Des Anlegers Lieblinge

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Des Anlegers Lieblinge bammie

Des Anlegers Lieblinge

 
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Exklusiv für EURO am Sonntag wurden die Depots der Deutschen untersucht. Das Ergebnis: Die Anleger setzen viel zu stark auf heimische Werte. Was die Favoriten wirklich taugen und wie ein gutes Depot aussehen sollte.

von S. Parplies und J. Spiering

Wenn es um die Deutsche Telekom (Xetra: 555750 - Nachrichten) geht, hat Internet-Chatter Joscht eine klare Meinung: "Das ist und bleibt ein Beamtendrecksladen, der nur privatisiert wurde, damit die Bürger abzuzocken." Joscht drückt sich damit noch gepflegt aus. Andere T-Aktionäre befleißigen sich in den einschlägigen Boards einer deutlich derberen Wortwahl.

Der Frust ist verständlich, ist die Aktie des Rosa Riesen doch alles andere als ein Kraftpaket. Mit einer Performance von minus neun Prozent seit Jahresanfang ist das Papier der schlechteste Wert im DAX. Eine unerfreuliche Entwicklung für viele Anleger. Denn eine exklusive Untersuchung für EURO am Sonntag durch die Unternehmensberatung Tetralog zeigt: Die T-Aktie ist auch neun Jahre nach dem Börsengang immer noch die Volksaktie Nummer 1. In über 35 Prozent der Depots liegt das Papier.

Mehr als 19000 Depots hat Tetralog gescannt, um herauszufinden, welches die Lieblingsaktien der Bundesbürger sind. Das Resultat: Die Deutschen legen am liebsten in deutsche Aktien an. Nach der T-Aktie sind DaimlerChrysler (Xetra: 710000 - Nachrichten) , Siemens (Xetra: 723610 - Nachrichten) und Allianz die am häufigsten vertretenen Papiere (siehe Tabelle). Mit Nokia und Cisco tauchen nur zwei ausländische Unternehmen unter den Lieblingsaktien auf.

Interessant auch: Im Vergleich zum Jahr 2003, als Tetralog für EURO am Sonntag schon einmal die Depots durchleuchtete, hat sich kaum etwas geändert. Auch damals lagen die T-Aktie, DaimlerChrysler und Nokia (Xetra: 870737 - Nachrichten) vorn. Lediglich die (nicht mehr an der Börse gelistete) T-Online sowie Bayer (Xetra: 575200 - Nachrichten) sind nicht mehr unter den Top 10. Statt dessen rückten die Deutsche Post (Xetra: 555200 - Nachrichten) und die Deutsche Bank (Xetra: 514000 - Nachrichten) nach. Das allerdings macht’s – was die Performance betrifft – nicht viel besser. Ein Blick auf die Statistik zeigt: Während der Korb der Lieblingsaktien in den vergangenen zwölf Monaten zwar um 14,4 Prozent anzog, machte der DAX dagegen satte 25,6 Prozent.

Auch auf längere Zeiträume betrachtet schneidet Deutschlands wichtigstes Börsenbarometer immer besser ab. Ähnlich sieht es im Vergleich zum MSCI World aus. Im langfristigen Vergleich liegt dieser Index deutlich vor den Favoriten der Bundesbürger. Von den acht DAX-Werten, die zu Deutschlands Lieblingen gehören, werden derzeit von der EURO-Redaktion nur vier Werte zum Kauf empfohlen: Allianz, DaimlerChrysler, Siemens und Deutsche Bank (siehe Investors Info).

Sind die Deutschen also ein unflexibles Anlegervolk, das einmal ein paar Aktien kauft und dann ein halbes Leben lang daran festhält, obwohl es eigentlich bessere Papiere gibt? Nicht ganz. Denn nicht jede Aktie ist gleich zu bewerten. "Bei der T-Aktie ist es schon so, daß sie wie Blei im Depot liegt", sagt Andreas Beck, Geschäftsführer des mit Tetralog verbundenen Instituts für Vermögensaufbau (IVA). Bei anderen Werten sei dagegen mehr Bewegung drin (siehe Interview).

Daß sich die Depots aus den Jahren 2003 und 2005 dennoch kaum unterscheiden, hat andere Gründe: Nach dem Platzen der Internetblase haben deutsche Aktionäre lange Zeit genug gehabt vom Thema Börse. Die Depots wurden nicht mehr angesehen, geschweige denn umgeschichtet. Aktien waren out. Erst seit Anfang dieses Jahres nimmt die Zahl der Aktionäre wieder zu. So ist nach Auskunft des Deutschen Aktien Instituts (DAI) im ersten Halbjahr die Zahl der Anleger in Deutschland um fast 300000 auf 10,8 Millionen gestiegen. "Damit konnte der seit dem zweiten Halbjahr 2002 rückläufige Trend umgekehrt werden", heißt es in der Studie.

