvor hatte der saudische König Abdullah in einem Interview mit einer kuwaitischen Zeitung diesen Preis genannt.
Offiziell gibt die Opec damit zwar noch keinen Zielpreis für den Schmierstoff der Weltwirtschaft an. Die Äußerungen zeigen aber, wie besorgt das Kartell über den Einbruch der Ölnotierungen ist: Nach einen Preishoch von 147 $ je Fass im Sommer dieses Jahres sind die Notierungen auf derzeit nicht einmal 55 $ für die US-Sorte WTI eingebrochen. Das stellt die Mitgliedsstaaten der Opec vor große Probleme: Die Länder sind auf hohe Einnahmen angewiesen, um Infrastrukturinvestitionen und Sozialausgaben zu stemmen.
Zuletzt hatte die Opec nach der Jahrtausendwende offiziell ein Preisband für Öl verfolgt. Damals waren zwischen 22 und 28 $ je Barrel angestrebt worden. Das Ziel war allerdings spätestens 2003 obsolet, als der Ölpreis die Marke von 30 $ übersprang und sich in Folge der hohen Nachfrage insbesondere aus China, Indien und anderen Schwellenländer stetig weiter erhöhte. In den westlichen Industriestaaten hatte dadurch zuletzt die Inflation stark angezogen. Hohe Benzinkosten belasteten zudem den Konsum.
Die Opec machte sowohl für den rasenden Preisanstieg wie auch für den raschen Verfall Spekulanten verantwortlich: Finanzinvestoren hätten sich zunächst mit Unsummen auf dem Markt engagiert und die Notierungen hochzureiben - nur um die Mittel abzuziehen und die Notierungen dem freien Fall zu überantworten, als ihre Geldquellen wegen der Finanzkrise auszutrockenen begannen.
Aber nicht nur die Opec fürchtet, der gegenwärtig niedrige Ölpreis werde mittelfristig große Probleme aufwerfen: Weil sich Investitionen in die Erschließung neuer Ölquellen nicht mehr rentieren, könnten sie ganz ausbleiben, fürchten Fachleute. Zwar werden noch immer auch größere Vorkommen entdeckt. Das Öl findet sich aber vielfach tief unter dem Meeresspiegel, was die Förderung verteuert, oder liegt in schwer zu verarbeitender Form vor, etwa kanadischer Ölschiefer oder Ölpech auch dem venezolanischen Orinoco-Becken.
Beobachter rechnen deshalb damit, dass die Opec bei ihrem Treffen Mitte kommenden Monats die Förderung drosseln wird. Der irakische Ölminister Hussein al-Schahristani machte bereits einen Vorstoß in diese Richtung: Ein solcher Schritt könne helfen, den kontinuierlichen Preisverfall zu stoppen, sagte er.