Motivation: Lifting für die Laune
Die Krise kommt, die Stimmung geht. Die sich verschlechternde Lage verschlechtert die Stimmung und die wiederum die Lage. Wie aber kann dieser Kreis durchbrochen werden? Die Antwort: Durch Motivation. Gerade jetzt sind Führungskräfte gut beraten, ihren Leistungsträgern besondere Aufmerksamkeit zu schenken.
Arbeitsplätze? Abgebaut. Betriebsfeiern? Abgesagt. Prämien? Gestrichen. Weihnachtsgeld? Gekürzt. Kaum ein Tag vergeht derzeit ohne neue Hiobsbotschaften. Und das über Branchen hinweg: hier Umsatzeinbrüche, Stellenabbau und Budgetkürzungen, dort Kurzarbeit, Nullrunden und Lohnverzicht. Jedes dritte Unternehmen in Deutschland will Arbeitsplätze abbauen, so das Ergebnis einer aktuellen Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. Noch im kommenden Jahr sind davon bis zu 250000 Arbeitsplätze betroffen. Weltweit stehen sogar bis zu 650.000 Jobs auf der Kippe.
Kein Wunder, dass die Stimmung in den Unternehmen mit den Außentemperaturen sinkt. Zu den schlechten Unternehmensnachrichten kommen die Auswirkungen des 11. September: Milzbrand-Hysterie, Terrorangst, Kriegssorgen. Und ein Ende der Tristesse ist vorerst nicht in Sicht: „Vielen geht es noch schlechter als es aussieht. Die meisten versuchen das mit Verweis auf den 11. September zu kaschieren oder zu entschuldigen“, sagt Hermann Sendele, Vice Chairman Europe bei der Personalberatung Spencer Stuart in München. „Tatsächlich aber werden überall Doomsday-Planungen gemacht. Intern liegen oft sogar noch schärfere Pläne in der Schublade.“
Das Ganze ist ein Teufelskreis: Die sich verschlechternde Lage verschlechtert die Stimmung und die wiederum die Lage. Wie aber kann dieser Kreis durchbrochen werden? Die Antwort: Durch Motivation. Und der Zeitpunkt ist jetzt. Gerade zum Jahresende stehen schließlich Gespräche über erreichte Ziele, erbrachte Leistungen und motivierende Anerkennungen an.
Was dabei in der Regel herauskommt, zeugt jedoch von wenig Esprit: Geld. Zwar lautet noch immer einer der wichtigsten Brennstoffe für mehr Motivation „mehr Kohle“. Aber angesichts der Krise und dem Zwang zum Sparen ist das Geld für Gehaltserhöhungen knapp. Die gute Nachricht: Das muss keine Katastrophe sein. Im Gegenteil: Zu häufig und zu breit eingesetzt, entwickeln Gehaltserhöhungen oder Prämien ohnedies nur den Charme handgehäkelter Weihnachtssocken. „Finanzielle Anerkennungen sind sicher ein wichtiger Punkt. Sie sind aber auch oft teuer und ineffizient“, kritisiert beispielsweise Oswald Neuberger, Leiter des Lehrstuhls für Personalwesen an der Uni Augsburg. „Diese Form des Schablonisierens und Normierens ist in der jetzigen Situation aber einfach zu wenig.“
Wenn kein Geld, was dann? Warme Worte? Tatsächlich neigen viele Führungskräfte dazu, in der Bedrängnis markige Sprüche abzusondern und aufrüttelnde Reden vor versammelter Mannschaft abzuhalten – frei nach Dale Carnegie: Sorge Dich nicht – arbeite!
Hilfreich ist das nicht. „Diese Wiederaufrichtungspropaganda hat noch nie funktioniert“, mahnt Reinhard Sprenger, Berater für Personalentwicklung aus Essen und Autor des Bestsellers „Mythos Motivation“. Belobigungen, die situativ kommen, etwa weil wahlweise gerade ein Jahr rum oder die Begeisterung am Boden ist, hält Sprenger für desaströs. „Das wirkt wie ein Eingeständnis, dass man ein schlechtes Gewissen hat oder nicht mehr weiter weiss.“
Möglichkeit drei: nichts tun. Motto: Wer nichts macht, macht auch nichts verkehrt. Mehr noch: Wenn in Zeiten des Personalabbaus demotivierte Kollegen freiwillig abgehen, ist das vielen Unternehmen nur recht und noch billiger. Manch Personaler stellt sich in diesen Tagen daher auf den Standpunkt: Der Erhalt des Arbeitsplatzes ist Motivation genug.
