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Damit war Pandoras Büchse geöffnet. "In jedem ganz normalen Kriminalfall", schrieb ein Teilnehmer am Donnerstagnachmittag, "fragt der Ermittler erst ein mal cui bono?". Denn das beschäftigt die Gemeinde der Möllemann-Anhänger: "Warum?" Oder präziser noch: Zu wessen Vorteil wäre sein Tod?
Schnell war da die Antwort gefunden: Jenen, den der Abbruch der Ermittlungen gegen Möllemann nutzt. So entstehen Verschwörungstheorien der hartnäckigsten Sorte. Wenn dann noch einer der Protagonisten, über den im Kontext diskutiert wird, entsprechend handelt, ist der weitere Verlauf fast programmiert: Schon jetzt sprechen die Möllemann-Fans von "Auftragsmord".
Polit-Foren: In Krisenzeiten immer gefährlich
Die Redaktion der FDP-Website übt Notwehr und gießt so doch nur Öl ins Feuer: Seit Freitagmittag wird das Forum durchpflügt und "korrigiert". Teils verschwinden Einzelbeiträge, teils gleich ganze Diskussionen. Immer mehr gewagte Thesen verschwinden hinter einem offiziellen Statement:
da in der gegenwärtigen Debatte Teilnehmer den Schutz der Anonymität missbrauchten und inakzeptable Äußerungen und Beleidigungen zum Schaden des Forums gepostet haben, werden folgende Modifikationen eingeführt:
* 1. Neuanmeldungen erfolgen nicht mehr automatisch. Die Freischaltung erfolgt durch den Moderator. Das kann 1-2 Tage dauern. Auf absehbare Zeit werden bei Neuanmeldungen keine so genannten Freemailer ohne eindeutige Identifikation (z. B. gmx, hotmail, yahoo) akzeptiert. Freemailer mit eindeutiger Identifikation sind z.B. web.de.
Diese Neuerung bezieht sich NICHT auf bereits registrierte Teilnehmer!
* 2. Eine Begrenzung auf EIN neues Thema wird eingeführt: jeder Teilnehmer kann pro Tag nur noch eine neue Diskussionsgruppe eröffnen.
Wir bitten um Verständnis für die neuen Regelungen. Sie sollen das Forum vor Missbrauch schützen helfen und der Übersichtlichkeit und Benutzerfreundlichkeit dienen.
Mit freundlichen Grüßen
Der Webmaster"
Sollen die Maßnahmen das Forum vor Missbrauch, oder sollen sie die Partei schützen? Denn immer klarer kristallisiert sich heraus, wen die Diskutanten auf dem Kieker haben: die FDP, zuletzt eben nicht mehr Heimat des Jürgen W. Möllemann.
"Ob Westerwelle sich schuldig fühlt?", fragte ein Forenteilnehmer schon am Donnerstag gegen 13.24 Uhr. Dafür, entgegneten ihm andere, gebe es keinen Anlass. "Wirklich nicht?", fragte daraufhin "Martina": "Wie praktisch, dass die Ermittlungen eingestellt werden. So muss man nie erfahren, ob was dran war oder nicht."
Damit wird der normale Vorgang der Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen einen Toten zum scheinbar beweisträchtigen Indiz für die Verschwörungstheorie.
"Hier wird bewusste Legendenbildung betrieben", glaubt "Llarian", einer der emsigsten Poster im FDP-Forum. "Genau das ist doch der Grund, warum Ermittlungsbehörden eigentlich dazu angehalten werden, ihre bisherigen Ergebnisse möglichst schnell zu veröffentlichen. Um genau dem entgegenzutreten. Das wissen auch die Legendenbilder, und darum muss es schnell gehen. Eine Legende, die nicht bis zum Wochenende gebaut ist, wird von der Realität überrollt."
Reflex: Unverständliches verlangt nach Antworten
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"So gesehen", schreibt "Llarian" weiter, "ist jede Überlegung, die für einen Mord spricht, plötzlich genausoviel wert wie ein echtes Faktum, dass auf einen Unfall oder Selbstmord hindeutet. Bewertet wird ja anhand eines hypothetischen Beweises. Und das Ergebnis basiert auf diesen Annahmen. Und man revidiert solche Ergebnisse in der Regel nicht. Und so entstehen Legenden. Egal wie abstrus diese sind. Und diese Tendenz finde ich ziemlich übel."
Das ist sachlich, aber die wild ins Kraut schießenden Gerüchte sind menschlich. Die Anhänger des kontroversen, aber charismatischen Westfalen empfinden seinen Tod als Verlust, der einerseits nach Erklärung verlangt, andererseits nach Trost - das ist fast wie beim Tod eines Popstars.
Memorabilia: Wahlkampf-Altpapier wird Kapitalanlage
Den Trost finden sie vielleicht darin, das, was von Möllemann blieb, festzuhalten: Zeugnisse seiner physischen Existenz zum Beispiel.
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Das Fazit der Fans: "Mölli", ein Märtyrer
Im Tod ist Jürgen W. Möllemann nun begehrt. Im Leben zuletzt politisch isoliert, wird er wieder zum "political animal", als das er den größten Teil seines Lebens galt. Der Handel mit Memorabilia wie die kochende Gerüchteküche um diverse mögliche Verschwörungsansätze deuten darauf hin, dass "Mölli" auf dem Weg ist, zum Märtyrer stilisiert zu werden.
Nichts macht das deutlicher als die Vergleiche, die in den diversen Foren der FDP-Website gezogen werden. "Wie bei Barschel" heißt da ein einsamer Diskussionsbeitrag.
Weit häufiger jedoch fällt der Name Pim Fortuyn. Nachzulesen sind solche Beiträge zumindest bei der NRW-FDP gar nicht: Möllemanns einstige politische Heimat erzittert unter den "Protesten gegen so viel Scheinheiligkeit", die die FDP nach der Veröffentlichung einer offiziellen Trauernote erleben musste. "Es wäre schön", schreibt da ein Diskutant im Forum der Bundespartei und erntet Applaus, "wenn sich alle, die Möllemann noch gestern wie einen Aussätzigen behandelten, bei ihren Nachrufen so kurz fassen könnten wie Herr Westerwelle."
Denn selbst, wenn sich der Tod Möllemanns als Selbstmord herausstellen sollte, ist für viele die Schuldfrage anscheinend schon geklärt. "Wer", fragt ein FDP-Forumsmitglied auf ein "Auftragsmord der politischen Kaste?" überschriebenes Posting, "soll ihn denn ermordet haben?"
Die Antwort darauf klärt die Schuldfrage auf jeden Fall - egal, ob Möllemanns Tod nun Unfall, Suizid oder Mord gewesen ist: "IM Geiste von den Herren Westerwelle + Konsorten".
Das ist keine bloße Verschwörungstheorie mehr, so etwas nennt man Rufschädigung.