Berlin ist die Hauptstadt der Designhotels. Die Bandbreite reicht von poppig-opulent bis multimedial-modern.
Als Unesco City of Design ist Berlin nicht nur das Zuhause von rund 12 000 Designern und fast 7000 Designfirmen, sondern auch von unzähligen Designhotels. Und es werden jedes Jahr mehr – trotz Wirtschaftskrise und Marktsättigung. Ziehen sich sonst laut Immobilienberater Jones Lang LaSalle Investoren überall zurück, nutzen sie Berlin nach wie vor als Laufsteg für ihre von Spitzenarchitekten entworfenen und internationalen Designern eingerichteten Hotels.
Mehr denn je seien diese heute Lifestyle-Immobilien, so Innenarchitektin Corinna Kretschmar-Joehnk. Sie betreibt zusammen mit ihrem Mann ein Designbüro in Hamburg, das sich auf Hoteleinrichtungen spezialisiert hat. „Man kann Hotels als Trendbarometer sehen“, sagt sie. „Hier kann man richtungsweisende Strömungen ablesen, die auf andere Lebensbereiche übergreifen oder ein Spiegel gesellschaftlicher Änderungen sind.“ Das gilt gerade für die Häuser, die auf Innovation und Modernität statt auf klassisches Ambiente und barocken Luxus setzen.
Auch wenn Investoren aktuell nur Renditen von 7,8 Prozent für den Berliner Hotelmarkt erwarten – was unter dem europäischen Mittel liegt: Für die nächsten Jahre sind hier insgesamt rund 30 Projekte geplant oder im Bau. Bis Ende 2010 kommen so über 7000 Zimmer dazu, die Hälfte davon im Vier-Sterne-Segment, wie das Beratungsunternehmen Dr. Lübke bestätigt. Zu den im Bau befindlichen Designhotels zählen das All Seasons am Rosenthaler Platz, das Cosmo Hotel am Spittelmarkt und The Weinmeister in der Weinmeisterstraße. Sie alle wollen ab nächstem Jahr mit den bereits etablierten Häusern um die designaffinen Hauptstadtgäste buhlen und neue Trends in der internationalen Hotelszene starten.
Ein aktueller Trend ist die Mischung von Business und Leisure: Bleisure. Das ist eine Folge der allgegenwärtigen Smartphones, Notebooks und WLANs, die es ermöglichen, mobil zu arbeiten – vor allem in der Kreativbranche. Im Ergebnis telefoniert man lieber auf der Terrasse und beantwortet E-Mails auf der Couch, als im Büro zu sitzen. „Man will es beim Arbeiten bequem haben“, sagt Kretschmar-Joehnk. Sowohl Zuhause als auch in urbanen Designhotels drückt sich dieser Trend in der Öffnung der Räume aus: Sie werden durchlässiger und multifunktionaler. Das trifft auch auf die ehemaligen Nasszellen zu, die heute zu spaähnlichen Waschräumen gereift sind, mit fließenden Übergängen in den Wohn- und Schlafbereich. Etwas, das die Designer des legendären Hotel Q! in der Knesebeckstraße schon früh zelebriert haben, als sie im „Bathtub Room“ die Wanne direkt ans Bett stellten.
Auch in Bezug auf die Materialien sieht Kretschmar-Joehnk einen Wandel. Setzte man im vergangenen Jahrzehnt noch auf Glas und Stahl, kommen heute verstärkt Naturmaterialien wie Holz und Stein zum Einsatz. Insgesamt ziehe damit mehr Wärme in Designhotels ein. Auch wenn die Fassaden neuer Häuser zum Teil noch an diese kühle Funktionalität erinnern, sind doch ihre Innenleben farbenfroher und weicher geworden. Ein gutes Beispiel dafür ist das frisch eröffnete Casa Camper in der Weinmeisterstraße. Das Haus wirkt von außen eher langweilig, während es innen nur so sprüht – und zwar nicht nur mit frischem Design, sondern auch mit Service: Das im obersten Stock des Hotels gelegene „Tentempié“ bietet eine 24-Stunden-Alternative zur klassischen Minibar. Hier können Hotelgäste rund um die Uhr frische Snacks und Getränke aller Art kostenlos zu sich nehmen.
Denn gerade guter Service rundet das wahre Designhotel-Erlebnis ab. Er ist sozusagen Ausdruck des Designs, ohne selbst Teil davon zu sein. „Mit Designhotels verbinde ich immer etwas Besonderes. Es darf nicht beliebig sein“, sagt Fotograf Urs Kuckertz. „Ich erwarte bis ins Detail eine einheitliche Handschrift, dazu zählt auch der Service.“ Er hat im Laufe seiner Karriere schon viele Hotels fotografiert und weiß: „Gerade Designhotels müssen authentisch sein. Das Design muss nachhaltig, innovativ und funktional sein, sonst verliert es seine Glaubwürdigkeit. Tolles Aussehen allein reicht nicht. Was nützt mir schließlich ein großartig aussehendes Bett, wenn ich darin schlafe wie in einer Hängematte.“
Funktionalität und Glaubwürdigkeit zählen auch für Junghotelier Tom Michelberger, der kürzlich mit Freunden das Michelberger Hotel in Friedrichshain eröffnet hat. Unterstützt vom Berliner Designer Werner Aisslinger ist aus einem Altbau ein innovatives Haus entstanden, das, wie Michelberger sagt, irgendwo zwischen Vier- Sterne-Plus, Mittelklasse und Familienbetrieb angesiedelt ist. Teil des Konzepts ist, dass fast alle Zimmer flexibel nutzbar sind: als Einzel-, Doppel- oder Mehrbettzimmer. An Häusern wie diesem oder dem Apartmenthotel Miniloft in der Hessischen Straße wird klar, dass ein Designhotel kein Luxushaus sein muss. Entscheidend sind das Konzept, die Umsetzung, die Lage und der Wohlfühlfaktor. Gerade die preisgekrönten Minilofts zeichnen sich durch offenes Design und eine geradlinige Architektur aus, die das umliegende Quartier prägt. Wer kein Fan von Stuckdecken und Goldornamenten ist, wird sich hier wohlfühlen.
Wesentlich opulenter wird es im Nhow an der Stralauer Allee. Der massive, zukunftsweisende Bau zwischen MTV und Universal soll künftig die Herberge der Kreativen werden. „Das Haus ist eine geometrische Skulptur entlang des Spreeufers, das wie die Stadt selbst viele Möglichkeiten bietet“, sagt Stararchitekt Sergei Tchoban. Als Kontrast zum kantigen Äußeren wird das Innere runder und mehr als poppig. Verantwortlich dafür ist der New Yorker Designer Karim Rashid, der dem Haus einen unverkennbaren Charakter geben will. „Ich bin immer auf der Suche nach etwas Neuem“, sagt er. „Ich möchte Menschen inspirieren. Sie sollen sich lebendig fühlen.“ Für die Kreativmetropole Berlin also genau richtig. Denn nirgends ist die Bandbreite der Designhotels so breit wie hier.
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