Neuer Markt gibt Lebenszeichen von sich

Beiträge: 2
Zugriffe: 396 / Heute: 2
Hartkore_Diab.:

Neuer Markt gibt Lebenszeichen von sich

 
30.07.01 21:47
Blitzrallye bei deutschen Wachstumswerten - Experten sehen aber immer noch keine Trendwende


Von Holger Zschäpitz

Frankfurt/Main - "Hurra, wir leben noch, Was mussten wir nicht alles überstehen, Und leben noch, Was ließen wir nicht über uns ergehen - Hurra, wir leben noch, nach all dem Dunkeln sehen wir wieder Licht." Manchmal beschreiben Schlager treffender das Börsengeschehen als seitenlange Analystenstudien. Gerade am Neuen Markt werden sich viele Börsianer derzeit an den Milva-Song von 1983 erinnern. Nach einem beispiellosen Niedergang um über 90 Prozent schossen die Kurse in den letzten drei Handelstagen um über 15 Prozent in die Höhe. Damit hängten die deutschen Wachstumswerte nicht nur den Dax um Längen ab, erstmals seit Wochen schnitt der Leitindex Nemax-50 besser als der große US-Bruder Nasdaq ab. "Der Patient lebt noch", sagt Sascha Hirsch, Fondsmanager vom DIT. "Von einer generellen Trendwende kann zwar nicht die Rede sein. Die aktuelle Entwicklung unterstreicht aber die Daseinsberechtigung des Marktsegments."

Auch wenn wie Hirsch keiner der Experten von einer nachhaltigen Wende sprechen will, keimt bei Anlegern auch angesichts der attraktiven Bewertungen wieder Hoffnung auf. So ist der Neue Markt auf Basis der für 2003 geschätzten Ergebnisse gerade einmal mit einem Kurs/Gewinn-Verhältnis von 20 bewertet. Damit sind die deutschen Wachstumstitel im Schnitt nur halb so teuer wie die US-Konkurrenz an der Nasdaq und kosten nur unwesentlich mehr als die Dax-30-Unternehmen. "Es spricht vieles dafür, dass die 18-monatige Superbaisse am Neuen Markt endlich ausläuft", sagt Werner Lykowski, Fondsmanager bei Helaba Trust. "Im Marktsegment wird durch strengere Regeln aufgeräumt, und auch bei den Unternehmen gibt es ein Großreinemachen. Das schafft wieder erstes Vertrauen."

Namentlich der Vorstandswechsel beim ehemaligen Vorzeigeunternehmen EM.TV könnte einen Fluch vom Neuen Markt genommen haben. Hatte das deutsche Wachstumssegment von März bis September 2000 noch im Gleichklang mit der Nasdaq verloren, begann die hausgemachte Malaise des Neuen Marktes mit der Gewinnwarnung beim Medienkonzern EM.TV im Oktober vergangenen Jahres. Mit dem Rücktritt des EM.TV-Firmengründers Thomas Haffa am vergangenen Mittwoch markierte der Nemax-50 zunächst seinen Tiefpunkt. Vor allem private Anleger trieben EM.TV und starteten am gesamten Neuen Markt die Blitzrallye. "Noch agieren überwiegend spekulative Kleinanleger. Institutionelle warten vor einem Einstieg auf eine Stabilisierung", sagt Lykowski. "Nach den Enttäuschungen ist die Hemmschwelle einfach höher."

Tatsächlich gibt es vielfältige Gründe, um weiter in der Deckung zu bleiben. So ist die Berichtssaison für das zweite Quartal noch im vollen Gange, Enttäuschungen sind da nicht ausgeschlossen. Unternehmen wie Singulus, T-Online oder Steag Hamatech, die heute und in den kommenden Tagen Zeugnis über die Monate April bis Juni abgeben, müssen nicht nur die Erwartungen erfüllen, sondern auch einen positiven Ausblick geben. Genau hier lauern weitere Fangstricke. "Wir erwarten für das zweite und dritte Quartal noch immer mehr negative als positive Nachrichten vom Wachstumssegment", sagt Andreas Hürkamp, Stratege bei der WestLB. Für einen generellen Einstieg sei es da noch zu früh. "Der Kursanstieg muss fundamental unterfüttert werden", sagt auch Wassili Papas, Fondsmanager bei Union Investment. "Ich bleibe weiter an der Seitenlinie, bis ich eindeutige Nachrichten von den Unternehmen höre."

Visibility, Berechenbarkeit, lautet das Gebot der Stunde für institutionelle Investoren. Doch letztendliche Klarheit über die Situation der Wachstumsunternehmen erwarten Experten frühestens in drei bis vier Monaten. Bis dahin könnten die Kurse aber schon kräftig davongelaufen sein. "Mutige Anleger greifen schon jetzt bei Qualitätswerten wie Elmos, Rhein Biotech, Eurofins Scientific oder UMS zu", sagt WestLB-Stratege Hürkamp. Nach unten könnten die Werte zwar noch einmal um zehn bis 20 Prozent fallen, die Chancen nach oben seien aber wesentlich größer. "Wenn die Stimmung dreht, ist ganz schnell eine Kursverdoppelung drin." Auch hierfür hält Milva eine Weisheit parat: "Nach jeder Ebbe kommt auch eine Flut."

Hartkore_Diab.:

Am Neuen Markt gibt es nicht nur Elend

 
31.07.01 00:42
Aus der FTD vom 31.7.2001  
Das Kapital: Am Neuen Markt gibt es nicht nur Elend

Der Neue Markt hat viele Probleme: Gewinnwarnungen, Insidergeschäfte, Bilanztricksereien, Pleiten und Größenwahn haben einen enormen Vertrauensschaden bei Anlegern angerichtet. Die Deutsche Börse stemmt sich reichlich spät und halbherzig entgegen.