Wirklich? Gerade in schlechten Zeiten erwarten Mitarbeiter von ihrem Chef „vermehrt Führungsqualitäten“, stellt Jürgen Wegge, Motivationsexperte und Arbeits- und Organisationspsychologe an der Universität Konstanz fest. „Den schlimmsten Stil, den Führungskräfte in so einer Situation an den Tag legen können, ist Laissez-faire.“
Nicht prämieren also, nicht lamentieren, aber handeln. Bleibt immer noch das wie. Fest steht: Mechanistische Motivationsaktionen nach dem Gießkannenprinzip bringen nichts. Man kann Menschen nicht motivieren. Man kann nur beeinflussen, wozu sie bereits von sich aus motiviert sind, betonen Motivationsforscher und sprechen dabei von intrinsischer Motivation. „Am Ende läuft es immer auf die Frage hinaus: Wie schau ich den anderen an?“, sagt Führungstrainer Sprenger. „Seh ich in meinem Mitarbeiter ein Kind, das belobigt, geschoben und gezogen werden muss? Oder einen Erwachsenen, den ich in die Verantwortung nehmen kann und muss?“
Wer also jetzt die Notwendigkeit verspürt, der Laune im Laden ein Lifting verpassen zu müssen, hat schon vorher einiges vergeigt. „Mittelfristig hat jede Führungskraft die Mitarbeiter, die sie verdient“, ist Sprenger überzeugt und kritisiert damit vor allem doppelzüngige Ad-hoc-Aufheiterung. So mancher Manager möge und fördere schließlich das ganze Jahr über „kindlich-hilflose Mitarbeiter, um sich selbst grandioser und unersetzbarer zu fühlen.“ Wer so handelt, könne natürlich in der Krise nicht verlangen, dass diese dann plötzlich allen Hindernissen stimmungsautark begegnen.
Umgekehrt bedeutet das: Wer sich mit mündigen Menschen umgibt und diese auch als solche behandelt, kann jetzt umso mehr davon profitieren. „Krisen sind klasse, denn sie bieten großartige Chancen“, ist denn auch Personalberater Sendele überzeugt. Die Rezession sei das beste Instrument, sich auf seine Tugenden und Werte zu besinnen und daraus Gewinn zu ziehen. Wenn alle geschwächt sind, ist das eine gute Gelegenheit, „um die Karten im Markt neu zu mischen und seine eigenen Vorzüge herauszuarbeiten“, so Sendele. Menschen genauso wie Unternehmen.
Damit die Botschaft überzeugt, gehört Offenheit und Transparenz unbedingt dazu. Mehr noch: Gefahren zu verschweigen oder zu beschönigen ist brandgefährlich. „Holiday-on-ice-Shows machen nur unglaubwürdig“, warnt Berater Sendele. Schlechte Nachrichten müssen klar und unverblümt verkündet werden, damit die guten – wenn es sie wieder gibt – auch etwas bedeuten. Führungskräfte müssen daher zeigen, dass sie die Situation voll erfasst haben, sich um ihre Leute kümmern, und auf die Krise souverän reagieren. Ihre Maxime sollte lauten: Was uns nicht umbringt, macht uns stärker.
Damit solche Worte Wirkung zeigen, müssen ihnen Taten folgen. Die Bühne, auf der die Manager dem Bammel im Business begegnen, sollte allerdings nicht allzu groß ausfallen. Auch hier gilt: lieber im Separee als im Foyer. Besonders geeignet sind dafür nach Ansicht der Führungsexperten Projektgruppen, Kommittees oder Taskforces, in die vor allem die Leistungsträger berufen werden – mit dem Appell gemeinsam an Lösungen mitzuwirken. Der doppelte Vorteil: Solche Zirkel einzurichten, „setzt oft ungeahnte Kräfte frei“, weiß Headhunter Schmidt. Und: Sie sind für die Top-Talente ein wichtiges Signal, dass sie im Unternehmen als solche erkannt und anerkannt werden.
