Aus der FTD vom 16.1.2002 www.ftd.de/diebstahl
Einzelhandel: Riesige Verluste durch Diebstahl
Von Klaus Max Smolka, Frankfurt
Einzelhändler in Westeuropa leiden massiv unter Diebstahl. Kunden, Mitarbeiter und Lieferanten klauen den Unternehmen mehr als ein Prozent des Umsatzes. Eine Studie ist zu erschreckenden Ergebnissen gekommen.
Insgesamt kostete der Diebstahl den Einzelhandel im Jahr 2001 29,6 Mrd. Euro. Die Summe umfasst den Wert der gestohlenen Waren und die Kosten für Sicherheitsvorkehrungen der Läden. Diese Ergebnisse führt das "Diebstahlbarometer" an, eine Studie des unabhängigen britischen Zentrums für Einzelhandelsforschung. Die Gesellschaft befragte dazu über 400 Einzelhändler in 16 europäischen Ländern, die zusammengenommen gut ein Fünftel des europäischen Einzelhandelsumsatzes erwirtschaften. Sponsor der Studie ist Checkpoint Systems, ein Anbieter von Sicherheitsvorrichtungen für Handel und Industrie.
Der Studie zufolge stellten die Einzelhändler in Europa im vergangenen Jahr bei ihren Inventuren insgesamt einen "Warenschwund" von 1,42 Prozent des Umsatzes fest. Das entspricht 28,9 Mrd. Euro und damit etwa dem gesamten Einzelhandelsumsatz Norwegens.
Kunden klauen am meisten
Etwas mehr als ein Sechstel dieser Summe hatte nichts mit Diebstahl zu tun, sondern mit Mängeln in Verwaltung oder Lagerung. Für rund 46 Prozent des Warenschwundes macht der Einzelhandel klauende Kunden verantwortlich. Diebstähle von Angestellten der Läden summieren sich auf 29 Prozent des verlorenen Umsatzes. Langfinger unter Lieferanten sind für einen Verlust von acht Prozent verantwortlich. Insgesamt ist Diebstahl damit für einen Warenverlust von 23,8 Mrd. Euro verantwortlich.
Um den Langfingern das Stehlen zu erschweren, gaben die Firmen im vergangenen Jahr 5,8 Mrd. Euro aus - überwiegend für Ladendetektive, aber auch für Überwachungsmonitore, elektronisch gesicherte Etiketten und andere Vorrichtungen. Daraus errechnen sich durch Diebstahl Gesamtkosten von 29,6 Mrd. Euro. Das sind pro Kopf in Westeuropa durchschnittlich 77 Euro. "Diese Zahlen belegen, dass das Problem Ladendiebstahl nicht ausreichend Aufmerksamkeit auf sich zieht", sagt Joshua Bamfield, Direktor des Zentrums für Einzelhandelsforschung und Verfasser der Studie.
Die Einzelhändler rechnen damit, dass sich die Quote von verschwundenen Waren im laufenden Jahr erhöht. 2001 war sie am stärksten in Norwegen, Griechenland, Portugal, Österreich und Spanien gestiegen. In einigen Ländern entspannte sich die Lage - am spürbarsten in Schweden, Deutschland und Belgien. Hier zu Lande liegt der Warenschwund mit 1,29 Prozent etwas unter dem westeuropäischen Durchschnitt. "In Deutschland ist das Problem nicht ganz so schlimm wie anderswo", sagt Bamfield.
Klein und teuer
Generell seien die gestohlenen Waren "meistens eher klein, gleichzeitig aber von hohem Wert", wie der Professor weiter ausführt. Typische Produkte sind demnach Parfüms, Kosmetika, CDs, Spirituosen und Videos. Dagegen landen Lebensmittel oder andere Gebrauchsgüter des täglichen Bedarfs relativ selten illegal in Jackentaschen. "Meistens werden Artikel gestohlen, die man weiterverkaufen kann", sagt Bamfield. Die Leute klauten häufig nicht für den Eigenbedarf; das große Problem seien vielmehr professionelle Diebesbanden. "Das Bild von der alten Frau, die vergisst, ihr Katzenfutter zu bezahlen, ist ein Mythos", sagt Bamfield.
Beim Diebstahl können auch ganz andere Motive eine Rolle spielen: Weit oben auf der Liste der begehrten Diebesgüter stehen zum Beispiel Kondome - wahrscheinlich nicht nur, weil sie fix in die Tasche wegzustecken sind. In vielen Fällen klauen die Täter oder Täterinnen Kondome vermutlich aus Scham.
Im Durchschnitt sicherten sich die Täter pro Diebstahl Waren im Wert von 51 Euro. Diese Zahl steigt um ein Vielfaches, wenn ein Mitarbeiter unerlaubt zugreift: Dann verschwinden bei einem Diebstahl durchschnittlich Waren für 685 Euro.
Die Studie gibt an, dass im vergangenen Jahr in Westeuropa 1,27 Millionen Straftäter im Einzelhandel festgenommen wurden - das sind etwa so viele Menschen, wie Köln Einwohner hat. In Deutschland wurden 670.000 Diebe erwischt. Bamfield schätzt, dass die tatsächliche Zahl der Ladendiebstähle aber zehnmal höher liegt. Das schließt er aus Befragungen von Ladendiebe: Die Langfinger geben demnach zu, dass sie schon viele Male geklaut hätten, bevor sie gefasst worden seien. Das Zentrum für Einzelhandelsforschung ist aus Abteilungen der Universitäten Leicester und Northampton entstanden.
