Die Commerzbank frisst das Geld ihrer privaten Aktionäre, als wäre sie ein Nimmersatt. Neue Aktien im Wert von anfangs mehr als 12 Milliarden Euro sind seit zwei Jahren hinzugekommen. Doch wegen hoher Kursverluste ist die ganze Bank an der Börse heute nur noch 7 Milliarden Euro wert. Im Mai muss sie nach Ansicht des Vorstands schon wieder neue Aktien im Wert von 2,5 Milliarden Euro verkaufen, um ihr Eigenkapital zu stärken. Anders als die kleine Raupe Nimmersatt im Kinderbuch wird sich die Commerzbank aber auch nach dieser Kapitalerhöhung nicht als schöner Schmetterling entpuppen.
Zunächst müssen Aktionäre ertragen, dass ihre Aktien, die im Jahr 2007 noch 30 Euro kosteten, vor der Kapitalerhöhung im Zehnerpack zu einem Wertpapier gebündelt werden. Ohne diese Kapitalherabsetzung wäre zu erwarten, dass der Kurs einer heutigen Aktie durch die Kapitalerhöhung unter die Mindestschwelle von 1 Euro rutscht. Schon in dieser Woche fiel der Wert einer Commerzbank-Aktie kräftig um 17 Prozent auf nur noch 1,18 Euro. Damit ist der Tiefstkurs vom Juli 2012 nur 8 Cent entfernt.
Kapitalerhöhung ist weiterer Schlag für die privaten Altaktionäre
Seit dem ersten Quartal 2011 hat sich die Zahl der Commerzbank-Aktien von 1340 Millionen auf 5830 Millionen erhöht. Es ist wahrscheinlich, dass weitere Commerzbank-Aktien im Mai nur zu einem Preisabschlag von mindestens 30 Prozent zu verkaufen sein werden. Je tiefer der Kurs, desto mehr neue Aktien müssen plaziert werden, um den gewünschten Erlös von 2,5 Milliarden Euro zu erzielen. Die Kapitalerhöhung ist daher zu diesem tiefen Kurs ein weiterer Schlag für die privaten Altaktionäre. Denn je mehr Aktien ausgegeben sind, desto geringer ist der Anteil am Gewinn.
Der Staat, der im Winter 2008/2009 mit dem Rettungsfonds Soffin 18,2 Milliarden Euro in die Commerzbank einbringen musste, kann eine andere Rechnung aufmachen. Der Bund wird bald immerhin 12,5 Milliarden Euro zurückerhalten haben. Zur Erinnerung: Den Großteil des Staatsgeldes bekam die Commerzbank als stille Einlage, ursprünglich 16,4 Milliarden Euro. Bislang hat der Soffin davon 11,5 Milliarden Euro zurückerhalten, eine weitere Milliarde Euro wird die Commerzbank nach der Kapitalerhöhung im Juni überweisen. Diese Rückzahlungen senken die Staatsschuld.
Allerdings realisiert der Soffin auch erstmals einen Verlust. Er wird Aktien der Commerzbank, die er im Schnitt für 3,40 Euro eingekauft hat, vor der Kapitalerhöhung verkaufen. Der Durchschnittskurs kommt dadurch zustande, dass der Bund seit seinem Einstieg bei jeder Kapitalerhöhung stille Einlagen in Aktien gewandelt hat. Damit hat er seinen Einstandskurs „verbilligt“. Gleichwohl erlöst der Bund jetzt nur ein Drittel seines Einsatzes.
Die harte Kernkapitalquote ist auch nach der Kapitalerhöhung noch unterdurchschnittlich
Der Bund verkauft Aktien mit diesem Zweidrittelverlust, um sich mit dem Erlös von 625 Millionen Euro anschließend an der neuen Kapitalerhöhung der Commerzbank zu beteiligen, Da der Soffin per saldo kein weiteres Kapital in die Bank steckt, wird sein Aktienanteil von gut 25 auf 18 Prozent sinken. Wegen der dann fehlenden Sperrminorität verliert er für einen möglichen künftigen Käufer auch an strategischem Wert. Gleichwohl ist der Staat in der Commerzbank bisher mit einem blauen Auge davongekommen - jedenfalls, wenn man davon absieht, dass Zinszahlungen von 3 Milliarden Euro auf die stille Einlage in den Jahren 2009 bis 2011 ausgefallen sind.
Aber das dicke Ende kommt erst. Schließlich wird nach der Kapitalerhöhung nur die stille Einlage zurückgeführt sein; 5,7 Milliarden Euro des Soffin stecken dann noch in Aktien der Commerzbank. Damit haben private Aktionäre und der Staat stärker als bisher gemeinsame Interessen. Sie müssen sich fragen, ob sie dem Vorstand zutrauen, die Bank nicht nur zu stabilisieren, sondern auch zu höheren Gewinnen zu führen. Nur dann wird sich der Aktienkurs deutlich erholen, also der Verlust begrenzen lassen.
2009 hatte der Vorstandsvorsitzende Martin Blessing für 2012 als Ziel einen Gewinn von 4 Milliarden Euro ausgegeben. Doch während andere Banken die Krise hinter sich lassen, weist der Trend der Commerzbank wieder abwärts. Nach 1430 Millionen Euro im Jahr 2010 und 638 Millionen Euro im Jahr 2011 erwirtschaftete der Konzern 2012 nur noch 6 Millionen Euro Gewinn. Nach der krachenden Zielverfehlung traut sich Blessing keine Prognose mehr zu. Nur so viel: Dieses Jahr wird der Gewinn wieder nicht für eine Dividende reichen, da die Bank im nicht ausgelasteten Privatkundengeschäft Stellen abbaut. Für Abfindungen an ausscheidende Mitarbeiter sind 500 Millionen Euro Kosten eingeplant, die noch nicht verdient sind.
Wer der Commerzbank jetzt neues Kapital zur Verfügung stellt, könnte zwar angesichts des tiefen Aktienkurses einen guten Einstiegszeitpunkt erwischen. Aber jeder Aktionär muss wissen: Die harte Kernkapitalquote der Bank ist auch nach der Kapitalerhöhung mit 9,6 Prozent (nach künftigen Vorschriften) noch unterdurchschnittlich. Der Abbau von 150 Milliarden Euro Kreditrisiken aus Immobilien, Staatsanleihen und Schiffen setzt zwar Kapital frei, könnte aber nur unter Inkaufnahme neuer Verluste gelingen. Kurzum: Der Kapitalhunger der Commerzbank wird auch mit der Kapitalerhöhung im Mai nicht gestillt.
Quelle: F.A.Z.