Umgekehrt ist für alle Nicht-Berufenen die Botschaft ebenso klar: Ihr gehört nicht dazu. Auch das habe positive Folgen, meint Schmidt: „Sei es, dass die Nicht-Leistungsträger dann darüber nachdenken, warum sie nicht gefragt wurden. Oder weil sie daraus Konsequenzen ziehen und das Unternehmen verlassen.“
Dass auch sie mit einer offenen Kommunikationskultur gut beraten sind, bestätigen die Manager beim IT-Consultingunternehmen Accenture in Sulzbach. Alle vier Wochen werden hier sämtliche Berater per Memo und Mail über alle relevanten Entwicklungen im Unternehmen informiert. Seitdem geht es merklich entspannter zu. Zudem wurde – um dem Stellenabbau vorzubeugen und die Talente zu halten – kurzfristig ein Programm mit dem bezeichnenden Titel „FlexLeave“ ins Leben gerufen, bei dem sich Consultants bis zu einem Jahr lang und unter Bezug von maximal 30 Prozent des Bruttogehalts eine Auszeit nehmen können. Das Angebot kommt an. Über 300 Mitarbeiter nutzen diese Chance bereits intensiv: für ausgedehnte Urlaubsreisen, Weiterbildungen – „und erste FlexLeave-Parties“, erzählt Accenture-Sprecher Ulf Henning. Tenor: Und? Was machst Du so?
Gefeiert wird bei der Deutschen Lufthansa zwar nicht, dafür aber umso mehr diskutiert. „Natürlich sind auch bei uns die Zeiten alles andere als rosig“, gesteht Martin Schmitt, Bereichsleiter für Konzernpersonalpolitik in Frankfurt. Für Standardmaßnahmen, wie Prämien oder Feiern, sei es entsprechend eng geworden. Statt dessen setzen die Airlinechefs verstärkt auf so genannte Townhallmeetings, „um das Solidaritätsgefühl zu stärken“, so Schmitt. Alle Führungskräfte, inklusive Vorstand, sind dazu gehalten, vermehrt das persönliche Gespräch zu suchen, anstatt auf elektronischen Wegen zu kommunizieren. Konkret: Betroffene Manager wie Vorstände reisen häufiger und sind öfter vor Ort anwesend, schildern offen die Konzernsituation und besprechen mit der Belegschaft mögliche Auswege aus der Krise – „und zwar so lange, bis auch die letzte Frage beantwortet ist“, betont Schmitt.
Nichts verschweigen, nichts beschönigen, Schwierigkeiten offensiv angehen – das ist auch die Parole bei Procter & Gamble in Schwalbach. „Uns ist wichtig, Vertrauen zu schaffen und den Mitarbeitern gleichzeitig Perspektiven aufzuzeigen, wohin es gehen soll und welche Schritte dafür nötig sind“, sagt Gerd Ritter, Personal- und Arbeitsdirektor beim Multimarkenkonzern. Darüber hinaus setzen die Schwalbacher auf persönliche Gesten und Geschenke : So habe erst vor kurzem ein Manager der Frau seines Mitarbeiters einen Blumenstrauss geschickt, weil der aufgrund zahlreicher Überstunden kaum noch zuhause war.
Ähnlich rührig kümmern sich auch die Vorstände beim Keksbäcker Bahlsen in Hannover um die Gefühlslage ihrer Belegschaft. Auch hier streifen die Vorstände neuerdings regelmäßiger durch die Werke, um mit den Arbeitern über deren Sorgen zu diskutieren.
In den USA wiederum setzen einige Unternehmen bereits gezielt so genannte Trouble Scouts ein. Der Auftrag dieser externen Berater, meist Psychologen oder Supervisoren: besonders demoralisierte Kollegen ausmachen und aufmuntern .
Taskforces, persönliche Gespräche, Auszeiten – soweit, so gut. Das alles sind hilfreiche Instrumente, nur: Ihr Erfolg korrelliert immer auch mit der Persönlichkeit des Managers. Er ist es, der solche Gesprächszirkel einberuft, das Kommunikationsklima entscheidend beeinflusst und zugleich zeigt, ob seine eigene Motivation der Lage oder dem Lehrbuch entspringt.
Wie das geht, die Leute für harte Zeiten zu begeistern, können die Unternehmenslenker nach Ansicht der Managementforscher vor allem von so genannten charismatischen Führern lernen. Diese viel gepriesene Spezies verdankt ihren Ruf keinesfalls „genetisch festgelegten Eigenschaften“, betont Psychologe Wegge. Vielmehr sei das „trainierbar“.
Vor allem in der Arbeits- und Motivationsforschung gibt es hierzu umfangreiche Untersuchungen. Die wichtigsten Ergebnisse lassen sich, so Wegge, zu acht wesentlichen Punkten destillieren, die charismatische Führer kennzeichnen:
1. Sie vermitteln zunächst und vor allem eine positive Vision.
2. Dieses Ziel verknüpfen sie mit moralischen Werten. Das können allgemeingültige, persönliche oder betriebsbezogene, wie beispielsweise Standesregeln, sein.