© 2002 Financial Times Deutschland
Einzelhandel: Riesige Verluste durch Diebstahl
Von Klaus Max Smolka, Frankfurt
Einzelhändler in Westeuropa leiden massiv unter Diebstahl. Kunden, Mitarbeiter und Lieferanten klauen den Unternehmen mehr als ein Prozent des Umsatzes. Eine Studie ist zu erschreckenden Ergebnissen gekommen.
Insgesamt kostete der Diebstahl den Einzelhandel im Jahr 2001 29,6 Mrd. Euro. Die Summe umfasst den Wert der gestohlenen Waren und die Kosten für Sicherheitsvorkehrungen der Läden. Diese Ergebnisse führt das "Diebstahlbarometer" an, eine Studie des unabhängigen britischen Zentrums für Einzelhandelsforschung. Die Gesellschaft befragte dazu über 400 Einzelhändler in 16 europäischen Ländern, die zusammengenommen gut ein Fünftel des europäischen Einzelhandelsumsatzes erwirtschaften. Sponsor der Studie ist Checkpoint Systems, ein Anbieter von Sicherheitsvorrichtungen für Handel und Industrie.
Der Studie zufolge stellten die Einzelhändler in Europa im vergangenen Jahr bei ihren Inventuren insgesamt einen "Warenschwund" von 1,42 Prozent des Umsatzes fest. Das entspricht 28,9 Mrd. Euro und damit etwa dem gesamten Einzelhandelsumsatz Norwegens.
Kunden klauen am meisten
Etwas mehr als ein Sechstel dieser Summe hatte nichts mit Diebstahl zu tun, sondern mit Mängeln in Verwaltung oder Lagerung. Für rund 46 Prozent des Warenschwundes macht der Einzelhandel klauende Kunden verantwortlich. Diebstähle von Angestellten der Läden summieren sich auf 29 Prozent des verlorenen Umsatzes. Langfinger unter Lieferanten sind für einen Verlust von acht Prozent verantwortlich. Insgesamt ist Diebstahl damit für einen Warenverlust von 23,8 Mrd. Euro verantwortlich.
Um den Langfingern das Stehlen zu erschweren, gaben die Firmen im vergangenen Jahr 5,8 Mrd. Euro aus - überwiegend für Ladendetektive, aber auch für Überwachungsmonitore, elektronisch gesicherte Etiketten und andere Vorrichtungen. Daraus errechnen sich durch Diebstahl Gesamtkosten von 29,6 Mrd. Euro. Das sind pro Kopf in Westeuropa durchschnittlich 77 Euro. "Diese Zahlen belegen, dass das Problem Ladendiebstahl nicht ausreichend Aufmerksamkeit auf sich zieht", sagt Joshua Bamfield, Direktor des Zentrums für Einzelhandelsforschung und Verfasser der Studie.
Die Einzelhändler rechnen damit, dass sich die Quote von verschwundenen Waren im laufenden Jahr erhöht. 2001 war sie am stärksten in Norwegen, Griechenland, Portugal, Österreich und Spanien gestiegen. In einigen Ländern entspannte sich die Lage - am spürbarsten in Schweden, Deutschland und Belgien. Hier zu Lande liegt der Warenschwund mit 1,29 Prozent etwas unter dem westeuropäischen Durchschnitt. "In Deutschland ist das Problem nicht ganz so schlimm wie anderswo", sagt Bamfield.
Klein und teuer
Generell seien die gestohlenen Waren "meistens eher klein, gleichzeitig aber von hohem Wert", wie der Professor weiter ausführt. Typische Produkte sind demnach Parfüms, Kosmetika, CDs, Spirituosen und Videos. Dagegen landen Lebensmittel oder andere Gebrauchsgüter des täglichen Bedarfs relativ selten illegal in Jackentaschen. "Meistens werden Artikel gestohlen, die man weiterverkaufen kann", sagt Bamfield. Die Leute klauten häufig nicht für den Eigenbedarf; das große Problem seien vielmehr professionelle Diebesbanden. "Das Bild von der alten Frau, die vergisst, ihr Katzenfutter zu bezahlen, ist ein Mythos", sagt Bamfield.
Beim Diebstahl können auch ganz andere Motive eine Rolle spielen: Weit oben auf der Liste der begehrten Diebesgüter stehen zum Beispiel Kondome - wahrscheinlich nicht nur, weil sie fix in die Tasche wegzustecken sind. In vielen Fällen klauen die Täter oder Täterinnen Kondome vermutlich aus Scham.
Im Durchschnitt sicherten sich die Täter pro Diebstahl Waren im Wert von 51 Euro. Diese Zahl steigt um ein Vielfaches, wenn ein Mitarbeiter unerlaubt zugreift: Dann verschwinden bei einem Diebstahl durchschnittlich Waren für 685 Euro.
Die Studie gibt an, dass im vergangenen Jahr in Westeuropa 1,27 Millionen Straftäter im Einzelhandel festgenommen wurden - das sind etwa so viele Menschen, wie Köln Einwohner hat. In Deutschland wurden 670.000 Diebe erwischt. Bamfield schätzt, dass die tatsächliche Zahl der Ladendiebstähle aber zehnmal höher liegt. Das schließt er aus Befragungen von Ladendiebe: Die Langfinger geben demnach zu, dass sie schon viele Male geklaut hätten, bevor sie gefasst worden seien. Das Zentrum für Einzelhandelsforschung ist aus Abteilungen der Universitäten Leicester und Northampton entstanden.
© 2002 Financial Times Deutschland