Zweierlei ist derweil festzuhalten. Erstens, die Risikoprämie ist in den vergangenen Monaten zu Recht angestiegen. Am Neuen Markt sind kleine Nischenanbieter notiert. SAP mag der hereinbrechenden Konjunkturschwäche trotzen. Aber die Software-Häuser am Neuen Markt sind im Zweifel die Ersten, die eine Rezession vor den Konkursrichter zwingt. Zudem könnte sich der enger werdende Markt in einen Teufelskreis hineindrehen. Der handelbare Streubesitz des Gesamtmarktes dürfte geringer sein als bei der Hypovereinsbank. Die Umsätze sind seit Monaten im Trend rückläufig. Die Institutionelle verabschieden sich. Kurse und Umsätze sinken daraufhin weiter. Je enger der Markt wird, desto unattraktiver ist es für die Profis, wieder einzustiegen.

Aber - zum Zweiten - gibt es nicht nur Elend zu beklagen. Immerhin erzielte knapp die Hälfte aller Firmen 2000 einen Gewinn - oder sollte es nach Ansicht der Analysten tun, sofern noch keine Zahlen vorliegen. Und für diese Hälfte beträgt das Kurs-Gerwinn-Verhältnis rund 21; sie ist damit kaum teurer als der Dax. Bei den Technologiewerten und im Industrie-Segment haben drei Viertel schwarze Zahlen eingefahren. Jeweiliges 2001er-KGV: 16 bzw. 22 bei größeren Wachstumschancen als für Dax-Werte.


Analysten sind sicher notorisch optimistisch. Bei kleinen Werten und wenigen Schätzungen sind die Zahlen ohnehin mit Vorsicht zu genießen. Dennoch: Es müsste verwundern, wenn bei den aktuellen Bewertungsniveaus nicht einige Unternehmen einen Blick wert sein dürften.


Pfeiffer Vaccuum stellt Hochleistungspumpen her. Die Konjunktur fordert ihren Tribut, die Auftragseingänge sind rückläufig. Das Management zweifelt aber nicht am mittelfristigen Wachstum. Die Nettomarge liegt über zehn Prozent, das KGV für 2001 bei 14,7. Die immer noch gut profitable AT & S leidet als Chip-Hersteller an der Handy-Schwäche. Eine Gewinnwarnung fehlte natürlich nicht. Aber bei einem KGV von knapp Elf könnte vieles bereits eingepreist sein. Hartgesottene könnten sich auch die teurere Biodata anschauen, die Verschlüsselungs-Software herstellen und bislang dem Gegenwind standhalten. Ähnliches gilt für den Hersteller von künstlichen Knochen und Hüftgelenken, AAP Implantate.


Das Risiko bleibt höher als an anderen Märkten. Die Aktien wird es nicht von alleine nach oben treiben. Das auslösende Moment für eine Wende am Neuen Markt ist noch nicht in Sicht. Man wird wohl warten müssen, bis die konjunkterellen Frühindikatoren drehen. Aber bei einigen Werten könnte es sich lohnen, sie im Auge zu behalten. Und dann einsteigen - wenn sie bis dorthin nicht zu teuer geworden sind.



Kühne & Nagel


Es gibt sie noch, die Unternehmen, die sich erfolgreich gegen den Abschwung stemmen. Das Schweizer Logistik-Unternehmen Kühne & Nagel hat gestern nicht nur starke Zwischenzahlen vorgelegt, sondern auch die Gewinnprognose angehoben.


Kühne & Nagel profitiert von seiner Größe. Internationale Konzerne nutzen lieber einen einzelnen, weltweit aktiven Partner für ihre Logistik, anstatt mit zahlreichen Spediteuren zu verhandeln. Kühne & Nagel ist die Nummer eins bei der Seefracht und die Nummer fünf beim Warentransport mit dem Flugzeug. Das Unternehmen bietet seine Dienste an 600 Standorten in 90 Ländern an. In den USA hatten die Schweizer bisher noch Nachholbedarf. Mit der Übernahme von USCO hat Kühne & Nagel diese Lücke geschlossen. Der Schweizer Logistiker kostet das 13fache des für 2002 geschätzten Nettogewinns und das Sechsfache des Gewinns vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Goodwill (Ebitda). Konkurrent Stinnes ist schon für den 10fachen Nettogewinn und den Fünffachen Ebitda zu haben. Allerdings stammt bei Stinnes knapp die Hälfte des Umsatzes aus der Chemie- und Stahldistribution. Die beiden Sparten dürften etwas langsamer wachsen als das allgemeine Logistik-Geschäft.


Wenn die Integration von USCO klappt, könnte Kühne & Nagel in den kommenden Jahren deutlich stärker wachsen als der Markt. Das verschafft der Aktie Spielraum nach oben. Zumindest die nächsten beiden Quartale werden sich aber auch die Schweizer kaum der abkühlenden Wirtschaft entziehen können. Insbesondere das Frachtgeschäft nach Ostasien und Lateinamerika dürfte leiden. Das könnte die Aktie belasten. Aber wer ein längerfristiges Basisinvestment im Transportsektor sucht, kann mit Kühne & Nagel nicht viel falsch machen.



© 2001 Financial Times Deutschland
Es gibt keine neuen Beiträge.


Börsen-Forum - Gesamtforum - Antwort einfügen - zum ersten Beitrag springen
--button_text--