3. Gleichzeitig formulieren sie eine herausfordernde Erwartungshaltung an die Mitarbeiter. Also zum Beispiel: „Ich erwarte von uns allen, dass wir gemeinsam nach kreativen Lösungen suchen.“ Die Wirkung ist enorm. So haben Forscher einen positiven Zusammenhang zwischen Erwartung und Leistung nachgewiesen: Je höher der Anspruch der Manager an die Mitarbeiter ausfiel, desto besser waren auch die Ergebnisse und umgekehrt (Pygmalion-Effekt).
4. Charismatische Führer stehen keinesfalls über ihren eigenen Anforderungen, sondern beziehen sich stets uneingeschränkt mit ein. Eine Führungskraft ist Vorbild, ob sie will oder nicht.
5. Sie strahlen Selbstvertrauen und Souveränität aus, erscheinen manchmal geradezu als die personifizierte Hoffnung. Beispiel: „Die Zeiten sind schwer, aber wir werden es schaffen. Daran habe ich keinerlei Zweifel.“ Und: Es mangelt ihnen dabei nicht an einer gesunden Portion Humor.
6. Sie verlieren nicht die Bodenhaftung und zeigen durchweg Vertrauen und Respekt gegenüber ihren Mitarbeitern. Das gilt für einmal deligierte Kompetenzen genauso wie für die Gefühlslage der Belegschaft. Diese nehmen sie jederzeit ernst – auch, wenn sie ihnen noch so albern vorkommt.
7. Sie führen ihren engsten Mitarbeiterkreis individuell und sprechen deren unterschiedliche Motivationsmotive gezielt an: Wer mehr Einfluss sucht, bekommt mehr Kompetenzen; wer vermehrt soziale Bindungen braucht, erhält Freundschaftsofferten.
8. Charismatische Führer schaffen Wettbewerb zu anderen Gruppen. In Krisenzeiten liegen diese in der Regel ausserhalb des Unternehmens; in besseren Phasen können die Konkurrenten durchaus auch betriebsintern identifiziert werden.
Auffällig ist, dass charismatische Führer dabei nur selten von Geld sprechen. „Wesentlich häufiger betonen sie den Wert des eigenen Handelns“, sagt Arbeitspsychologe Wegge, „und geben damit ein Großteil der Verantwortung in die Hände der Geführten“ . Zudem schaffen sie etwas, was Fredmund Malik, Leiter des Management-Zentrums St. Gallen, eine robuste Führungsposition nennt: Vertrauen. Denn nur das mache robust gegen die vielen Führungs- und Motivationsfehler, die unvermeidlich passieren.
Und davon gibt es einige. Allen voran der Irrglaube, schlauer zu sein als alle anderen. „Das schlimmste ist, den Leuten das Gefühl zu geben, sie sind nur Dummies“, warnt Spencer-Stuart-Chef Sendele. Was die Menschen wollen, so Management-Trainer Sprenger, seien „un-bedingte Formen der Zuwendung“ und keine Karrotten an Angelruten.
Punktuelle Belobigungen bergen zudem eine weitere Gefahr: Jede Form individueller Wertschätzung schafft „einen Präzendenzfall, weil er Vergleichsprozesse innerhalb der Gruppe initiiert“, warnt Führungsexperte Neuberger. So weiss man aus der jüngeren Forschung, dass gerade das Erleben von Fairness und Angemessenheit ein wichtiger Motivationsfaktor ist. Verschieben Führungskräfte diese Gleichgewichte unverhältnismäßig, so hat das gravierenden Einfluss auf Einstellung und Verhalten ihrer Mitarbeiter. Anerkennungen für Einzelne sprechen sich immer herum und lösen bei der Belegschaft unweigerlich Fragen aus, wie: Wer bekommt was? Und vor allem: Wer bekommt was nicht?
Fairness fordern natürlich nicht nur Mitarbeiter. „Wir stehen in den Unternehmen ja nicht in einem Dankes-, sondern einem Kooperationsverhältnis. Und zwar einem gegenseitigen“, sagt Managementtrainer Sprenger. Somit stellt sich zwangsläufig die Frage: Wer motiviert eigentlich den Chef?
Bei der Antwort scheiden sich die Geister: Für die einen werden Führungskräfte dafür bezahlt, gefälligst motiviert zu sein und dabei auf andere abzufärben. Für die anderen ist das ein Fall von Geben und Nehmen: „Wer sich überlegt, wer motiviert mich?, sollte sich immer auch die Frage stellen: Wen motiviere ich? Oder frei nach John F. Kennedy: Frag nicht, was dein Chef für dich tun kann, sondern frag zuerst, was du für deinen Chef tun kannst“, sagt Personalberater Schmidt und ergänzt: „Zum Glück nehmen die Leute, die so denken, immer mehr zu.“
JOCHEN MAI
Die Krise kommt, die Stimmung geht. Die sich verschlechternde Lage verschlechtert die Stimmung und die wiederum die Lage. Wie aber kann dieser Kreis durchbrochen werden? Die Antwort: Durch Motivation. Gerade jetzt sind Führungskräfte gut beraten, ihren Leistungsträgern besondere Aufmerksamkeit zu schenken.