Hinzu kommt: Auch institutionelle Investoren haben sich lange zurückgehalten. "Solange Fondsgesellschaften oder Versicherer nicht in Aktien investieren, kann sich der Anteil der Aktien in den Depots der Kleinanleger auch nicht verändern", sagt Franz-Josef Leven vom DAI. So wanderten die Aktien nur innerhalb der Depots der deutschen Privatanleger hin und her.

Dabei ist die falsche Treue der Deutschen zu einzelnen Aktien noch gar nicht mal das größte Handicap. Viel problematischer ist: Die meisten Portfolios sind völlig wahllos zusammengewürfelt, ohne Konzept und mit ihrer einseitigen Ausrichtung auf deutsche Werte nicht zum langfristigen Vermögensaufbau geeignet. So ergab eine Umfrage der Deutschen Post unter 80000 Aktionären, daß 43 Prozent der Depots aus nur ein bis vier Aktien bestehen. "Ein gut sortiertes Portfolio sieht anders aus", sagt Andreas Beck.

Auch Martin Weber, der sich am Lehrstuhl für Finanzwirtschaft an der Uni Mannheim seit Jahren mit den Phänomenen des Anlegerverhaltens beschäftigt, ist von der mangelnden Risikostreuung mehr oder weniger entsetzt. "Dabei zeigte die finanzwirtschaftliche Forschung schon vor 30 Jahren theoretisch wie empirisch, daß sich zwar schon eine Streuung der Anlage auf verschiedene heimische Aktien vorteilhaft auf das Risiko des gesamten Aktienportfolios auswirkt, daß aber eine internationale Diversifikation das Risiko noch weit mehr abfedert", so der Uni-Professor. Soll heißen: Jedes Aktienportfolio sollte Werte aus mehreren Ländern und mehreren Branchen enthalten.

"Das Problem ist, daß sich viele Privatanleger vorab keine Gedanken machen, wie ihr Depot aussehen soll", sagt Beck. Eine einseitige Ausrichtung birgt aber größere Verlustrisiken. Verschlechtert sich beispielsweise die Stimmung im Technologiesektor, rauschen sämtlich Tech-Titel in die Tiefe.

Gleichzeitig sollte man bei der Auswahl der Aktien verschiedene Einflußfaktoren wie die Währungsabhängigkeit beachten. Also nicht nur Exportwerte ins Depot, die unter einem schwachen Dollar leiden. Dies gilt auch für die Zinsseite. So hat EURO am Sonntag zum Beispiel ein Rohstoffzertifikat als Absicherung im Depot. Rohstoffe steigen gewöhnlich in Inflationszeiten, während Aktien tendenziell eher verlieren.

Die einseitige Ausrichtung birgt noch andere Risiken. So sind viele Privatportfolios deutlich schwankungsanfälliger als die von professionellen Investoren. "Die Depots von Privatanlegern kommen auf eine Volatilität von 30 Prozent, gute Vermögensverwalter auf 13 Prozent", sagt Beck. Was viele Anleger nicht wissen: Je schwankungsanfälliger ein Depot ist, desto niedriger sind die Renditechancen. Eine Aktie, die um 50 Prozent abschmiert, muß wieder um 100 Prozent zulegen, nur um das Ausgangsniveau zu erreichen. "Die Kunst besteht nicht darin, bei steigenden Kursen in vollem Maß zu partizipieren", erklärt Beck, "sondern darin, die Verluste zu begrenzen."

Doch gerade damit tun sich viele Anleger schwer. Die Studie der Deutschen Post bestätigt ein häufig auftretendes Phänomen: "Befragt nach der Bedeutung, den sie positiven und negativen Ergebnistrends beimessen, gewichten Privatanleger gute Nachrichten stärker als schlechte", lautet ein Ergebnis der Umfrage. Auch dahinter steckt ein menschlicher Zug. Entwickelt sich eine Firma schlechter als erwartet, heißt das für den Anleger: Er hat sich in seiner Einschätzung geirrt. Und mit dem Eingestehen eigener Fehler tun sich viele schwer. Die Folge: Sie versuchen krampfhaft, ihre Verluste auszusitzen und hoffen, daß die Aktie wieder den Einstiegskurs erreicht – siehe Deutsche Telekom.

Insofern liegt Joscht doch nicht ganz richtig. Wenn Anleger hohe Verluste mit dem Beamtenladen Telekom eingefahren haben, hängt das auch mit dem müden Verhalten vieler Börsianer zusammen. Hätten sie rechtzeitig verkauft, wäre ihnen einiges erspart geblieben.
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