Arbeitsplätze? Abgebaut. Betriebsfeiern? Abgesagt. Prämien? Gestrichen. Weihnachtsgeld? Gekürzt. Kaum ein Tag vergeht derzeit ohne neue Hiobsbotschaften. Und das über Branchen hinweg: hier Umsatzeinbrüche, Stellenabbau und Budgetkürzungen, dort Kurzarbeit, Nullrunden und Lohnverzicht. Jedes dritte Unternehmen in Deutschland will Arbeitsplätze abbauen, so das Ergebnis einer aktuellen Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. Noch im kommenden Jahr sind davon bis zu 250000 Arbeitsplätze betroffen. Weltweit stehen sogar bis zu 650.000 Jobs auf der Kippe.
Kein Wunder, dass die Stimmung in den Unternehmen mit den Außentemperaturen sinkt. Zu den schlechten Unternehmensnachrichten kommen die Auswirkungen des 11. September: Milzbrand-Hysterie, Terrorangst, Kriegssorgen. Und ein Ende der Tristesse ist vorerst nicht in Sicht: „Vielen geht es noch schlechter als es aussieht. Die meisten versuchen das mit Verweis auf den 11. September zu kaschieren oder zu entschuldigen“, sagt Hermann Sendele, Vice Chairman Europe bei der Personalberatung Spencer Stuart in München. „Tatsächlich aber werden überall Doomsday-Planungen gemacht. Intern liegen oft sogar noch schärfere Pläne in der Schublade.“
Das Ganze ist ein Teufelskreis: Die sich verschlechternde Lage verschlechtert die Stimmung und die wiederum die Lage. Wie aber kann dieser Kreis durchbrochen werden? Die Antwort: Durch Motivation. Und der Zeitpunkt ist jetzt. Gerade zum Jahresende stehen schließlich Gespräche über erreichte Ziele, erbrachte Leistungen und motivierende Anerkennungen an.
Was dabei in der Regel herauskommt, zeugt jedoch von wenig Esprit: Geld. Zwar lautet noch immer einer der wichtigsten Brennstoffe für mehr Motivation „mehr Kohle“. Aber angesichts der Krise und dem Zwang zum Sparen ist das Geld für Gehaltserhöhungen knapp. Die gute Nachricht: Das muss keine Katastrophe sein. Im Gegenteil: Zu häufig und zu breit eingesetzt, entwickeln Gehaltserhöhungen oder Prämien ohnedies nur den Charme handgehäkelter Weihnachtssocken. „Finanzielle Anerkennungen sind sicher ein wichtiger Punkt. Sie sind aber auch oft teuer und ineffizient“, kritisiert beispielsweise Oswald Neuberger, Leiter des Lehrstuhls für Personalwesen an der Uni Augsburg. „Diese Form des Schablonisierens und Normierens ist in der jetzigen Situation aber einfach zu wenig.“
Wenn kein Geld, was dann? Warme Worte? Tatsächlich neigen viele Führungskräfte dazu, in der Bedrängnis markige Sprüche abzusondern und aufrüttelnde Reden vor versammelter Mannschaft abzuhalten – frei nach Dale Carnegie: Sorge Dich nicht – arbeite!
Hilfreich ist das nicht. „Diese Wiederaufrichtungspropaganda hat noch nie funktioniert“, mahnt Reinhard Sprenger, Berater für Personalentwicklung aus Essen und Autor des Bestsellers „Mythos Motivation“. Belobigungen, die situativ kommen, etwa weil wahlweise gerade ein Jahr rum oder die Begeisterung am Boden ist, hält Sprenger für desaströs. „Das wirkt wie ein Eingeständnis, dass man ein schlechtes Gewissen hat oder nicht mehr weiter weiss.“
Möglichkeit drei: nichts tun. Motto: Wer nichts macht, macht auch nichts verkehrt. Mehr noch: Wenn in Zeiten des Personalabbaus demotivierte Kollegen freiwillig abgehen, ist das vielen Unternehmen nur recht und noch billiger. Manch Personaler stellt sich in diesen Tagen daher auf den Standpunkt: Der Erhalt des Arbeitsplatzes ist Motivation genug.
Wirklich? Gerade in schlechten Zeiten erwarten Mitarbeiter von ihrem Chef „vermehrt Führungsqualitäten“, stellt Jürgen Wegge, Motivationsexperte und Arbeits- und Organisationspsychologe an der Universität Konstanz fest. „Den schlimmsten Stil, den Führungskräfte in so einer Situation an den Tag legen können, ist Laissez-faire.“
Nicht prämieren also, nicht lamentieren, aber handeln. Bleibt immer noch das wie. Fest steht: Mechanistische Motivationsaktionen nach dem Gießkannenprinzip bringen nichts. Man kann Menschen nicht motivieren. Man kann nur beeinflussen, wozu sie bereits von sich aus motiviert sind, betonen Motivationsforscher und sprechen dabei von intrinsischer Motivation. „Am Ende läuft es immer auf die Frage hinaus: Wie schau ich den anderen an?“, sagt Führungstrainer Sprenger. „Seh ich in meinem Mitarbeiter ein Kind, das belobigt, geschoben und gezogen werden muss? Oder einen Erwachsenen, den ich in die Verantwortung nehmen kann und muss?“
Wer also jetzt die Notwendigkeit verspürt, der Laune im Laden ein Lifting verpassen zu müssen, hat schon vorher einiges vergeigt. „Mittelfristig hat jede Führungskraft die Mitarbeiter, die sie verdient“, ist Sprenger überzeugt und kritisiert damit vor allem doppelzüngige Ad-hoc-Aufheiterung. So mancher Manager möge und fördere schließlich das ganze Jahr über „kindlich-hilflose Mitarbeiter, um sich selbst grandioser und unersetzbarer zu fühlen.“ Wer so handelt, könne natürlich in der Krise nicht verlangen, dass diese dann plötzlich allen Hindernissen stimmungsautark begegnen.
Umgekehrt bedeutet das: Wer sich mit mündigen Menschen umgibt und diese auch als solche behandelt, kann jetzt umso mehr davon profitieren. „Krisen sind klasse, denn sie bieten großartige Chancen“, ist denn auch Personalberater Sendele überzeugt. Die Rezession sei das beste Instrument, sich auf seine Tugenden und Werte zu besinnen und daraus Gewinn zu ziehen. Wenn alle geschwächt sind, ist das eine gute Gelegenheit, „um die Karten im Markt neu zu mischen und seine eigenen Vorzüge herauszuarbeiten“, so Sendele. Menschen genauso wie Unternehmen.
Damit die Botschaft überzeugt, gehört Offenheit und Transparenz unbedingt dazu. Mehr noch: Gefahren zu verschweigen oder zu beschönigen ist brandgefährlich. „Holiday-on-ice-Shows machen nur unglaubwürdig“, warnt Berater Sendele. Schlechte Nachrichten müssen klar und unverblümt verkündet werden, damit die guten – wenn es sie wieder gibt – auch etwas bedeuten. Führungskräfte müssen daher zeigen, dass sie die Situation voll erfasst haben, sich um ihre Leute kümmern, und auf die Krise souverän reagieren. Ihre Maxime sollte lauten: Was uns nicht umbringt, macht uns stärker.
Damit solche Worte Wirkung zeigen, müssen ihnen Taten folgen. Die Bühne, auf der die Manager dem Bammel im Business begegnen, sollte allerdings nicht allzu groß ausfallen. Auch hier gilt: lieber im Separee als im Foyer. Besonders geeignet sind dafür nach Ansicht der Führungsexperten Projektgruppen, Kommittees oder Taskforces, in die vor allem die Leistungsträger berufen werden – mit dem Appell gemeinsam an Lösungen mitzuwirken. Der doppelte Vorteil: Solche Zirkel einzurichten, „setzt oft ungeahnte Kräfte frei“, weiß Headhunter Schmidt. Und: Sie sind für die Top-Talente ein wichtiges Signal, dass sie im Unternehmen als solche erkannt und anerkannt werden.
Umgekehrt ist für alle Nicht-Berufenen die Botschaft ebenso klar: Ihr gehört nicht dazu. Auch das habe positive Folgen, meint Schmidt: „Sei es, dass die Nicht-Leistungsträger dann darüber nachdenken, warum sie nicht gefragt wurden. Oder weil sie daraus Konsequenzen ziehen und das Unternehmen verlassen.“
Dass auch sie mit einer offenen Kommunikationskultur gut beraten sind, bestätigen die Manager beim IT-Consultingunternehmen Accenture in Sulzbach. Alle vier Wochen werden hier sämtliche Berater per Memo und Mail über alle relevanten Entwicklungen im Unternehmen informiert. Seitdem geht es merklich entspannter zu. Zudem wurde – um dem Stellenabbau vorzubeugen und die Talente zu halten – kurzfristig ein Programm mit dem bezeichnenden Titel „FlexLeave“ ins Leben gerufen, bei dem sich Consultants bis zu einem Jahr lang und unter Bezug von maximal 30 Prozent des Bruttogehalts eine Auszeit nehmen können. Das Angebot kommt an. Über 300 Mitarbeiter nutzen diese Chance bereits intensiv: für ausgedehnte Urlaubsreisen, Weiterbildungen – „und erste FlexLeave-Parties“, erzählt Accenture-Sprecher Ulf Henning. Tenor: Und? Was machst Du so?
Gefeiert wird bei der Deutschen Lufthansa zwar nicht, dafür aber umso mehr diskutiert. „Natürlich sind auch bei uns die Zeiten alles andere als rosig“, gesteht Martin Schmitt, Bereichsleiter für Konzernpersonalpolitik in Frankfurt. Für Standardmaßnahmen, wie Prämien oder Feiern, sei es entsprechend eng geworden. Statt dessen setzen die Airlinechefs verstärkt auf so genannte Townhallmeetings, „um das Solidaritätsgefühl zu stärken“, so Schmitt. Alle Führungskräfte, inklusive Vorstand, sind dazu gehalten, vermehrt das persönliche Gespräch zu suchen, anstatt auf elektronischen Wegen zu kommunizieren. Konkret: Betroffene Manager wie Vorstände reisen häufiger und sind öfter vor Ort anwesend, schildern offen die Konzernsituation und besprechen mit der Belegschaft mögliche Auswege aus der Krise – „und zwar so lange, bis auch die letzte Frage beantwortet ist“, betont Schmitt.
Nichts verschweigen, nichts beschönigen, Schwierigkeiten offensiv angehen – das ist auch die Parole bei Procter & Gamble in Schwalbach. „Uns ist wichtig, Vertrauen zu schaffen und den Mitarbeitern gleichzeitig Perspektiven aufzuzeigen, wohin es gehen soll und welche Schritte dafür nötig sind“, sagt Gerd Ritter, Personal- und Arbeitsdirektor beim Multimarkenkonzern. Darüber hinaus setzen die Schwalbacher auf persönliche Gesten und Geschenke : So habe erst vor kurzem ein Manager der Frau seines Mitarbeiters einen Blumenstrauss geschickt, weil der aufgrund zahlreicher Überstunden kaum noch zuhause war.
Ähnlich rührig kümmern sich auch die Vorstände beim Keksbäcker Bahlsen in Hannover um die Gefühlslage ihrer Belegschaft. Auch hier streifen die Vorstände neuerdings regelmäßiger durch die Werke, um mit den Arbeitern über deren Sorgen zu diskutieren.
In den USA wiederum setzen einige Unternehmen bereits gezielt so genannte Trouble Scouts ein. Der Auftrag dieser externen Berater, meist Psychologen oder Supervisoren: besonders demoralisierte Kollegen ausmachen und aufmuntern .
Taskforces, persönliche Gespräche, Auszeiten – soweit, so gut. Das alles sind hilfreiche Instrumente, nur: Ihr Erfolg korrelliert immer auch mit der Persönlichkeit des Managers. Er ist es, der solche Gesprächszirkel einberuft, das Kommunikationsklima entscheidend beeinflusst und zugleich zeigt, ob seine eigene Motivation der Lage oder dem Lehrbuch entspringt.
Wie das geht, die Leute für harte Zeiten zu begeistern, können die Unternehmenslenker nach Ansicht der Managementforscher vor allem von so genannten charismatischen Führern lernen. Diese viel gepriesene Spezies verdankt ihren Ruf keinesfalls „genetisch festgelegten Eigenschaften“, betont Psychologe Wegge. Vielmehr sei das „trainierbar“.
Vor allem in der Arbeits- und Motivationsforschung gibt es hierzu umfangreiche Untersuchungen. Die wichtigsten Ergebnisse lassen sich, so Wegge, zu acht wesentlichen Punkten destillieren, die charismatische Führer kennzeichnen:
1. Sie vermitteln zunächst und vor allem eine positive Vision.
2. Dieses Ziel verknüpfen sie mit moralischen Werten. Das können allgemeingültige, persönliche oder betriebsbezogene, wie beispielsweise Standesregeln, sein.
3. Gleichzeitig formulieren sie eine herausfordernde Erwartungshaltung an die Mitarbeiter. Also zum Beispiel: „Ich erwarte von uns allen, dass wir gemeinsam nach kreativen Lösungen suchen.“ Die Wirkung ist enorm. So haben Forscher einen positiven Zusammenhang zwischen Erwartung und Leistung nachgewiesen: Je höher der Anspruch der Manager an die Mitarbeiter ausfiel, desto besser waren auch die Ergebnisse und umgekehrt (Pygmalion-Effekt).
4. Charismatische Führer stehen keinesfalls über ihren eigenen Anforderungen, sondern beziehen sich stets uneingeschränkt mit ein. Eine Führungskraft ist Vorbild, ob sie will oder nicht.
5. Sie strahlen Selbstvertrauen und Souveränität aus, erscheinen manchmal geradezu als die personifizierte Hoffnung. Beispiel: „Die Zeiten sind schwer, aber wir werden es schaffen. Daran habe ich keinerlei Zweifel.“ Und: Es mangelt ihnen dabei nicht an einer gesunden Portion Humor.
6. Sie verlieren nicht die Bodenhaftung und zeigen durchweg Vertrauen und Respekt gegenüber ihren Mitarbeitern. Das gilt für einmal deligierte Kompetenzen genauso wie für die Gefühlslage der Belegschaft. Diese nehmen sie jederzeit ernst – auch, wenn sie ihnen noch so albern vorkommt.
7. Sie führen ihren engsten Mitarbeiterkreis individuell und sprechen deren unterschiedliche Motivationsmotive gezielt an: Wer mehr Einfluss sucht, bekommt mehr Kompetenzen; wer vermehrt soziale Bindungen braucht, erhält Freundschaftsofferten.
8. Charismatische Führer schaffen Wettbewerb zu anderen Gruppen. In Krisenzeiten liegen diese in der Regel ausserhalb des Unternehmens; in besseren Phasen können die Konkurrenten durchaus auch betriebsintern identifiziert werden.
Auffällig ist, dass charismatische Führer dabei nur selten von Geld sprechen. „Wesentlich häufiger betonen sie den Wert des eigenen Handelns“, sagt Arbeitspsychologe Wegge, „und geben damit ein Großteil der Verantwortung in die Hände der Geführten“ . Zudem schaffen sie etwas, was Fredmund Malik, Leiter des Management-Zentrums St. Gallen, eine robuste Führungsposition nennt: Vertrauen. Denn nur das mache robust gegen die vielen Führungs- und Motivationsfehler, die unvermeidlich passieren.
Und davon gibt es einige. Allen voran der Irrglaube, schlauer zu sein als alle anderen. „Das schlimmste ist, den Leuten das Gefühl zu geben, sie sind nur Dummies“, warnt Spencer-Stuart-Chef Sendele. Was die Menschen wollen, so Management-Trainer Sprenger, seien „un-bedingte Formen der Zuwendung“ und keine Karrotten an Angelruten.
Punktuelle Belobigungen bergen zudem eine weitere Gefahr: Jede Form individueller Wertschätzung schafft „einen Präzendenzfall, weil er Vergleichsprozesse innerhalb der Gruppe initiiert“, warnt Führungsexperte Neuberger. So weiss man aus der jüngeren Forschung, dass gerade das Erleben von Fairness und Angemessenheit ein wichtiger Motivationsfaktor ist. Verschieben Führungskräfte diese Gleichgewichte unverhältnismäßig, so hat das gravierenden Einfluss auf Einstellung und Verhalten ihrer Mitarbeiter. Anerkennungen für Einzelne sprechen sich immer herum und lösen bei der Belegschaft unweigerlich Fragen aus, wie: Wer bekommt was? Und vor allem: Wer bekommt was nicht?
Fairness fordern natürlich nicht nur Mitarbeiter. „Wir stehen in den Unternehmen ja nicht in einem Dankes-, sondern einem Kooperationsverhältnis. Und zwar einem gegenseitigen“, sagt Managementtrainer Sprenger. Somit stellt sich zwangsläufig die Frage: Wer motiviert eigentlich den Chef?
Bei der Antwort scheiden sich die Geister: Für die einen werden Führungskräfte dafür bezahlt, gefälligst motiviert zu sein und dabei auf andere abzufärben. Für die anderen ist das ein Fall von Geben und Nehmen: „Wer sich überlegt, wer motiviert mich?, sollte sich immer auch die Frage stellen: Wen motiviere ich? Oder frei nach John F. Kennedy: Frag nicht, was dein Chef für dich tun kann, sondern frag zuerst, was du für deinen Chef tun kannst“, sagt Personalberater Schmidt und ergänzt: „Zum Glück nehmen die Leute, die so denken, immer mehr zu.“
JOCHEN MAI